Radiomänner, Re-Regulierung und Mobilfunkblasen
Privatradios suchen auf dem Medienforum der Medienwoche Berlin-Brandenburg die Zukunft
Wenn sich fast ausschließlich Medienmänner vorwiegend aus der Privatwirtschaft zur jährlichen Medienwoche in Berlin und Potsdam–Babelsberg treffen, steht eines bereits im Voraus fest: Es muss sich etwas ändern.
Sind es dann auch noch Radiomänner, die sich zum Radiotag während des Medienforums in Berlin versammeln, muss sich gleich ganz viel ändern. Denn das Radio steckt bekanntlich in der Krise. Das private Radio als Wirtschaftsunternehmen erst recht. Die Werbeerlöse und damit die Renditen der Gesellschafter privater Rundfunkveranstalter lassen zu wünschen übrig, denn seit dem Platzen der Dotcom-Blasen gingen die Werbeeinnahmen rapide zurück.
Zwar hätten sich die Privatradios z.B. im Berlin-Brandenburger Radiomarkt nach einem dramatischen Einbruch der Werbeumsätze infolge der Werbekrise 2001/2002 bereits wieder wirtschaftlich konsoloidiert, stellte Johannes Kors, stellvertretender Geschäftsführer der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien in einer Studie fest, die die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) in Auftrag gegeben hat. Ein echtes Wachstum gäbe es aber noch nicht. Der Aufschwung sei auch erst dann gesichert, wenn, ja wenn es keinen weiteren wirtschaftlichen Einbruch, wenn, ja wenn es keine neuen Terroranschläge gibt.
Wird der ARD die Werbung verboten?
Angesichts dieser Unwägbarkeiten versuchen etliche Programmveranstalter andere Finanzierungswege auszuloten und sehen dafür einige Optionen. So spukt durch die Geschäftsführungen der Sender immer noch die Idee, den öffentlich-rechtlichen, und damit gebührenfinanzierten, Radiosendern der ARD einfach das Werben zu verbieten, ähnlich der Forderung von Haim Saban (ProSiebenSat.1) für das Fernsehen. Ganz klar, die kleinen Stückchen aus dem Werbekuchen würden zu gewaltigen Portionen anwachsen. Zu fragen ist jedoch, ob die werbefreien Sender nicht für die Hörenden so interessant wären, dass deren Hörerzahlen extrem in die Höhe schnellen. In Folge würden Werbekunden ihren Werbe-Etat lieber anderswo verbraten als im Radio.
Eine andere Idee zur Erhöhung der Werbeeinnahmen ist die - endlich auch offizielle - Errichtung von bundesweiten Privatradios, nachzulesen im "Weissbuch Hörfunk" von Helmut G. Bauer. Dem steht jedoch die eigenständige Medien-Gesetzgebung der Bundesländer entgegen, so dass bisher nur Senderketten wie die der NRJ-Gruppe oder von RTL existieren. Wenn aber die Mediengesetze geändert und die verschiedenen, für die Lizenzierung von Privatradios zuständigen Medienanstalten der Bundesländer gemeinsam Frequenzketten ausschreiben würden, könnte dies anders werden. Dieser Auffassung ist zumindest Dr. Christoph Wagner, Rechtsanwalt aus Berlin und Mitglied der Kommission zur Ermittlung der Medienkonzentration (KEK), der dafür das Stichwort der Re-Regulierung ausgab. Womit er meint, dass die bisherige Regulierung der Zulassung von Privatradios, der Frequenzverteilung und der Begrenzung von Gesellschafteranteilen neu geregelt, und am besten so gut wie gar nicht reglementiert sein sollte.
Kors brachte dabei eine Regulierungvariante in Spiel, die sich nicht an den Gesellschafteranteilen, sondern den Hörerzahlen orientiert. Diesen Vorschlag hatte er allerdings bereits auf dem Medienforum 2002 "Medienlandschaft im Umbruch" gemacht, um so ein Instrument zur Verhinderung von den Radiomarkt beherrschenden Sendern einsetzen zu können. Beliebt gemacht hat er sich auch diesmal mit dieser Idee wenig.
Werden die UKW-Frequenzen zukünftig versteigert?
Die Medienanstalten sollten sich auch nicht so sehr in die Radioformate einmischen, sondern es den Veranstaltern selber überlassen was diese senden, so KEK-Mitglied Wagner. Bisher ist eine Lizenzerteilung an inhaltliche, programmliche Vorgaben gekoppelt. Er schlug auch vor UKW-Frequenzen nicht in einem Vergabeverfahren auszuschreiben, sondern diese ähnlich der UMTS-Versteigerung im August 2000 an die meist Bietenden zu vergeben, so wie es auch gerade in den Niederlanden mit eher zweifelhaftem Erfolg geschah. Etliche der anwesenden Radioveranstalter lehnten diese Idee jedoch ab, wohl zu Recht befürchtend, dass sie nach der Ersteigerung der Lizenzen kein Geld mehr zum Senden haben.
Prinzipiell stießen die Re-Regulierungsideen aber auf breite Zustimmung. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass vorwiegend Vertreter der sogenannten AC-Formate und deren Werbezeiten-Vermarkter sich an den Diskussionen beteiligten, während Szenarien für Sparten-, Nischen- oder Jugendprogramme nicht thematisiert wurden. AC steht dabei für Adult Contemporary und meint Mainstream-Rock- und Popradios für Erwachsene zwischen 25 und 49 Jahren.
