"Radikale Energiewende"
Seite 2: Atomkraftwerke: Keine schnelle Lösung
- "Radikale Energiewende"
- Atomkraftwerke: Keine schnelle Lösung
- Was sonst noch geschah
- Auf einer Seite lesen
Aber zurück zu den vielen energiepolitischen Fragen, die mit der Russlandpolitik verbunden sind. Unter anderem ist – wenig überraschend – mal wieder davon, das Atomkraftwerke einen Beitrag leisten könnten.
Die wenigen in den letzten Jahrzehnten in Westeuropa gebauten Meiler zeigen allerdings, dass das nicht nur außerordentlich teuer, sondern auch äußerst langwierig wäre. Im französischen Flammanville wird seit 2007 im finnischen Olkiluoto gar schon seit 2005 an neuen Atomkraftwerken gebaut, die nun vielleicht demnächst ans Netz gehen könnten.
AKW-Neubau ist also ganz offensichtlich keine kurzfristige Lösung, mal davon abgesehen, dass die heimischen Uranvorkommen längst größtenteils aufgebraucht sind und das Spaltmaterial unter anderem in Niger unter unhaltbaren Bedingung abgebaut wird: Der Reichtum fließt nach Frankreich – abgesichert durch französische und deutsche Truppen in der Region – während der örtlichen Bevölkerung nur Krankheit und Elend bleibt.
Laufzeitverlängerung?
Die Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt haben in den letzten beiden Wochen darüber hinaus geprüft, ob die drei verbliebenen deutschen AKW, die zum Ende des Jahres stillgelegt werden, einen Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung leisten können.
Das am gestrigen Dienstag veröffentlichte Ergebnis: Der Beitrag wäre nur relativ klein, die wirtschaftlichen Kosten dagegen sehr hoch.
Ebenso wäre ein solcher Schritt verfassungsrechtlich bedenklich und zudem mit Sicherheitsrisiken verbunden. Unter anderem waren die Verpflichtung zur Überprüfung und Nachrüstung auf die baldige Stilllegung ausgerichtet, das heißt, die entsprechenden Anforderungen waren abgesenkt worden.
Zurzeit laufen noch die Atomkraftwerke Ohu 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Zusammen haben sie eine elektrische Nettoleistung von vier Gigawatt, womit sie im Jahr etwa 24 bis 28 Milliarden Kilowattstunden (Terawattstunden) erzeugen können. Das entspricht rund fünf Prozent des deutschen Bedarfs, oder etwa einem Zehntel des derzeitigen Anteils von Sonne, Wind & Co.
Mehr LNG-Terminals
Und wie sieht es mit dem Ersatz des russischen Erdgas durch Frackinggas aus den USA aus? Zunächst ist festzuhalten, dass es in der EU bereits zahlreiche Terminals für das Anlanden von Flüssiggas gibt, wie diese Karte zeigt.
Über das grenzüberschreitende Pipeline-Netz stehen diese im Prinzip auch für Deutschland zur Verfügung. Hiesige Gashändler könnten sich also schon jetzt im gewissen Umfang, wie von der Leopoldina gefordert, verstärkt mit Gas aus Übersee eindecken.
Allerdings sind die Kapazitäten der Terminals begrenzt. Während Deutschland einen jährlichen Bedarf von etwas über 80 Milliarden Kubikmeter Erdgas hat, können im polnischen LNG-Terminal nur fünf, in den Niederlanden nur 12 und in Belgien nur neun Milliarden Kubikmeter angelandet werden. Allzu viel Raum für die Weiterleitung nach Deutschland gibt es bisher nicht.
Daher macht die Bundesregierung nun verstärkten Druck für den Bau deutscher LNG-Terminals an der Nordseeküste. Bundeskanzler Scholz brachte bereits am 27.Februar erneut den Standort Wilhelmshaven ins Gespräch, ein Projekt, dem vor einiger Zeit die Investoren abhanden gekommen waren.
Auch das Terminal in Brunsbüttel soll vorangetrieben werden. Wir hatten zuvor mehrfach berichtet, dass man die dort geplante Nachbarschaft zu einem Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle, einem Chemiekomplex und einer Sondermüllverbrennung nicht für die beste aller Ideen hält.
Außerdem ist fraglich, ob sich die Anlagen je rentieren werden. Würde die Bundesregierung es tatsächlich mit dem Klimaschutz ernst meinen, müssten sie schon spätestens Mitte des nächsten Jahrzehnts stillgelegt werden.
Es sei denn, sie könnten tatsächlich für den Import von klimaneutral erzeugtem Wasserstoff genutzt werden. Doch das ist bisher nicht mehr als ein Versprechen. Entsprechende Anlagen gibt es bisher nicht. Wegen dieser Unwägbarkeiten sind in den letzten Monaten verschiedene Interessenten abgesprungen, so dass der Terminalbau oder zumindest seine Finanzierung voraussichtlich in staatlicher Hand liegen wird.
Allein für die Anschlüsse ans Pipelinenetz und dessen für das LNG notwendigen Ausbau schätzt die Deutsche Umwelthilfe auf 800 Millionen Euro. Diese Investitionen würden über den Gaspreis refinanziert. In Brunsbüttel ist bisher eine Beteiligung des Bundes an 50 Prozent der Terminal-Kosten vorgesehen. 500 Millionen Euro sollen dafür aus dem Staatssäckel fließen.