Putschversuch in Westafrika

Eine professionelle Söldnergruppe wurde in Simbabwe festgenommen. Ihr Zielort: Äquatorial-Guinea. In welchem Auftrag sie gehandelt hat, ist bislang unklar

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Die betagte Boeing 727 mit der Registriernummer N4610 rollt über die Landebahn des Flughafens von Harare, als der Kapitän eine weitere Anfrage vom Tower erhält. Wie viele Personen sich an Bord befänden, wollen die Behörden wissen. Außer der dreiköpfigen Crew seien nur vier Frachtbetreuer an Bord, gibt der Pilot zur Antwort. Unmittelbar darauf erlischt die komplette Beleuchtung im Innenraum des Jets. Man wolle nur auftanken für den Weiterflug, lautet ein weiterer Funkspruch aus der Boeing. Doch die Lotsen werden misstrauisch und alarmieren die simbabwische Polizei. Bei einer Durchsuchung des Flugzeugs trifft diese 64 Personen an und nimmt sie fest. Sie werden allesamt verdächtigt, Söldner auf dem Weg zu einem Einsatz zu sein.

Was klingt wie der Auszug aus einem Krimi von Frederick Forsyth, ist am Sonntag vergangener Woche tatsächlich geschehen. Doch vermutlich war es nicht nur das ungewöhnliche Verhalten der Crew, welches das Eingreifen der simbabwischen Behörden zur Folge hatte. Dem dortigen Geheimdienst war wohl bereits bekannt, dass die "Fracht" der Boeing nicht nur aus Flugpersonal bestand. Und man wusste auch, dass einige weitere interessante Figuren sich in Harare zu der Reisegruppe gesellen wollten.

Unter denen, die im Transitbereich des Flughafens von Harare auf die Maschine aus Südafrika warteten, befand sich unter anderem Simon Mann. Der ehemalige Angehörige der britischen Spezialeinheit SAS hatte sich in den letzten 20 Jahren als Söldner hervorgetan. Als Mitgründer von "Sicherheitsunternehmen" wie der 1999 aufgelösten Firma Executive Outcomes war er unter anderem an Söldnereinsätzen in Angola und Sierra Leone beteiligt. Auch er befindet sich derzeit in Simbabwe in Haft. Für die dortige Regierung unter Robert Mugabe war der Fall sofort klar: Das Flugzeug habe in Harare Waffen laden wollen, um dann nach Äquatorial-Guinea weiterzufliegen. Der eigentliche Plan der Söldnergruppe sei es gewesen, den dortigen Präsidenten, Teodoro Obiang, zu stürzen. Drahtzieher des Unternehmens seien laut der Regierung von Simbabwe die Geheimdienste Spaniens, Englands und der USA.

Etwas zurückhaltender drückte sich die südafrikanische Regierung aus. Man sei noch dabei, den Vorgang zu rekonstruieren, sagte der südafrikanische Außenminister Nkosazana Dlamini-Zuma, es gebe jedoch "in der Tat eine Verbindung zwischen dem Flugzeug und Äquatorial-Guinea". Charles Burrow, ein Mitarbeiter der britischen Firma Logo Logistics, die das Flugzeug erst vor kurzem in den USA erworben hatte, beeilte sich, die Vorwürfe in den Medien als völlig aus der Luft gegriffen darzustellen. Die Passagiere des Flugzeugs seien von Logo Logistics angeheuert worden und auf dem Weg in die Demokratische Republik Kongo gewesen, wo sie als Sicherheitskräfte für Minenanlagen arbeiten sollten.

Zwar hätten die 20 Südafrikaner, 18 Namibier, 23 Angolaner sowie die zwei Kongolesen und ein Mann aus Simbabwe militärische Erfahrung. Sie seien jedoch unterwegs in die Demokratische Republik Kongo gewesen, um Arbeitsverträge mit vier Bergbauunternehmen zu erfüllen. Die Maschine habe in Harare lediglich Bergbaumaterialien laden wollen, beteuerte Burrow. Denn Simbabwe sei "einer der billigsten Orte auf dem gesamten Erdball".

