Politik und Plagiatsaffären
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Die Sendung "Der Tag" von hr2 Kultur beschäftigte sich am 21. Mai mit dem Thema. Ich war an der Sendung beteiligt. Die zum Teil relativierenden Äußerungen anderer Teilnehmer über die Bedeutung des Doktors kann ich so aber nicht bestätigen. Das liegt meiner Meinung schon an seiner Sonderstellung.
Laut Centrum für Hochschulentwicklung gab es im Jahr 2017 rund 28.000 abgeschlossene Promotionen, von denen die Mediziner mit rund 6.000 die größte Gruppe stellten. Dabei war die Promotionsquote in den Fächern Biologie, Chemie und Physik am höchsten (rund 86 bis 64 Prozent) und in Jura, BWL und Architektur am niedrigsten (rund 13 bis 6 Prozent).
Statista berichtete im selben Jahr zum Teil erhebliche Unterschiede bei den Einstiegsgehältern: Selbst in den eher bescheiden bezahlten Geisteswissenschaften verdienten Doktorinnen und Doktoren im Schnitt rund 17 Prozent mehr als Einsteiger mit Masterabschluss.
Mit über € 30.000 pro Jahr gab es den größten Gehaltsunterschied im Fach Jura, wo man mit Doktorgrad satte 74 Prozent mehr verdiente. (Es kann natürlich in einigen Subdisziplinen, man denke vielleicht an Wirtschaftsinformatik oder Wirtschaftsingenieurwesen, noch größere Unterschiede geben, die in den allgemeinen Gruppen weniger auffallen.)
Auch unter Parlamentariern mit ihren üppigen Diäten sind Hochschulabschlüsse keine Seltenheit: Rund 17 Prozent haben hier laut Forschung & Lehre einen Doktor - das entspricht in der Gesamtbevölkerung ziemlich genau dem Anteil aller Hochschulabschlüsse (also Bachelor, Master, Diplom, und so weiter). Deren knapp 18 Prozent stehen knapp 82 Prozent unter Parlamentariern gegenüber.
Man nehme dazu noch die soziale Ungleichheit im deutschen Bildungswesen, und es kommt eine sehr schiefe Chancenverteilung heraus. Von Kindern aus Akademikerfamilien erreichen 77 Prozent einen Hochschulzugang, in anderen Familien gerade einmal 23 Prozent (Wie sich ein Akademiker ein ungerechtes System zurechtbiegt).
Auf einen Doktoranden aus einer bildungsfernen Familie kommen am Ende satte zehn aus einer bildungsnahen. Das sind 900 Prozent mehr! Zum Vergleich: Dass Männer im Schnitt bei gleicher Tätigkeit sechs Prozent mehr verdienen als Frauen, halten viele für eine große Ungerechtigkeit.
Strategische Doktoren
Wie viel Kapital einem ein Doktor für die politische Laufbahn bringt, kann wahrscheinlich niemand genau sagen. Die Indizien sprechen aber deutlich dafür. Überhaupt habe ich regelmäßig den Eindruck, dass die wahrgenommene Glaubwürdigkeit im deutschsprachigen Raum damit einhergeht, wie viele Zusätze vor dem Namen stehen. Die wegen Täuschungen aufgeflogenen Politikerinnen und Politiker leisten hier unfreiwillig Aufklärungsarbeit, dass dem nicht so ist.
Ein Kernproblem sind hier meiner Meinung nach die sogenannten "strategischen Doktoren". Das sind diejenigen, die nie beabsichtigen, ernsthaft in der Wissenschaft zu arbeiten, sondern schlicht für das Namensschild oder die Karriere promovieren. Natürlich kann man das nicht immer vorhersagen und jeder weiß, dass es sehr viel mehr Promovierende als feste Stellen in der Wissenschaft gibt.
Ehrlicherweise muss man wohl auch einräumen, dass Doktoranden oft billige Arbeitskräfte in hochqualifizierten und spezialisierten Bereichen sind, die sich (noch) nicht gut durch Maschinen/Roboter automatisieren lassen. Der Doktor ist dann gewissermaßen symbolisches Kapital, für das man schlechtere Arbeitsbedingungen in Kauf nimmt. Jedenfalls eine Zeit lang. Wie wir gesehen haben, zahlt sich das danach im Schnitt in barer Münze aus. Das Prinzip "guter Lohn für gute Arbeit" sollte aber für alle gelten.
Da schlechte Betreuung eine häufige Klage von Promovierenden ist, könnte man sich überlegen, ob man für diejenigen, die von vorneherein nicht ernsthaft in der Wissenschaft arbeiten wollen, überhaupt Ressourcen aufbringen sollte. Immerhin geht es hier auch um die Verwendung von Steuermitteln. Die Politiker, die jetzt beim Täuschen erwischt wurden, haben meines Wissens mehrheitlich so einen "strategischen Doktor" gemacht.
Schauen wir uns nun am Ende den Fall Giffey noch einmal genauer an.
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