Rätselraten um Strategie des "Islamischen Staats"

Weiterhin werden vom IS wie hier Mosul Hinrichtungen ästhetisch inszeniert und die "Bösen" wie in Guantanamo von den Amerikanern in orangener Kleidung vorgeführt.

Die für den IS symbolische Stadt Dabiq wurde praktisch kampflos geräumt, in Mosul steht der "Endkampf" bevor - oder dürfen die IS-Kämpfer nach Syrien fliehen?

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Die mit der Türkei verbundenen Rebellen, die als "Freie Syrische Armee" dargestellt werden, sollen Dabiq eingenommen haben. Der Islamische Staat hatte nicht nur sein für den Westen ausgerichtetes Magazin Dabiq genannt, sondern auch prophezeit, dass hier eine Endschlacht zwischen Christen und Musimen stattfinden werde. Natürlich sollten die "guten" Islamisten, Allahs Avantgarde, über die bösen Kreuzfahrer siegen. Vergangene Woche wurde aber die Bedeutung von Dabiq schon mal herabgespielt und erklärt, die Endschlacht würde später kommen, angekündigt durch größere Ereignisse und apokalyptische Omen.

Wieder einmal soll der Islamische Staat der Eroberung wenig oder keinen Widerstand entgegengesetzt haben. In einem Tag wurde die Stadt eingenommen. Von Verlusten ist kaum die Rede, nach Angaben der türkischen Armee sollen 9 IS-Kämpfer getötet und 28 verletzt worden sein. Das war auch schon bei der syrischen Grenzstadt Dscharablus so, die türkische Soldaten zusammen mit den angeblichen FSA-Kämpfern eingenommen haben.

Der Verdacht besteht, dass es zu Absprachen gekommen ist. Die Frage ist, was der IS für den Abzug der Kämpfer erhält, sofern es tatsächlich eine Vereinbarung gegeben haben sollte. Dass die Stadt nicht lange gehalten werden kann, dürfte allerdings auch den IS-Strategen klar gewesen sein, nachdem sich die Türkei, die den IS lange an der türkisch-syrischen Grenze zumindest geduldet hat, entschlossen hat, direkt militärisch in Syrien zu intervenieren ( im Übrigen auch im Irak, wo türkische Soldaten auch gegen den Willen von Bagdad und den schiitischen Milizen am Kampf um Mosul teilnehmen wollen).

Dabiq befreit, meldet die Propaganda-Abteilung der türkischen Operation Euphrates Shield.

Offenbar haben die IS-Kämpfer nur wieder die Taktik der verbrannten Erde angewandt und das Städtchen vermint übergeben, das gegen Bodentruppen, die mit Artillerie und Panzern und mit Unterstützung aus der Luft vorrückten, zu verteidigen sich jedenfalls trotz der symbolischen Bedeutung nicht lohnte. Das könnte heißen, dass dem IS allmählich angesichts seiner schwindenden territorialen Kontrolle, einer schrumpfenden Schar an Kämpfern und womöglich schwieriger Versorgung mit neuen Kämpfern und Waffen die Luft ausgeht. Möglicherweise werden die Kämpfe und die schweren Waffen auf die Kernzonen des "Kalifats", also Raqqa und Mosul, zusammengezogen, es könnte aber auch sein, dass der IS bereits für die Zeit nach dem "Kalifat" einrichtet. Sollte es Absprachen gegeben haben, man munkelt, es würde auch Verhandlungen zwischen Saudi-Arabien und dem IS in Mosul über einen Abzug laufen (Wer arbeitet mit den islamistischen Terroristen in Syrien und im Irak zusammen?), wäre auch denkbar, dass der IS versucht, im Irak und vor allem in Syrien andere bewaffnete Gruppen zu infiltrieren und vermehrt auf Terroranschläge überzugehen, während in anderen Ländern die territorialen Ansprüche weiter verfolgt werden.

Offensive auf Mosul steht angeblich bevor

Kriegsgetöse gibt es auch im Irak, wo die Offensive auf die Großstadt Mosul unmittelbar bevorstehen soll. Nach Berichten werden die IS-Kämpfer in der Stadt nervös und greifen öfter zu Exekutionen, um die Bewohner fügsam zu halten. So wurden 13 Menschen hingerichtet, die im Widerstand gegen den IS waren, 10 Männer, weil sie angeblich Spione waren, und 3 Männer, weil sie Anti-IS-Graffitis auf Wände gemalt hatten. Es ist von mehr als 50 Menschen die Rede, die ertränkt worden seien, weil sie sich mit den Angreifern verschworen und Waffenlager angelegt hätten. Der IS hat bereits einige mit Öl gefüllte Gräben angezündet, um die Sicht für Angreifer zu erschweren. Angeblich werden Mauern errichtet, Brücken gesperrt, Tunnels gegraben und großflächig Straßen vermint und Häuser mit Sprengfallen überzogen. Allerdings sollen sich in der Großstadt nur ein paar tausend Kämpfer aufhalten, ein wahrhaft asymmetrischer Krieg, der die Schwierigkeiten konventioneller Kriegsführung demonstriert.

Das scheint deutlich zu machen, dass im Fall der Großstadt zumindest die Verteidigungsbemühungen hochgefahren werden. Hier wurde schließlich auch das "Kalifat" ausgerufen. Fällt Mosul, dann hat der IS, entstanden aus al-Qaida im Irak unter dem Führer al-Sarkawi, im Irak seinen Stützpunkt verloren. Allerdings könnte der IS darauf setzen, dass die Konflikte unter seinen Gegnern ihm letztlich ebenso nützen dürften wie repressives Vorgehen gegen Bewohner, die verdächtigt werden, Anhänger des IS zu sein. Wie kurdische und schiitische Milizen mit den irakischen Streitkräften und türkischen Soldaten sowie den amerikanischen und französischen Einheiten kooperieren werden, ist eine offene Frage. Von der groß vom Pentagon angekündigten Cyberoffensive ist zumindest öffentlich nichts zu erfahren.

Alles bestens in Mosul will der IS suggerieren.

Völlig unklar ist auch, wie viele Menschen noch in Mosul leben, die zwischen die Fronten geraten. Von mehr als einer Million ist die Rede. Erwartet wird eine große Fluchtwelle, die kaum zu bewältigen sein und die Angreifer erwartbarer Kritik aussetzen wird. Die irakische Regierung hat die Menschen aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. Das aber würde die Bombardierung der Stadt und deren Säuberung von IS-Kämpfern deutlich erschweren.

Der irakische Brigadegeneral Haider Obaidi erklärte, was die Schwierigkeiten belegt, dass der Luftraum von der von den USA geführten Koalition beansprucht wird, über den Gebieten, in denen sich schiitische Milizen aufhalten, aber nicht. Er verriet aber auch, dass die westliche Seite von Mosul offen bleiben soll: "Wir versuchen, ihnen eine Fluchtmöglichkeit zu eröffnen, um nach Syrien zu gelangen." Das wollte allerdings Brigadegeneral Yahya Rasoul so nicht stehen lassen. Selbst wenn sie dort flüchten sollten, würden sie dort getötet werden.