Podemos-Projekt am Abgrund?
Seite 2: Iglesias: Meister der Grabenkämpfe
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Denn nur über die Unterstützung der breiten Gesellschaft könne man Wahlen gewinnen, um reale Veränderungen zu bewirken. Errejón meint, die Basis solle ein "Tandem" bestätigen. Er wirft Iglesias vor, ein "Plebiszit" gewinnen zu wollen.
Denn Iglesias spricht von "zwei Führungspersonen und zwei Projekten", unter denen gewählt werden müsse. Er werde in die zweite Reihe zurücktreten, sollte sich der Errejón-Flügel durchsetzen. "Wenn Errejón gewinnt, ist er der Chef." Es sei "absurd" der Generalsekretär "eines Projektes zu sein, das man nicht verteidigt", sagt er. Er droht also mit Rücktritt, um darüber dafür zu sorgen, dass seine Liste die Wahlen gewinnt und er wird damit vermutlich erfolgreich sein und einen Pyrrhussieg erringen.
In der Partei, an ihrer Basis und unter den Wählern ist man zusehends entsetzt über eine Nabelschau, aus der Inhalte längst weitgehend verschwunden sind. Über die realen Probleme der Bevölkerung wird kaum noch debattiert, weil man seit Monaten mit den internen Querelen beschäftigt ist.
Dabei wird die Armut nicht kleiner und zusehends tödlich in Spanien, da immer mehr Menschen sich nicht einmal mehr leisten können, die Heizung anzuschalten. So verwundert es eigentlich nicht, wenn in neuesten Umfragen sogar die PSOE wieder zulegt und Iglesias inzwischen der am schlechtesten bewertete Parteiführer ist. Es will etwas heißen, dass er in der Beliebtheit sogar noch hinter den Regierungschef Mariano Rajoy zurückgefallen ist.
In der parteinahen Zeitung Público spricht Juan Carlos Escudier von "persönlichen" Problemen, "Misstrauen, Neid und Rivalitäten", die hinter den Konflikten stehen. Es handele sich um einen "erfundenen Krieg" und "Selbstmord", da die verschiedenen Projekte real kompatibel seien.
Es gehe auch nicht um einen Zwist, ob verstärkt Politik auf der Straße oder in Parlamenten gemacht werden soll. Miguel Urbán, Anführer der Fraktion der "Antikapitalisten" fordert selbstkritisch: "Die Fernsehserie mit Alphamännchen, an der ich auch beteiligt war, muss aufhören."
Man riskiere, dass sich die Basis abwende. Damit gehe Podemos aber das stärkste Element verloren. Es gehe nicht um die Unterstützung von Personen, sondern um das gemeinsame Projekt, versucht Urbán zur Rettung anzusetzen.
Dass bei diesem Vorspiels Podemos "stärker" aus dem Kongress hervorgeht, wie Iglesias am Mittwoch in Público behauptet hat, darf stark bezweifelt werden. Man reibt sich beim Lesen des wortreichen Interviews erstaunt die Augen. Der Iglesias, der die IU und ihre Wähler massiv abgekanzelt hatte, benutzt nun das Bündnis zur Abgrenzung gegenüber Errejón, statt sich auch selbstkritisch Fragen zu stellen.
Dass Selbstkritik nicht seine Stärke ist, ist bekannt. Gleichzeitig verwirft er sogar die These, dass Podemos und Sozialdemokraten um die Führerschaft in der Opposition kämpfen müssten. Dabei hatte man die PSOE lange mit der PP als "Zweiparteiendiktatur PPSOE" gebrandmarkt, als "Kaste" und Teil des "Regimes" und jedes Bündnis mit ihr verteufelt.
Obwohl die Sozialdemokraten nun sogar die Rechten und ihre Austeritätspolitik erneut an die Macht gebracht haben, stellt Iglesias heraus, dass die PSOE die Rechten nur in Einzelfragen unterstütze.
Der Unterschied zu "Systemparteien"?
Klar ist, dass angesichts der Nabelschau und taktischer Winkelzüge die Basis und die Wähler verwirrt sind, sich zunehmend abwenden. Man fragt sich, was die Partei nun von den "Systemparteien" unterscheidet. Der Stil und der Umgangston sind ein Horror und damit werden enorme Wunden gerissen, die vielleicht nie wieder heilen.
Dass Iglesias zuletzt Errejón noch wegloben wollte, ihn zum Kandidat für das Bürgermeisteramt in Madrid aufstellen wollte, macht deutlich, dass er sich von der Maxime verabschiedet hat, dass die Posten von den Sympathisanten bestimmt werden. Auch hier taucht schon das Verhalten der "alten Parteien" auf.
Und so resümiert Escudier in Público: "Egal wie das Ergebnis der Versammlung ausgeht, wird es eine ganze Zeit schwer werden, einige der gerissenen Wunden zu heilen." Eine Integration in einer zerbrochenen sei Partei schwierig und "es wird kein Verzeihen für die schwarzen Schafe der Verliererliste geben", sagt er praktisch "das Ende" von Podemos voraus. Tatsächlich ist angesichts der Zuspitzung der Auseinandersetzung wenigstens eine Spaltung nicht auszuschließen.
Es scheint, dass auch Podemos eine Selbstmord-Strategie umsetzt, wie man sie von den Sozialdemokraten im Land schon kennt. Auch in Podemos rangelt man nun vor allem um Macht und um Posten, statt sich um Verbesserungen für die Bevölkerung einzusetzen.
Dabei müsste die Partei nur ihren Blick ins Nachbarland zu ihrer Schwesterpartei wenden, um zu schauen, wie man es dort beim Linksblock deutlich besser macht. Entweder hat man auch bei Podemos den abfälligen Blick drauf, mit dem viele in Spanien auf den ärmeren Nachbarn Portugal blicken, oder man schaut nach dem Fiasko mit Syriza ohnehin nicht mehr über den Tellerrand.