Polen und die EU – alles wieder gut?
Seite 3: Ukrainekrieg: Schlagartiger Paradigmenwechsel
- Polen und die EU – alles wieder gut?
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Der Krieg in der Ukraine bewirkte einen schlagartigen Paradigmenwechsel in der Betrachtung Polens in der EU, wie auch der Europäischen Gemeinschaft durch die polnische Regierung. Auf einmal waren die jahrelangen Auseinandersetzungen um die Rechtstaatlichkeit zwischen der Regierung in Warschau und Brüssel in den Hintergrund getreten, der polnische Regierungschef und der Staatspräsident appellierten an die europäische Solidarität, die sie 2015 noch ostentativ vermissen ließen. Man müsse rasch die Verteilung der Flüchtlinge in der Union in Angriff nehmen, Polen brauche finanzielle und ideelle Unterstützung seiner europäischen Partner.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Forderungen laut wurden, Brüssel solle angesichts der Flüchtlingskrise, mit der Polen konfrontiert wurde, die wegen des Streits um die Rechtsstaatlichkeit Polens vorgesehenen und aktuell eingefrorenen Geldmittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds freigeben.
Die polnische Regierung hatte bereits vor dem Krieg in der Ukraine vorgeschlagen, ihr "Reformwerk" abzuschwächen, indem die kontroverse Disziplinarkammer, die Richter bestrafen und entlassen kann, durch ein anderes Gremium ersetzt werden sollte. Die Opposition sah darin eine Nebelgranate und Etikettenschwindel und forderte die EU auf, in Bezug auf Rechtstaatlichkeit in Polen standhaft zu bleiben und nicht nachzugeben.
Der Vorsitzende des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments, Juan Fernando López Aguilar, hatte Ursula von der Leyen in einem Brief aufgefordert, Polen eine möglichst weitgehende Unterstützung in der Krisensituation zu gewähren, aber in der Frage des Wiederaufbaufonds keinen Schritt zurückzuweichen.
Ralf Neukirch schreibt in diesem Zusammenhang im Spiegel, dass die Freigabe der Coronagelder für Polen keine gute Nachricht für den Rechtstaat wäre. Es gehe um über 20 Milliarden Euro, die die Europäische Kommission unter bestimmten Bedingungen bereit wäre freizugeben.
Polen müsse zunächst die Gesetze widerrufen, die die unabhängige Gerichtsbarkeit gefährden. Russlands Überfall auf die Ukraine hätte die Position der EU in dieser Frage "aufgeweicht" und jene Polens im EU-System gestärkt. Als Gründe nennt Neukirch einerseits die Tatsache, dass die polnische Regierung vor den imperialen Ambitionen Russlands gewarnt hatte, während Deutschland lange auf die Zusammenarbeit mit Putin setzte und von diesem betrogen worden sei, andererseits hätte Polen Millionen ukrainische Flüchtlinge bei sich aufgenommen, was dem Land in Europa große Anerkennung gebracht habe.
Laut Spiegel wäre es nicht einfach, einem Land die Auszahlung der Geldmittel vorzuenthalten, welches mit riesigem Engagement und ohne Kosten zu scheuen, ganz Europa einen Dienst erweist. Möglicherweise würde für die Freigabe der Fondsgelder der EU-Kommission lediglich die Abschaffung der Disziplinarkammer reichen, ein Schritt, den die polnische Regierung schon länger verspricht.
Die deutschen EU-Abgeordneten Daniel Freund (Grüne) und Katarina Barley (SPD) haben sich bereits gegen eine "Minimallösung" bzw. einen "Rabatt" für Polen ausgesprochen.3
Ziobro, der mit seiner Justiz-Reform bei der EU bisher kläglich gescheitert ist, verfolgte auch nach der russischen Aggression in der Ukraine seine Agenda des Polexits weiter. Für ihn, den notorischen EU-Gegner, trage die Europäische Union an der Misere, auch am Krieg, Schuld. Er warf der Union vor, im großen Maße am Aufbau der Machtbasis Putins mitbeteiligt gewesen zu sein.
Der "Bandit Putin" hätte ungestraft mit der EU gespielt, sagte er gegenüber einem rechten Blatt. Dabei vergaß er zu erwähnen, dass auch Polen Gas, Erdöl und Kohle aus Russland bezieht. Die EU würde Putin weiter unterstützen, solange sie die Gelder aus dem Corona-Wiederaufbaufonds für Polen nicht freigebe.
Er machte die Hauptschuldige an der Förderung des "Monsters", welcher nun Kinder und Frauen in der Ukraine mordet, in der Person von Angela Merkel aus: "Als Putin den Staatsterrorismus ostentativ vorantrieb, baute sie mit ihm an weiteren Nordstream-Gaspipelines." Auch die Position von Kanzler Scholz lasse vieles zu wünschen übrig, so Ziobro.4