Prostitution und Sexkaufverbot: So debattieren die Leser von Telepolis

Blick in den Flur eines Hamburger Bordells. Foto: Hahnenkleer / CC-BY-SA-4.0

Wird das "älteste Gewerbe der Welt" immer existieren oder kann es weg? Wie könnten die Arbeitsbedingungen sicherer werden? Auszüge aus der Forendiskussion.

Die CSU-Politikerin Dorothee Bär hat diese Woche eine seit Jahren mit wechselnder Intensität laufende Debatte neu entfacht: Die Situation von Prostituierten in Deutschland sei dramatisch, sagte sie der Bild. "Wir brauchen dringend einen Paradigmen-Wechsel: ein Sexkaufverbot in Deutschland."

Das etwa in Schweden praktizierte "Nordische Modell" sieht vor, die Freier zu bestrafen, nicht aber die Prostituierten. Anders, so meinen Befürworterinnen, sei Menschenhandel auch in Deutschland nicht erfolgreich zu bekämpfen, da aufgrund von Einschüchterung schwer zu kontrollieren sei, wie "freiwillig" die überwiegend weiblichen Betroffenen dieses Gewerbe ausüben.

Da widerspricht unter anderem der Bundesverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD): Ein solches Verbot führe für Sexarbeitende in prekären Situationen zu noch schlechteren Arbeitsbedingungen, sagte Verbandssprecher Kolja-André Nolte, der selbst als "Dominus" tätig ist, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Auch Politikerinnen der Grünen und der Linkspartei sehen die Forderung kritisch – obwohl es in beiden Parteien auch Verbotsbefürworterinnen gibt. Zu letzteren gehört in der ersten Reihe Emma-Gründerin Alice Schwarzer.

"Populistischer Wahlkampf auf dem Rücken einer Minderheit"

Auch Telepolis hat über die Debatte berichtet. In der Forendiskussion berichtet teqq.at über Erfahrungen aus Wien, die ein Verbot eher kontraproduktiv erscheinen lassen: Österreichs Bundeshauptstadt habe "unter dem Deckmantel der 'Stärkung der Rechte der betroffenen Frauen' Verbotszonen eingerichtet.

Die entsprechende Stadträtin verkaufte das dann als großen Erfolg - bis rauskam, dass die Besitzerin diverser Wohngebäude dadurch richtig Kohle gemacht hat, weil die Preise der Gegend hochgingen. (…)

Die Frauen waren dann weit außerhalb der Stadt auf einem Freigelände ohne sanitäre Anlagen und ohne jeglichen Schutz vor irgendwelchen Gestörten. Wohnwagen wurden dann verboten, und so wurde das immer weiter eingeengt.


teqq.at

Als "Kompromiss" schlägt ADie vor:

Könnte man den Kauf von Sex nicht nur dann strafbewehren, wenn die sexuelle Dienstleistung bei nicht registrierten Prostituierten eingekauft wird?


ADie

Nach Einschätzung von Demophob im Telepolis-Forum hat Prostitution in "Zeiten von Tinder, Bumble, Casual-Dating-Seiten und lebensechten Silikon-Liebespuppen" im Grunde ausgedient, wo sie noch existiert, wird sie in dem Beitrag aber kritisch betrachtet:

Das Problem mit der Prostitution war die sehr oft damit verbundene Zuhälterei; als Freier konnte/kann man sich nie sicher sein, ob die Sexarbeiterin ihrem Job wirklich freiwillig oder unter Zwang nachgegangen ist, weil selbst man selbst bei Beteuerung der Dame, ohne Zuhälter zu arbeiten, nicht wissen konnte, ob diese Aussage wahrheitsgemäß ist oder auch unter Zwang erfolgt


Demophob

"Städtische Bordelle mit absolutem Zuhälterverbot"

Darauf antwortet siar mit dem Vorschlag, "städtische Bordelle mit absolutem Zuhälterverbot" einzurichten.

Prostitution wird es immer geben, es sollten nur Voraussetzungen geschaffen werden, die den Frauen sichere und gewaltfreie Arbeitsbedingungen bieten.


siar

Für szul ist Bärs Vorstoß für ein Sexkaufverbot "populistischer Wahlkampf auf dem Rücken einer Minderheit". Arutha schreibt:

Ich bezweifle das es um das Wohl der Prostituierten geht. Vermutlich will man einfach nur die eigene moralische Überlegenheit demonstrieren.


Arutha

"Wie wäre es mit einer vollständigen Legalisierung?" - Diese Frage stellt der Nutzer kleinermüller: "Inklusive Regeln, Kontrollen, Mindestlöhnen, Zertifizierungen und Prüfungen?" Zertifizierungen schlägt er für Zuhälter vor – und eine "Gebrauchsanleitung" für "Nutten".

Das Problem ist doch, dass das Milieu immer noch im Halbschatten agieren kann, das lässt Räume für illegale Beschäftigung und im Zweifel für Menschenhandel. Müsste man nicht, um Zwangsarbeit oder Menschenhandel zu verhindern, diese in den Fokus rücken, den Scheinwerfer darauf richten? Ich meine schon.


kleinermüller

Sogar die Einführung eines "Bockscheins" wird im Telepolis-Forum ernsthaft vorgeschlagen – nicht zuletzt, um den Staat am Gewinn zu beteiligen:

Da der Staat am eigentlichen Akt nicht teilnehmen kann, also in der Anbahnung, der Verhandlung, und dem Vollzug, muss eine Möglichkeit gefunden werden, für alle drei Seiten eine einfache Möglichkeit zu finden, das eigentliche Geschäft nicht zu behindern, aber den Staat seinen Anteil zukommen zu lassen.

Ein Vorschlag wäre die Einführung eine stückelbare Vollzugskarte, der vom Freier bei den staatlichen Stellen gekauft werden kann – heute natürlich digital gestaltet –, und ihm die zeitbegrenzte und/oder tätigkeitsbezogene Aufsuchungen eines Dienstleister gestattet. Dieser wiederum kann den Vollzugschein annehmen, ablehnen oder je nach Schwierigkeitsgrad der zu erfüllende Aufgabe eine Verminderung oder mehre Vollzugsscheine verlangen.

(…)

Damit das System sich durchsetzt, kann der Staat über sogenannte Testfreier versuchen, die Dienstleister mittels Bargeld oder sonstigen Naturalien zu verleiten, das Vollzugscheinsystem zu umgehen. Eine Umgehung sollte dann natürlich strafbewehrt sein.


der_kleine_techniker

Die Diskussion wirft auf jeden Fall ein Schlaglicht auf höchst unterschiedliche Interessenlagen.

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