Machtkampf in der simbabwischen Regierung

Gegen Burrows' Version spricht, dass seit geraumer Zeit Simon Mann die Geschäfte von Logo Logistics führt, wie der englische "Observer" am vergangenen Sonntag berichtete. Und Mann soll bereits im Februar nach Harare geflogen sein, um dort einen Waffendeal mit dem staatlichen Rüstungsunternehmen einzufädeln, wie der "Observer" aus dem Umfeld des Söldnerchefs erfahren haben will. Tatsächlich gab der Innenminister von Simbabwe, Kembo Mohadi, wenig später bekannt, der Direktor von Zimbabwe Defence Industries habe mit Mann die Lieferung von AK-47 Gewehren, Mörsern sowie 30000 Schuss Munition im Wert von insgesamt 180000 Dollar vereinbart. Dass die staatliche Rüstungsfirma die umstrittene Transaktion überhaupt durchführen wollte, lässt auf einen Machtkampf in der simbabwischen Regierung schließen.

Bei den Verhandlungen im Februar mit von der Partie war auch Nick du Toit. Der bei Logo Logistics angestellte du Toit, zu Zeiten des Apartheidsregimes Kommandeur einer Spezialeinheit der südafrikanischen Armee und später auf der Gehaltsliste von Manns Söldnerfirma Executive Outcomes, wurde am Dienstag vergangener Woche in Äquatorial-Guinea festgenommen. Gemeinsam mit 14 weiteren mutmaßlichen Söldnern soll er das Vorauskommando der Putschisten gebildet haben.

Im staatlichen Fernsehen wurde er mit den Worten zitiert, er sei der Anführer jener Erkundungstruppe, die mit den Männern aus dem Flugzeug assoziiert sei. In einer vom Englischen ins Spanische übersetzten Aussage bestätigt er das Vorhaben, den Präsidenten zu stürzen:

Es ging nicht darum, das Staatsoberhaupt umzubringen, sondern darum, es zu entführen, nach Spanien zu bringen und ins Exil zu zwingen. Dann wäre die Exilregierung von Severo Moto eingesetzt worden.

Severo Moto ist ein Dissident des ölreichen Kleinstaates Äquatorial-Guinea, einer ehemaligen spanischen Kolonie, die erst 1968 ihre Unabhängigkeit erlangte. Offiziell eine konstitutionelle Demokratie, wird das westafrikanische Land de facto auf despotische Weise von Teodoro Obiang regiert, seit sich dieser 1979 an die Macht putschte. Nachdem Mitte der neunziger Jahre große Ölvorkommen auf dem Territorium von Äquatorial-Guinea entdeckt wurden, wurde der Staat, bis vor wenigen Jahren einer der ärmsten des ganzen Kontinents, auch mit der Zuschreibung "Kuwait of Africa" belegt. Im vergangenen Jahr wurden dort 350000 Barrel Öl pro Tag gefördert. Vom so erwirtschafteten Reichtum bekommt die Bevölkerung allerdings wenig zu sehen. Die Einkünfte werden zu einem großen Teil unter den Angehörigen der Präsidentenfamilie verteilt, die einige der wichtigsten Posten des Landes innehat.

Vermeintlich freie Wahlen

Mehr als einmal bemühte Obiang einen angeblich bevorstehenden Putsch, um oppositionelle Politiker zu beschuldigen und einkerkern zu lassen. Nicht zuletzt deshalb entwickelten sich vermeintlich freie Wahlen zur Farce. Amnesty International und Human Rights Watch berichten von Festnahmewellen, Folterungen und unfairen Gerichtsverfahren.

Gleichwohl geben die Vorgänge in Zimbabwe Anlass zu glauben, dass es sich bei den Putschvorwürfen diesmal nicht nur um Behauptungen handelt. Simbabwes Innenminister Mohadi will gar wissen, dass Dissident Moto persönlich Simon Mann im November angeheuert und ihm dabei 1,8 Millionen Dollar sowie Ölförderungsrechte in Äquatorial-Guinea versprochen habe. Dass Söldnerfirmen mit Abbaurechten entlohnt werden, ist keineswegs eine Seltenheit. Anfang dieser Woche berichtete der "Observer" zudem, der britische Millionär Ely Calil werde verdächtigt, Simon Mann fünf Millionen Dollar ausbezahlt zu haben, damit dieser ein Söldnerheer zur Absetzung von Präsident Obiang zusammenstellen könne. Der Informationsminister von Äquatorial-Guinea habe entsprechende Vorwürfe erhoben. Calil könnte also die Klammer zwischen dem Söldnerunternehmer Mann und dem Exilregenten Severo Moto darstellen.

