Pyrrhussieg für Rafael Correa bei Referendum

Eine Volksbefragung in Ecuador sollte die Position des Präsidenten stärken. Doch ein knappes Ergebnis hat den angestrebten Befreiungsschlag vereitelt

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Am heutigen Dienstag soll der Nationale Wahlrat Ecuadors das Ergebnis einer Volksbefragung vom 7. Mai verkünden - und niemand zweifelt am Sieg des linksgerichteten Präsidenten Rafael Correa. Der Ökonom hatte vor gut einer Woche zehn Fragen zu Reformen der Verfassung und von Gesetzen zur Abstimmung gestellt.

Die Bandbreite der Themen reichte von einem Verbot des Stierkampfes über die Sozialgesetzgebung bis hin zu Verfassungsfragen. Der Eindruck liegt deswegen nahe, dass es dem Staatschef nicht nur um die Reformen selbst ging. Auch seine teilweise martialische Rhetorik in der Kampagne vor dem Referendum weist darauf hin, dass die Befragung eher zum Befreiungsschlag gegen Kritiker von rechts und links werden sollte. Doch dafür ist das Ergebnis zu knapp.

Seit dem vorletzten Wochenende gab die Presse des südamerikanischen Landes täglich den neuen Stand der Auszählung bekannt. Bis auf die ersten beiden Stellen hinter dem Komma gaben Behörden und Medien die Ergebnisse zu den jeweiligen Fragen wieder. Ein zäher Prozess, der die Jubelfeiern im Regierungslager schnell verstummen ließ. Am Referendumsabend hatte die Wahlbehörde CNE noch von gut 60 Prozent Vorsprung für die Correa-Regierung gesprochen - und diese Nachwahlprognose dann rasch korrigiert. In dem Maße, wie die Stimmen ausgezählt wurden, korrigierte Correa und dessen Movimiento País den erwarteten Stimmenvorsprung nach unten. War anfangs noch von einem Abstand von einer Million Voten die Rede, spricht der Staatschef zuletzt noch von 400.000.

Dabei wäre ein deutlicher Sieg für Rafael Correa nötig gewesen. Seine "Bürgerrevolution", ein Reformprozess, der ähnlich wie in Bolivien, Venezuela und anderen Staaten der Region mit dem neoliberalen Dogma gebrochen hat, erfährt inzwischen nicht nur von rechts Gegenwind. Auch ehemalige Mitstreiter wie der Ex-Minister und Präsident der verfassunggebenden Versammlung, Alberto Acosta, kritisieren einen vermeintlich autoritären Führungsstil des Ökonomen Correa. Zudem ist ein Teil der einflussreichen Indigenenbewegung auf Distanz zu der Regierung gegangen.

Breites Spektrum von Reformthemen - und kaum Informationen

Die Polarisierung hatte die Kampagne vor dem Referendum deutlich beeinträchtigt. Wochenlang hatten die politischen Opponenten in Ecuador für oder gegen die Reformen Stimmung gemacht. Dennoch wussten die wenigsten der 11,2 Millionen Stimmberechtigten am Abstimmungstag, worum es eigentlich ging.

Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Cedatos bekannten 83 Prozent der Ecuadorianer, dass sie über die Bedeutung der zehn Fragen, schlecht informiert waren. Verwunderlich war das nicht: Die in Ecuador dominierenden privaten Medienkonzerne hatten sich während der Kampagne auf Stimmungsmache gegen die linksgerichtete Regierung unter Präsident Correa beschränkt. Inhaltliche Informationen waren in der Privatpresse kaum zu finden.

Auch die Breite der zur Abstimmung stehenden Themen trug zur Verwirrung der Wähler bei. In fünf Fragen ging es um Änderungen und Ergänzungen der Verfassung. Wesentliches Ziel waren Justizreformen. So soll ein neunköpfiger Rat der Justiz, der nach einer Verfassungsreform vor fünf Jahren eingerichtet worden war, für 18 Monate durch ein kleineres Gremium ersetzt werden, um Reformen in der weitgehend als korrupt angesehenen Justiz beschleunigen zu können. Um das Problem der Straflosigkeit zu lösen, will Correa die maximale Dauer der Untersuchungshaft verlängern. Illegale Bereicherung soll ebenso als Straftatbestand geahndet werden wie die Hinterziehung von Sozialabgaben durch Unternehmer.

Nicht nur Glücksspiele sollen verboten werden, sondern auch Hahnen- und Stierkämpfe. Letzteres löste besonders starke Kontroversen aus. Dass es in der Kampagne vor dem Referendum sonst kaum zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung kam, liegt auch an dem länger währenden Konflikt zwischen privaten Medienkonzernen und der Correa-Regierung. Die Privatpresse, in den Händen der wohlhabenden Elite, läuft Sturm gegen geplante Regulierungsmaßnahmen: Ein neu zu schaffender Medienrat soll die Verbreitung jugendgefährdender Inhalte unterbinden und die Verquickung von Privatkonzernen und Medienunternehmen soll verboten werden.

Knapper Vorsprung bei den kritischen Punkten

So schauen beide Seiten zehn Tage nach der Volksabstimmung gespannt auf die Ergebnisse. Kritisch sind vor allem die Fragen vier und neun - zur Einrichtung der Justizkommission und zur Gründung des Medienrates. Zuletzt lag die Zustimmung zur Einrichtung des neuen und vorübergehenden Justizgremiums bei 44,8 Prozent gegenüber 43,71 Prozent, die diesen Schritt ablehnen. Bangen muss der Initiator der "Bürgerrevolution" auch um das Ergebnis zur neunten Frage zur Einrichtung der staatlichen Medienkommission. Während Correa bei den übrigen Fragen mit einer Zustimmung zwischen drei und zehn Prozentpunkten rechnen kann, erreicht er bei den beiden besonders umkämpften Einzelreformen nach dem letzten Zwischenstand nicht mehr als 2,5 Prozent Vorsprung.

Nach anfänglichen Feiern der Regierungsanhänger ist die Begeisterung über den Sieg nun deutlich gewichen. Zumal der Vorsitzende der Wahlbeobachtungskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Enrique Correa, Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung bestätigte. Grund dafür sei zwar nicht politische Einflussnahme, sondern technische Mängel, beeilte sich der OAS-Mann zu versichern.

Doch Vertreter der Opposition drängen bereits auf eine Neuauszählung zumindest eines Teils der Wahlurnen. Präsident Rafael Correa erhebt indes Vorwürfe gegen seine Widersacher. Sie versuchten, das Ergebnis herauszuzögern, um den Sieg seiner Regierung zu schmälern. "Die Wahlgremien sind nach wie vor in der Hand der alten Parteien", so Correa. Ziel der Kampagne sei es, die These eines Wahlbetrugs zu schüren.