Präzedenzfall vereitelt
Bundesverfassungsgericht stoppte die Auslieferung des Hamburger Kaufmanns Mamoun Darkazanli an Spanien
Am 8. Oktober verhaftete die Hamburger Justizbehörde den seit Jahren observierten Deutsch-Syrer Mamoun Darkazanli aufgrund eines in Madrid ausgestellten Haftbefehls und wollte ihn an Spanien ausliefern ("Schlüsselfigur" von al-Qaida in Europa). Damit würde ein Präzedenzfall geschaffen, denn Darkazanli wäre der erste Gefangene, bei dem die hanseatischen Behörden den neuen EU-Haftbefehl zur Anwendung bringen wollten. Dessen Anwältin Gül Pinar legte Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, sie will prüfen lassen, ob die EU-Bestimmung überhaupt verfassungskonform ist. Sie konnte erreichen, dass die Auslieferung Darkazanlis zunächst für ein halbes Jahr ausgesetzt wird. Wann der Oberste Gerichtshof endgültig über Pinars Beschwerde entscheiden wird, ist noch unklar.
Der syrisch-stämmige Mamoun Darkazanli ist mit einer deutschen Frau verheiratet und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft, seine Brötchen verdient er als selbständiger Im- und Exportkaufmann. Seit 1997 wird er vom CIA überwacht, die US-amerikanischen Geheimdienste gehen davon aus, dass er in Anschläge des al-Qaida-Netzwerkes verwickelt ist. Zudem beschäftigen sich deutsche und spanische Geheimdienste seit Jahren mit Darkazanli (Codewort "Porsche 911"). Der spanische Richter Baltasar Garzón, nimmt an, dass er für die logistische und finanzielle Unterstützung von al-Qaida in Spanien, der BRD und Großbritannien verantwortlich gewesen sei. Die spanische Justiz hatte bereits vor längerer Zeit einen Haftbefehl gegen Darkazanli erlassen, doch erst kürzlich konnte dieser vollstreckt werden.
Zwar gilt der EU-Haftbefehl offiziell seit dem 1.1.2004, aber es dauerte bis zum Sommer, bis in der BRD die juristischen Grundlagen zu dessen Umsetzung geschaffen waren. Darkazanli ist der erste Fall, bei dem die hanseatischen Behörden die neue Verordnung zur Anwendung bringen. Anwältin Gül Pinar, die u.a. den im weltweit zweiten al-Qaida-Prozess angeklagten Abdelghani Mzoudi erfolgreich vertrat, legte unterdessen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Pinar will prüfen lassen, ob die EU-Bestimmung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Bis der Oberste Gerichtshof darüber entscheidet, können Monate vergehen. Deshalb stellte die Juristin gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, nach der der Hamburger Behörde untersagt wird, Darkazanli abzuschieben. Das Verfassungsgericht ordnete daraufhin einen Abschiebestopp für sechs Monate an. Ob die endgültige Entscheidung in diesem Zeitraum fallen wird, ist indes fraglich.
Unterdessen bekräftigt Darkazanli seine Unschuld und führt als Beleg die mangelnden Erkenntnisse des Staatsschutzes an. Zur Süddeutschen Zeitung sagte er: "Seit Jahren werde ich beobachtet, werden mein Telefon und Fax abgehört, meine Post geklaut. Die Polizei hat nichts gefunden. Weder Geldwäsche, Terror, noch 11. September. Keine Waffen, keine Propaganda."