Ely Calil, der mit Ölhandel in Nigeria ein Vermögen gemacht hat, steht im Zusammenhang mit dem Elf-Aquitaine-Skandal im Visier der französischen Polizei. Kern der Ermittlungen gegen ihn sind illegale Zahlungen, die eine Tochterfirma des Konzerns an den nigerianischen Diktator Sani Abacha vorgenommen hat. Seit in Äquatorial-Guinea in großen Mengen Öl gefördert wird, hat Calil Beziehungen zu Moto aufgebaut, die, wie er betont, rein freundschaftlicher Natur sind. Sollten die Vorwürfe sich aber bewahrheiten, wird er jedoch auch dafür gesorgt haben, dass ihm sein fünf Millionen Dollar teurer "Freundschaftsdienst" entsprechend mit Ölkonzessionen entlohnt wird. Manns Geschäftspartner behaupten jedenfalls, dass Calil mit der "Asian Trading and Investment Group SAL" verbunden sei. Und die habe wiederum einen Vertrag mit Logo Logistics abgeschlossen. Wert: Fünf Millionen Dollar. Offiziell handelt es sich bei dem Kontrakt, wie der "Observer" nach Einsicht in den Vertrag bestätigen konnte, um die Finanzierung von "Sicherheitsprojekten in Westafrika für Ölförderung, Fischfang, Luftfahrt und Handel". Simon Manns Partnern zufolge sollte mit dem Geld jedoch der Sturz von Präsident Obiang finanziert werden.

Wer steckt hinter dem Umsturzversuch?

Doch auch Nick du Toit betätigte sich in den vergangenen Monaten als Unternehmer. Die von ihm im Dezember 2003 gegründete Firma "Triple Option Trading" wird zur Hälfte von drei Angehörigen der politischen Klasse Äquatorial-Guineas gehalten. Kein Wunder also, dass nicht nur der "Observer" mutmaßt, ob du Toit der Maulwurf gewesen sein könnte, der den mutmaßlichen Putschversuch zum platzen brachte. Das englische Blatt will gar wissen, dass du Toit in einem Telefonat seiner Frau in Südafrika mitgeteilt habe, er komme bald nach Hause. Und dies obwohl die Regierungen von Äquatorial-Guinea und Simbabwe angekündigt haben, man werde gegen die Festgenommenen die volle Härte der Gesetze anwenden - bis hin zur Todesstrafe.

Zurecht darf allerdings die Frage gestellt werden, ob es einem paar Dutzend ausländischer Söldner gelingen könnte, einen Staatsstreich vom Zaun zu brechen. Der Innenminister von Simbabwe begegnet dem mit dem Verweis auf die genannten Geheimdienste. Diese hätten versucht, hochrangige Militärs und Polizeibeamte mit der Aussicht auf politische Ämter an die Seite der Putschisten zu bringen. Die entsprechenden Regierungen haben dies inzwischen scharf zurückgewiesen. Dennoch taucht immer wieder die notorische Frage auf, ob die "USA hinter dem Umsturzversuch" stecken.

Mehrere US-amerikanische Ölfirmen machen jedoch bereits jetzt hervorragende Geschäfte mit Äquatorial-Guinea. Und Präsident Obiang wurde vor nicht einmal zwei Jahren von Präsident George W. Bush im Weißen Haus empfangen. Wer immer Präsident Obiang also gestürzt sehen mag - es ist unwahrscheinlich, dass es sich dabei um die US-Regierung handelt. Gegen die Söldnergruppe, die in ihrer großen Mehrheit aus ehemaligen Soldaten des südafrikanischen Buffalo-Battalions der Apartheid-Ära besteht, wird dieser Tage Anklage erhoben. Wie Innenminister Mohadi sagt, lautet der Vorwurf "Destabilisierung eines souveränen Staates".