Planung eines Königsmords
Seite 2: Inside Job
Um den Tatort zu kontrollieren nutzte man nicht nur Insiderwissen, vielmehr manipulierte man, wo man konnte. Im Gegensatz zum Vortag etwa fuhr der Präsidentenlimousine nicht das Auto mit Journalisten voraus, welche die Parade frontal zu filmen pflegten - so wie es dem Standardprotokoll entsprach. Ebenso bereinigte man das Schussfeld von störenden Personenschützern auf den Trittsteigen, die man kurzfristig per Funkbefehl abzog, auch die seitliche Motorradeskorte wurde gestrichen.
Erstaunlicherweise verzichtete man auf die gepanzerte Abdeckung des nun offenen Fahrzeugs, obwohl der Secret Service kurz zuvor zwei Komplotte von Exilkubanern vereitelt hatte, die von Häusern aus auf die Präsidentenlimousine schießen wollten. Die nach einem gleichfalls erschossenen Präsidenten benannte Lincoln fuhr so langsam, dass die verbliebenen Motorradfahrer in der Kurve Mühe hatten, um ihr Gleichgewicht zu halten. Nach dem Beginn der Schüsse floh der Fahrer entgegen seinem Training nicht aus dem Schussfeld, sondern wandte sich vor dem Beschleunigen erst um, als ob er das Ergebnis kontrollieren wollte. Der Fahrer wurde hierzu nicht einmal befragt, statt Spurensicherung am Tatort reinigte man die Limousine.
Das mysteriöse Totalversagen des Secret Service in Dallas dürfte mit dessen oberstem Vorgesetzten zu erklären sein. So untersteht der Secret Service, der primär für den Schutz der US-Währung und nur sekundär für die Sicherheit des Präsidenten zuständig ist, dem Finanzminister. Als solchen hatte Kennedy Eisenhowers von den Dulles-Brüdern eingesetzten Wallstreet-Bankier und Milliardär Douglas Dillon übernommen. Die Dulles-Brüder waren mit Dillon so eng befreundet, dass John Foster Dulles auf Dillons Anwesen seinen Lebensabend verbracht hatte. Wochen vor dem Attentat stattete ihm Allen Dulles einen Besuch ab, über dessen Bewandtnis nichts bekannt ist. Wie Dulles, der vor spektakulären Aktionen wie etwa der Invasion in der Schweinebucht zur Tarnung auf Reisen ging, nahm auch Dillon einen aufgeschobenen Sommerurlaub im November, so dass er den Secret Service nicht am Tattag zu beaufsichtigen hatte.
Ein weiteres zu kontrollierendes Hindernis waren Menschenmassen am Wegesrand. Aus geheimnisvollen Gründen wurde die Route über die eher wenig frequentierte Daeley-Plaza geführt, wo der Wagen einen überflüssigen Schlenker direkt neben einer Anhöhe mit einem zum Verstecken praktischen Zaun nahm, die als "Grashügel" in die Geschichte eingegangen ist. An dieser Stelle bot die Position der Limousine ein perfektes Schussfeld auch vom Triple Underpass sowie vom Dal-Tex-Gebäude.
Dass "Alleintäter" Oswald an das Vorwissen der Route gelangt sein könnte, als er drei Wochen zuvor die ihm zugeschusterte Stelle im Schulbuchlager angenommen hatte, wäre unerfindlich. Nachvollziehbar wäre jedoch, dass der Bürgermeister von Dallas und dessen Bruder, der von Kennedy geschasste CIA-Vize Cabell, ihre Finger im Spiel hatten.
Vorwissen hatte offenbar auch die NSA. So berichtete der in Frankreich stationierte Armee-Kryptograph Eugene B. Dinkin Anfang November 1963 über zwei abgefangene verschlüsselte NSA-Botschaften, in denen es um einen Mordplan am Präsidenten ging. Dinkin brachten seine Hinweise einen Aufenthalt in der Psychiatrie ein, bis er nach Androhung von Elektroschocks seiner "Irrlehre" endlich abschwor.
Der bizarrste Hinweis auf ein Vorwissen der Nachrichtendienste ist die verstörende Geschichte des Militärgeheimdienstlers Richard Case Nigell, der ausgerechnet auf Oswald angesetzt war, um diesen von einem Attentat auf den Präsidenten abzuhalten. Nigell will FBI-Chef Hoover detailliert über die Attentatspläne informiert haben. Da das FBI nichts veranlasst habe, will Nigell eine Intrige gewittert haben. Jedenfalls besorgte er sich ein handfestes Alibi, indem er zwei Tage vor dem Attentat in einer Bank in die Decke schoss, um sich festnehmen zu lassen.