Polen und Österreich - zwei rechte Brüder?
- Polen und Österreich - zwei rechte Brüder?
- Warum "Recht und Gerechtigkeit" erfolgreich wurde
- Die "blauen" Wähler - Angst vor dem Abstieg
- Die PiS-Wähler
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Was auf den ersten Blick wie ein europäischer Trend mit der Radikalisierung der Rechten aussieht, zeigt paradoxerweise dennoch eine Spaltung innerhalb Europas
Wie ein politischer Tsunami schlug am 1. Juli die Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs ein. Schon glaubte man in Wien und anderen Hauptstädten Europas, den rechten Dämonen nochmals knapp entkommen zu sein. Nun muss die Stichwahl um das österreichische Präsidentenamt wiederholt werden.
Bereits die Entscheidung vom 22.Mai 2016 wurde international mit großer Spannung verfolgt. Um eine Haarbreite wäre der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer neuer österreichischer Bundespräsident geworden. Österreich wäre damit das erste Land der "alten EU", in dem eine rechtspopulistische Partei das Staatsoberhaupt stellt. Nur mit einer einmaligen Mobilisierung im zweiten Wahlgang, bei der vor allem die Briefwähler entscheidend waren, gelang eine knappe Mehrheit von 50,3%, oder ein Unterschied von nur 31.000 Stimmen für den von der Grünen Partei unterstützten Kandidaten Alexander van der Bellen. Der neue Präsident sei "mit einem blauen Auge davongekommen", kommentierte der Wiener Boulevard.
Bald ortete die FPÖ Wahlbetrug und ficht die Wahl erfolgreich an. Hofer bekommt nun eine zweite Chance. Ob die Nachwehen des "Brexit"-Referendums, der vermeintliche fortgesetzte "Stillstand" in der Regierungskoalition, an dem auch der knapp vor der Stichwahl vollzogene Kanzlerwechsel kaum etwas zu ändern vermochte, oder mögliche neue islamistische Anschläge in Europa dem FPÖ-Kandidaten eher in die Hände spielen, bleibt abzuwarten. Aber gleichgültig, ob es Hofer diesmal in die Wiener Hofburg schafft oder wieder nur knapp verliert, der Aufstieg des blauen Kandidaten macht seine Freiheitliche Partei "regierungstauglich" und ebnet damit den Weg für Heinz-Christian Strache, den Chef der FPÖ, ins Kanzleramt.
Vor einem Jahr entschied in Polen Andrzej Duda, ein Kandidat der rechtskonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) die Präsidentenwahl für sich. Der bis dahin eher unbekannte, freundlich wirkende Mitvierziger war Professor an der Krakauer Universität, später EU-Abgeordneter für die PiS. Wenige Monate nach seiner Wahl kam bei den Parlamentswahlen auch seine Mutterpartei an die (absolute) Macht.
Dieses Tandem baut seitdem den Staat nach seinen Vorstellungen um, entmachtet das Verfassungsgericht, ersetzt unliebsame Journalisten der staatlichen Medien mit Propagandisten nationalklerikaler Sender und Zeitungen, besetzt Schlüsselpositionen in den staatlichen Unternehmen mit eigenen Gefolgsleuten, droht der Opposition und fördert offen nationalistische bis faschistoide Kreise, oder toleriert zumindest ihre rechtsextremen Exzesse.
Parallelen bei den Wahlkämpfen und den Kandidaten
Auch wenn beide Länder eine durchaus unterschiedliche Ausgangslage hatten, könnte man glauben, dass in beiden Ländern sehr ähnliche Entwicklungen stattfinden. Der Chefideologe und Mastermind der FPÖ, Herbert Kickl, hatte die Situation in Polen gewiss sehr genau verfolgt und fand mit dem stets lächelnden, mit guten Manieren ausgestatteten "perfekten Schwiegersohn" Norbert Hofer sogar einen fast gleichaltrigen Look-a-like Dudas.
Sogar die Wahlkämpfe zeigten starke Parallelen. Sowohl in Polen als auch in Österreich wurden die radikalen Scharfmacher geschickt im Hintergrund gehalten, sodass der Eindruck eines liberalen Generationswechsels entstand. Die Rechnung ging fast auf, noch nie war die FPÖ bei einer Wahl so erfolgreich und einem so wichtigen Amt im Staat so nahe.
Was also auf den ersten Blick wie ein europäischer Trend aussieht, zeigt paradoxerweise dennoch eine Spaltung innerhalb Europas, denn die Gründe für den Aufstieg beider Parteien, der FPÖ und der PiS, sind unterschiedlich und haben mit zum Teil gegensätzlichen innenpolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in beiden Ländern zu tun. Sie können viel eher exemplarisch für Tendenzen im ehemaligen West- und in Ost-Mitteleuropa stehen.
Was sie dennoch eint, ist ein tiefer Riss, der quer durch die Gesellschaften geht und diese in fast gleich große Lager teilt: auf der einen eine offene, liberale, meist urban geprägte Schicht, auf der anderen eine rückwärtsgewandte, konservative, globalisierungs-, fremden- und EU-feindliche Gruppe. Gemeinsam ist beiden Ländern auch eine Radikalisierung der rechten Lager.