Radoslaw Sikorski - Polens Scharfsprecher auf dem Abstellgleis

Hat Putin im Februar 2008 dem damaligen polnischen Premier Tusk in einem Vier-Augen-Gespräch in Moskau wirklich die Teilung der Ukraine zwischen Polen und Russland vorgeschlagen?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Einen solchen Teilungsvorschlag soll Putin gemacht haben - so wurde Radoslaw Sikorski, bis September Außenminister Polens, in dem konservativen US-Magazin "Politico" zitiert (die Passage ist nun herausgenommen). Der Artikel löste ein internationales Echo aus. Doch darauf folgte ein merkwürdiger etappenweiser Rückzug (Angebliche Konfrontation Nato und Russland).

Radek Sikorski, damals noch Außenminister, mit John Kerry 2013. Bild: state.gov

Auf der ersten Pressekonferenz am Dienstag verweigerte Sikorski, aktuell Parlamentspräsident, fast allen Fragen eine Antwort, auf der zweiten entschuldigte er sich, er sei falsch zitiert worden, er habe sich vergaloppiert, er habe aber entsprechende Berichte über eine solche Anspielung gehört, aber Genaueres könne er nicht sagen, die Erinnerung habe versagt. Zudem hat das Gespräch unter vier Augen gar nicht stattgefunden.

Sikorski äußerte sich bislang einzig ausführlicher gegenüber der auflagenstarken "Gazeta Wyborcza" am Mittwoch. Er sei nicht anwesend gewesen, doch die Unterhaltung zwischen Tusk und Putin habe im Kreml stattgefunden - noch vor Russlands Intervention in Georgien. Er habe sie darum als "surreal" empfunden. Erst nach der Annexion der Krim durch Russland habe er verstanden, dass Putin es erst gemeint habe.

Sikorskis politische Ausrichtung ist hinreichend bekannt. "Antikommunistische Zone" steht vor dem Gutshaus in Bromberg (Bydgoszcz) des konservativen Politikers. Bereits als Jugendlicher buddelte er vergrabene Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg in den polnischen Wäldern für den Fall aus, dass die Rote Armee 1981 den Siegeszug der Solidarnosc mittels Einmarsch beenden wollte.

In rechten amerikanischen Thinktanks war er unterwegs, seinem Land diente er mehrfach im Verteidigungsministerium und sieben Jahre als Außenminister. Im Laufe seiner Amtszeit als Außenminister wandelte er sich, zumindest äußerlich, vom strikten Atlantiker zum Europa-Politiker, was er bei einem geheim abgehörten Gespräch mit dem damaligen Wirtschaftsminister Jacek Rostowski Ausdruck brachte: "Wertlos" seien die polnisch-amerikanischen Beziehungen, sie führten nur zu Streitereien mit Russland und Deutschland (Polen: Ober nahm Politiker auf).

Doch auf der europäischen Ebene versuchte er seine Gesprächspartner stets zu überzeugen, mit schärferen Sanktionen gegen Russland zu agieren, da man gegenüber Moskau keine Schwächen zeigen dürfe. Auch in seinem letzten Interview mit der Gazeta Wyborcza, plädierte Sikorski weiterhin für eine verständlichere Sprache Polens und der EU, wenn Russland mit Krieg oder Sanktionen droht. Doch das Mitspracherecht wird ihm nun wohl versagt.

Die resolute Ewa Kopacz wollte Sikorski schon diese Woche absetzen, wurde davon jedoch von Parteichef Donald Tusk daran gehindert. Bereits im September hatte sie ihn durch Gregorz Schetyna ersetzt, der kaum über außenpolitische Erfahrung und Fremdsprachenkenntnisse verfügt.

Donald Tusk meinte nach langem Warten gegenüber einem Radiosender, dass eine solche Äußerung Putins nicht stattgefunden habe: "Ich halte die Angelenheit für abgeschlossen." Das Durcheinander, dass Sikorski angerichtet hat, sollte ihm eine Warnung sein.

Die rechte Opposition freut diese Vorlage. Die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) unter Jaroslaw Kaczynski sieht ihre Chancen wachsen, die Regierungspartei "Bürgerplattform" im kommenden Jahr abzulösen.

Sikorski ist wohl auch zu viel zurück gerudert. Denn der Journalist der Wirtschaftszeitung "Puls Biznesu", Jacek Zalewski, war angeblich zu dieser Zeit in Moskau bei der Begegnung anwesend; Tusk habe sich mit Putin unter vier Augen getroffen, dies sei bei solchen Treffen auch üblich. Warum Sikorski dies nun abstreitet kann, kann er sich nicht erklären.

Unklar ist auch, warum Sikorski auf einmal mit der Behauptung der "ukrainischen Teilung" international vorstellig wird. Rafal Kalukin von der polnischen Newsweek interpretiert die Aussage in "Politico" als Appell an den Westen, die "rosa Brille" abzusetzen und wahrzunehmen, dass sich "Russland seit vielen Jahren der Rhetorik der Gewalt bedient und nicht mal seine Absichten verschleiert".

Polen habe bislang Russland realistischer beurteilt als der Westen. Doch hätten Tusk und Sikorski den (angeblichen) Vorschlag vom Februar 2008 veröffentlicht, hätten sie bei der westlichen Welt eine ähnliche Glaubwürdigkeit wie die Kaczynski-Brüder gehabt, nämlich gar keine. Diesen Text hat Sikorski selbstverständlich auf Twitter verlinkt.

Am Donnerstagabend hat sich Aleksandr Lukaschewitsch, der Sprecher des russischen Außenministeriums, geäußert: "Bevor man sich zu solch delikaten Themen äußert, sollte man zuerst alle Fakten prüfen, bevor man sich mit Journalisten trifft."