Polnische Opposition - kultiviert und aussichtslos gegen PiS?
Die Opposition in Polen schickt zu den Parlamentswahlen als Spitzenkandidatin eine Frau aus der Warschauer Elite gegen den allmächtigen Jaroslaw Kaczynski in den Wahlkampf
"Die Menschen verlangen nach Ruhe und Vernunft. Sie wollen jemanden, der alle miteinander aussöhnt", erklärte Malgorzata Kidawa-Blonska bei ihrer Antrittsrede. Eine Anspielung auf den Riss, der durch das Land zwischen Regierungsanhänger und -gegner durch das Land geht.
Überraschend stellte diese Woche Grzegorz Schetyna, der Vorsitzende des Parteienverbunds "Bürger-Koalition" (KO), die Liberale mit dem netten Lächeln als Kandidatin für den Posten des Premierministers auf, eine Politikerin, die letzter Zeit nicht wirklich in Erscheinung getreten ist. Die heute 62-Jährige wirkte in der Regierungszeit der "Bürgerplattform" (PO) zwischen 2007 bis 2015 als Regierungs- und Parlamentssprecherin, derzeit ist sie stellvertretende Parlamentssprecherin. Die Parlamentswahlen finden am 13. Oktober statt.
Der planlos wirkende Schetyna, der selbst innerhalb der KO-Wähler, ein Zusammenschluss konservativer, liberal und linksliberaler Parteien, nur 22 Prozent Zustimmung findet, hat so endlich Konsequenzen aus seinen mangelnden Erfolgschancen gezogen - viel zu spät denken Kritiker.
PIS hat sich als Vertreter der kleinen Leute erfolgreich präsentiert
Doch auch Kidawa-Blonska gilt nicht unbedingt als gelungene Wahl für die Wahl. Denn die nationalkonservative PiS konnte vor vier Jahren gewinnen, da sie sich überzeugend als Vertreter der kleinen Leute präsentiert und die regierende PO als volksferne Warschauer Elite verfemt hatte. Die Nachfahrin von einem Staatpräsidenten und einem Premierminister aus der Zwischenkriegszeit verkörpert leider gerade dieses Feindbild.
Die studierte Soziologin und gebürtige Warschauerin wirkte lange Zeit als Filmproduzentin und gilt als kultivierte Erscheinung, die zu harte Konflikte eher vermeidet. Die Mutter eines Sohnes, verheiratet mit einem Regisseur, wird so das liberal-konservative Elektorat in den größeren Städten zwar besser mobilisieren als ihr ruppiger Vorgänger. Mit ihrem Vorhaben, die eingetragene Lebenspartnerschaft für Homosexuelle umzusetzen, wird sie die Katholische Kirche und die Rechten allerdings noch deutlicher gegen ihre Partei aufbringen.
Und schon hat sich das Staatsfernsehen TVP Info auf sie eingeschossen, welches die am ungünstigsten Zitate der Politikerin bezüglich der sozialen Probleme publizierte. Zudem wird im TVP erwähnt, dass Schetyna diese Entscheidung einer "israelischen Beraterfirma" verdankt.
Nominierung von Kidawa-Blonska ist Zeichen für eine Wirklichkeitsverweigerung
Andere konservative Medien halten Schetyna vor, er hätte zuerst PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski kritisiert, da dieser vor vier Jahren ebenso mit Beata Szydlo eine Frau für den Premiersposten nominierte, anstatt selbst anzutreten.
Der 56-jährige Historiker, ehemals Innenminister unter Premierminister Donald Tusk, wird nachgesagt, dass er mit dem Wegzug Tusks ganz zufrieden sei und seine Stärken mehr in parteiinternen Kämpfen als im Vertreten der Bürgerplattform nach außen sei. Mit Malgorzata Kidawa-Blonska hat er sich auf den ersten Blick keine Gegnerin ins Haus geholt, die ihm innerhalb der Partei gefährlich werden könnte. Doch wird diese kaum die Bewohner auf dem Land ansprechen, zu fern ist die Welt Kidawa-Blonskas von deren Realität entfernt. Ihre Nominierung ist Zeichen für eine Wirklichkeitsverweigerung.
Die Opposition in Polen hat trotz des dringenden Handlungsbedarfs für halbwegs liberal eingestellte Demokraten - die starke Beschränkung der Justiz durch den Staat, Propaganda-Attacken gegen politische Gegner in den Staatsmedien, wieder demonstriert, dass sie keinen Plan und auch kein wirkliches Ziel, keine Vision hat.
Doch Jaroslaw Kaczynski, der Minister und Premierminister bei sich in der Parteizentrale antanzen lässt, hat die klaren Eigenschaften eines Leaders, wie man es auch so schön Englisch auf Polnisch sagt. Er hat fest definierte Ziele, die er zwar nicht klar kommuniziert, jedoch unbeirrt umsetzt, die Verwandlung Polens in einen autoritativen Staat, die Verwirklichung einer konservative Revolution mit Hilfe der Katholischen Kirche. Möglich ist auch, dass er nach der Wahl selbst als Premierminister regiert, doch dies bleibt bislang im Spekulativen.
Direkte Verantwortung hat er bislang eher vermieden. Das Lebensgefühl, die Weltsicht, die er vermittelt, ist Polarisierung - wir, die wahren Polen, gegen die anderen. Dafür und dank guter Wirtschaftskonjunktur, umgesetzter und versprochener sozialer Förderung von Alten und Familien, steht die PiS derzeit in jüngsten Umfragen bei über 43 Prozent und hat so zweimal mehr Zustimmung als die Oppositionskoalition "KO" aus Bürgerplattform (PO), dem liberalen "Modernen Polen" (N), den Grünen und der linksliberalen "Initiative Polen".
Die drei Linksparteien, SLD (Erbe der einstigen Staatspartei), "Razem" ("Zusammen") und "Wiosna" (Partei des Schwulen-Aktivisten Robert Biedron) schaffen als Bündnis 14 Prozent. Es ist fraglich, welchen Konsens diese mit der KO haben, außer dass die PiS abgewählt werden soll. Als Linie langt dies nicht, die Wähler zu überzeugen.