Neben der Regulierung - die nirgends so stark wie in Deutschland und dabei noch restriktiver als die für private TV-Veranstalter sei - und der ARD wurde noch ein weiteres Übel für die als unzufrieden eingestuften Renditeerwirtschaftung ausgemacht: die Begrenztheit des Wirtschaftsgutes UKW-Frequenzen.
Immer noch Sorgenkind: Digital Radio
Zwar ist in bisher nur in den Ballungsräumen das bestehende analoge UKW-Frequenzband ausgelastet. Eine Möglichkeit mehr Radiofrequenzen zu vergeben, wäre dennoch die Digitalisierung der Radioverbreitung. Ähnlich der bereits in einigen Bundesländern begonnenen Umstellung der terrestrischen TV-Ausstrahlung auf Digital Video Broadcasting Terrestrial (DVB-T könnten so mehrere Programme in einem Digitalpaket ausgestrahlt werden.
James Bethell (Capital Radio Group) dozierte - vor einigen anwesenden Verantwortlichen für die bislang misslungene DAB-Einführung in Deutschland - die erfolgreiche Digitalisierung des Radios im Vereinigten Königreich. Kaum jemand, egal ob aus deutscher Medienpolitik oder Medienwirtschaft, glaubt dagegen noch an eine kurzfristige Realisierung des einstigen Prestigeprojekts Digitalradio.
In diese Bresche sprang daher Prof. Dr. Ulrich Reimers vom Institut für Nachrichtentechnik der TU Braunschweig und stellte das Modell einer hybriden Struktur für mobile Medien vor, die in naher Zukunft in Anwendungen für breitbandige Radio-, Fernseh- und Mediendienste münden soll. Dabei handelt es sich um so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau, denn Mobile Media wird - nach Reimers - bestehen aus DVB-T Sendern, die mittels bestehender GMS und GPRS-Netze zu DVB-H(andheld) erweitert werden.
Handy-Radio über UTMS und WLAN?
Außerdem sollen Wi-Fi-Netze (Wireless Fidelity, W-LAN) und auch das noch zu errichtende UMTS integriert weren, so dass daraus Netze für mobile Datenüberragung aus Punkt-zu-Punkt und Punkt-zu-Multipunkt – Verbindungen entstehen. Dieses IP Datacast genannte System aus fast allem, was für den zivilen Bereich digitaler Verbreitung momentan bzw. mittelfristig zur Verfügung steht, soll es dann ermöglichen, punktgenaue, auf den Nutzer abgestimmt Inhalte zu generieren.
Wirtschaftlich tragfähig könnten nach Auffassung von Prof. Dr. Klaus Goldhammer (Goldmedia) diese mobilen Netze der 4. Generation (4G-Hybrid, als 2. Generation wird GSM, als Generation 2,5 GPRS und als 3. Generation UMTS bezeichnet) am ehesten durch Abo-Modelle werden. Der Nutzer zahlt eine monatliche Gebühr und erhält dafür einen bestimmten Content. Welche Inhalte dies sein werden, ist aber noch vollkommen unklar, denn Fernsehen auf einem kleinen Display macht nicht viel Sinn. Werbeformate dagegen müssten auch neu definiert werden, denn Werbeblöcke von mehreren Minuten wird sich kaum jemand in der U-Bahn oder an der Bushaltestelle freiwillig anschauen.
Deshalb, so ist zu vermuten, sind solche breitbandigen Netze in Verbindung mit handy-ähnlichen Endgeräten oberhalb einer Empfangsdatenrate von 70 Mbit/s für den Massenmarkt eher für Anbieter von Mehrwertdiensten interessant. Den größten Mehrwert werden dabei die Anbieter solcher Dienste erwirtschaften, die bereits heute Millionen-Umsätze mit Klingeltönen machen. Denn angesichts einer prophezeiten geringen Nutzungsdauer durch den User bei mobilen Medien - vergleichbar dem Zapping beim Fernsehen - muss mit schnellen und kurzen Anreizen Geldfluss realisiert werden.
Kommt bald das "9 live" des Radios?
Doch nicht nur langfristig-, sondern bereits kurzfristig möchten Telekommunikations-Unternehmen wie Legion durch den verstärkten Einsatz von Mehrwertdiensten im Radio (Ruf jetzt an und sichere dir dein Anrecht auf 10.000 Euro Cash, jetzt sofort für nur 49 Cent pro Anruf) die fast vollständige Finanzierung des Privatradios durch Werbung abbauen. Der Vortrag von Jan Kemper (Legion Radio) bestand dabei im wesentlichen aus Powerpoint-Umsatz-Grafiken, die zwar nicht zwingend an Scharlatanerie, aber doch irgendwie an vergangene Internetblasen erinnerten.
Privatradioveranstalter wie 94.3 rs2 oder NRJ möchten auch in Zukunft lieber auf die klassische Werbung setzen. Und auch Stephan Schwenk, Geschäftsführer von Radio Hamburg setzt zunächst einfach auf das klassische UKW-Radio und empfahl eher Zurückhaltung als zu große Erwartungen an technische Entwicklungen. Auch deshalb, weil er die meisten Radiohörer für zu faul hält. Der Hörer möchte morgens das Radio einfach anstellen und am Abend wieder aus. Aus die Maus.