Projekt Gegneranalyse: Matthias Meisner, Morddrohungen und Medienkritik
Seite 2: Kritik von Berliner Medienwissenschaftlerin
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- Top Ten: Inhaltliche Kritik an Linden-Papier bei "Gegneranalyse"
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Trieb Meisner die Sorge um seinen Autor – oder ging es darum, von der Kritik an der Auftaktarbeit seines Projektes abzulenken? Wir haben am Freitag nachgefragt – und Meisner antwortete umgehend. Er habe auf justiziable Inhalte aufmerksam machen wollen und freue sich, "dass dies kurzfristig Wirkung gezeigt hat, Kommentare gelöscht wurden und Telepolis sich für meinen Hinweis ausdrücklich bedankt hat". Mit der Meldefunktion habe er sich "nicht vertraut gemacht".
Stattdessen hatte Meisner Foreninhalte im Wortlaut verbreitet, die im Heise-Forum inzwischen gesperrt sind. Ein Klick zur Sperrung hier – zu kompliziert? Ein 15-teiliger Thread dort – machbar? Es bleiben Fragen.
Auf wenig Verständnis stößt dieser Umgang bei der Berliner Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer, die sich in einer Analyse mit dem Nachdenkseiten-Papier des Projektes "Gegneranalyse" auseinandergesetzt hat:
Der Aktivist Matthias Meisner, der als "Journalist" die sogenannte Gegneranalyse mit verantwortet, scheint nicht an Aufklärung oder gar Schadensabwehr interessiert. Statt auf Rechtsverstöße oder gar Morddrohungen aufmerksam zu machen, ergötzt er sich an solchen Posts und twittert sie fast triumphierend durch die Gegend. Meisners Stil bleibt dabei unverkennbar: Er erstellt Kontaktschuld-Listen, weit weg von jeder inhaltlichen Auseinandersetzung. So umgeht er immer wieder durch das Aufrufen von Kronzeugen das, was das Projekt des Zentrums Liberale Moderne vorgibt schützen zu wollen: eine kritische Debatte über nachgewiesene Falschinformationen. Am Ende bleibt also nur ein Ruch.
Die kritische Debatte aber ist notwendig: Über Defizite etablierter Medien und über den Kurs einiger alternativer Medien. Aber auch über das Design von vorgeblichen Monitoringprojekten wie der "Gegneranalyse", dessen Selbstmandatierung beachtlich nah an dem Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" des Inlandsgeheimdienstes liegt – und das zugleich aus Bundesmitteln finanziert wird.
Wo endet der medienkritische Diskurs, wo beginnt politischer Aktivismus, zumal staatlich finanziert? Erweitert ein solches Projekt diskursive Räume oder ist es darauf angelegt, sie zu verengen?
Die Frage der staatlichen Finanzierung stellt sich auch vor dem Hintergrund aktueller Meldungen. Nach Fake-Anrufen bei Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey und anderen Lokalpolitikern berichtete das ARD-Magazin Kontraste in dieser Woche, dass das verantwortliche russische Komiker-Duo von der Plattform Rutube bezahlt wurde, die zum Gazprom-Konzern gehört. "Der Kreml will den Humor kontrollieren", so das Resümee von tagesschau.de.
Das mag sein. Doch ist hier staatliche Finanzierung okay, dort aber problematisch? Schon hier wäre ein genauerer Blick notwendig, denn Gazprom-Strukturen haben unter anderem auch den regierungskritischen und inzwischen geschlossenen Radiosender Echo Moskau sowie weitere entsprechende Medien mitfinanziert – und damit auch den bissigen Kommentator Anton Orech, der auch bei Telepolis veröffentlicht hat.
Diese Netzwerke sind ein Erbe aus Zeiten von Glasnost und Perestroika, das in Russland gerade abgeschafft wird. Spannend wäre gerade in Anbetracht der geopolitischen Zuspitzung ein Blick auf die staatliche Einflussnahme auf die Presselandschaft in Deutschland.