Poroschenko plant Neustart der Regierung
Jazenjuk soll zurücktreten, die gut in die US-Politik eingebettete Finanzministerin Jaresko soll neue Ministerpräsidenten einer "technokratischen Regierung" werden
Trotz des offenbar zwischen Präsident Poroschenko und Regierungschef Jazenjuk inszenierten Deals, den unter Korruptionsvorwürfen stehenden und schon lange ohne Rückhalt in der Bevölkerung agierenden Regierungschef das Misstrauensvotum überraschend überstehen zu lassen, war offenbar die Zeit abgelaufen. Eine Regierungsumbildung war an der Zeit, auch deswegen, um Neuwahlen zu verhindern (Ukrainer schwer enttäuscht über "Revolution der Würde"). Bereits im Februar war Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius unter scharfer Kritik zurückgetreten.
Die ukrainische Regierung steht mittlerweile unter hohem Druck auch der Geldgeber und des Westen, weil die Reformen nicht wirklich vorankommen und es bei der Umsetzung des Minsker Abkommens nicht vorankommt. Noch immer fehlen auch von der Seite Kiews die entscheidenden gesetzlichen Vorgaben, um den beiden Regionen die notwendige Autonomie zukommen zu lassen, die Voraussetzung für die lokalen Wahlen sind. Ohne eine politische Lösung des bereits nahezu eingefrorenen Konflikts wird sich die Ukraine auf absehbare Zeit auch wirtschaftlich nicht erholen können und bleibt die Lage im Land instabil. Seit Oktober hängt ein neuer Kredit des IWF in Höhe von 17,5 Milliarden US-Dollar. Ein Schlag gegen die Regierung war die Äußerung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor ein paar Tagen, der einen Beitritt zur EU - und zur Nato - für die nächsten Jahrzehnte ausschloss: "Die Ukraine wird mit Sicherheit in den nächsten 20 bis 25 Jahren kein Mitglied der EU werden können", so Juncker.
Als Bremse für die Umsetzung der Reformen und als Kriegstreiber galt Regierungschef Jazenjuk, der aber mit seiner vor den letzten Wahlen schnell zusammengezimmerten Partei Volksfront praktisch jedes Vertrauen verspielt hat. Jazenjuk war der Wunschkandidat der USA, vermutlich war auch dies der Grund, warum er so lange im Amt bleiben konnte oder sollte. Jetzt aber wird deutlich, dass Poroschenko und seinen Beratern, wahrscheinlich auch aus der US-Regierung um Biden, wohl der Misstrauensantrag zu schnell kam. Eine Regierungsumbildung ohne Nachfolger, den man durchsetzen konnte und der sowohl in der Ukraine als auch für die Geldgeber und westlichen Unterstützer Vertrauen genießt.
Offenbar wurde der Nachfolger bzw. die Nachfolgerin jetzt gefunden. Nach Informationen ukrainischer Medien, die von einem Abgeordneten der Volksfront stammen soll, der vor kurzem die Partei verlassen hatte, stehe nun fest, dass genügend Stimmen vorhanden sind, um Jazenjuk abzuwählen. An seine Stelle soll nächste Woche Finanzministerin Natalie Jaresko rücken. Bloomberg berichtet, dass die Börse darauf gleich positiv reagierte.
Poroschenko hatte die in den USA von ukrainischen Eltern geborene Investmentbankerin 2014 zur Finanzministerin ernannt und Kwitaschwili eingebürgert. Jaresko hat gute Verbindungen zur US-Regierung und zum IWF, sie hat an der US-Botschaft in Kiew gearbeitet, war auch während der Amtszeit von Präsident Wiktor Juschtschenko nach der Orangenen Revolution als Beraterin tätig und hat mit Horizon Capital die Stiftung Open Ukraine auf Initiative u.a. von Jazenjuk mitgegründet, zu deren Partner z.B. die Nato, Chatham House, National Endowment oder der German Marshall Fund gehören.
Jaresko ist also gut vernetzt mit den USA und bereits in die Seilschaften in der Ukraine integriert. Sie soll bereits ihre Mitarbeiter zusammenstellen, umden von Poroschenko schon angekündigten "Neustart der Regierung" im Sinne eines technokratischen Kabinetts umzusetzen. Gemunkelt wird, dass Poroschenkos Stabschef Borys Lozhkin Vizeministerpräsident werden soll.
Die Gerüchte über Jazenjuks "freiwilligen" Rücktritt und die Ernennung von Jaresko zirkulierten bereits vergangene Woche. Ihre Bedingung scheint gewesen zu sein, eben eine technokratische Regierung zu bilden, die keinem politischen Druck ausgesetzt ist und nicht nach Parteienproporz besetzt wird. Dass die Entscheidung für Jaresko wohl eng mit der US-Regierung abgesprochen war, lässt auch der Tweet Steven Pifer, einem früheren US-Botschafter in der Ukraine und Mitglied der Brookings Institution, vermuten. Er hatte mitgeteilt, dass nach sich mehrenden Berichten Jaresko ernannt werden würde.