Regenwald: Sorge um Umwelt oder Ökoimperialismus?
Es ist immer erstaunlich, wenn sich Staatchefs der Länder, die seit Jahrhunderten Natur und Klima verändern, plötzlich als Retter des Ökosystems ausgeben
Es ist schon einige Jahre her, als in linken Debatten der Begriff des "Ökoimperialismus" bekannt wurde. Damals schon wurde ein Szenario entwickelt, wonach die Regierungen des globalen Nordens den Ländern des globalen Südens erklären werden, dass der dortige Regenwald nicht ihnen, sondern der Weltgemeinschaft gehört. Damit konnte dann gut begründet werden, warum man ungeniert in die Belange dieser Staaten eingreifen kann.
Als letztes Mittel stünden dann bewaffnete Grünhelme zur Verfügung, die "unseren Regenwald", bzw. "unsere grünen Lungen", notfalls auch militärisch gegen die Regierungen des globalen Südens verteidigt. Wer in den letzten Tagen die Debatte über die brennenden Regenwälder in Brasilien verfolgt hat, könnte denken, dass die Kritiker des Ökoimperialismus schon sehr klar die aktuellen Debatten antizipiert hatten.
So heißt es im Grundsatzprogramm der Ökologischen Linken: "Wir lehnen jegliche Form von ökoimperialistischen Eingriffen ab, auch wenn sie mit noch so viel wohlmeinender Sorge um dem Schutz der Natur gerechtfertigt werden sollen. Vor allem Westeuropäer und US-Amerikaner verletzen zum angeblichen Schutz des tropischen Regenwaldes die Selbstbestimmungsrechte der dort lebenden Menschen."
Natürlich ist damit nicht die Verteidigung der Bolsonaro-Regierung und der hinter ihm stehenden Interessenverbände vor Kritik aus dem Ausland gemeint. Aber in der Erklärung drückt sich das berechtigte Misstrauen aus, wenn plötzlich die Sorge um die Umwelt in einem Land geäußert wird, wo man gerne mehr Zugriffsmöglichkeiten bekommen will.
Falsche Fotos - alarmistische Überschriften
Wenn sich der extrem rechte brasilianische Präsident nun mit dem Vorwurf des Ökoimperialismus Einmischung von außen verbittet, agiert er natürlich als Interessenvertreter der Agrarlobby. Allerdings sollte man auch kritisch beobachten, wie mit den Bränden im brasilianischen Regenwald pünktlich zum G7-Gipfel in Südfrankreich Politik gemacht wurde.
Es wurde mit plakativen Überschriften und teilweise falsch zugeordneten Fotos eine alarmistische Stimmung erzeugt, die suggerieren sollte, dass an den Bränden die Zukunft der Menschheit hängt. Mittlerweile ist nachgewiesen, dass zumindest einige der Fotos von brennenden Wäldern, die zu den Berichten gestellt wurden, gar nicht aus Brasilien stammen, sondern mehrere Jahre alt sind und in anderen Teilen der Welt aufgenommen wurden.
Zudem haben die brennenden Regenwälder in Indonesien längst nicht so viel Aufmerksamkeit erregt wie die in Brasilien. Schädigen die das Weltklima weniger oder liegt es an der unterschiedlichen politischen Lage? Schließlich hat ja Brasilien als Regionalmacht in Lateinamerika durchaus das Zeug, den anderen kapitalistischen Zentren Konkurrenz zu machen. Und so muss man immer auch fragen, ob die Inszenierungen rund um den Biarritz-Gipfel nicht auch ein Ausdruck der innerkapitalistischen Konkurrenz war.
Freihandelsabkommen: Problem und keine Lösung
Dabei streiten sich unterschiedliche Kapitalfraktionen auch in der EU über das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. Es muss von allen EU-Staaten ratifiziert werden und nun gibt es einige, die es zumindest auf Eis legen oder ganz kippen wollen und die Brände als Grund nehmen. Dabei ist der Streit über das Freihandelsabkommen aber älter und hatte ursprünglich nichts mit Bolsonaro und den Waldbränden zu tun.
Zu den Befürwortern des Abkommens galt von Anfang an die deutsche Industrie und auch die Bundesregierung. Das hat sich bis heute nicht geändert. Bei aller Kritik an der Regierung will man dort nicht auf den großen Markt verzichten, den das Abkommen schaffen soll. Zudem wurde es immer als Alternative zum Protektionismus der Trump-Regierung angepriesen.
Nun wird zusätzlich das Argument angebracht, dass das Abkommen Instrumente liefert, um den Regenwald zu schützen. Doch es gab schon lange vor den Waldbränden Kritiker des Freihandelsabkommens. Es ist kein Gegenmittel gegen die von der brasilianischen Agrarlobby unterstützten Vernichtung des Regenwaldes, sondern ist selbst ein Motor des Raubbaus an der Natur.
Den EU-Industriekonzernen sind geringere Zölle garantiert, mit der Konsequenz, dass die Kleinproduzenten in Südamerika in den Ruin getrieben werden. Dafür dürfen die Großgrundbesitzer mehr billiges Fleisch nach Europa exportieren. Dazu bedarf es der Ausweitung der Flächen für Rinderzucht und Soja-Futtermittelproduktion. Sie werden auch mittels Brandrodung geschaffen.
Der Deutsche Bauernverband sieht sich durch diese Importe benachteiligt und benutzt jetzt auch das Menschenrechtsargument, um das Abkommen zu verhindern. Auch Marianne Grimmenstein, die sich seit Jahren gegen das Freihandelsabkommen engagiert und auch Klage dagegen eingereicht hatte, fordert in einer Petitionden Stopp des Abkommens und stellt sich hinter den französischen Präsidenten Macron, ob der das Abkommen ausdrücklich im Moment verhindern will.
Allerdings wird hier auch das Problem deutlich, dass Lobbyverbände wie der Bauernverband und auch Globalisierungskritiker zur Stärkung der eigenen Position Argumente von Politikern heranziehen, die eigene Interessen, aber keine Lösung für das Problem - hier die brennenden Wälder - haben. Eine Kritik an dem Abkommen müsste doch gerade aufzeigen, dass es eben keine Alternative zum Kurs von Bolsonaro ist, sondern im Gegenteil die Agrarlobby stärkt.
Statt sich in diesen innerkapitalistischen Konflikten auf einer Seite zu positionieren, wäre es sinnvoller, darauf hinzuweisen, dass der Kapitalismus das Klima killt, wie es Thomas Konicz in der Wochenzeitung kontext prägnant zusammenfasst und stringent begründet hat. Dabei sind Bolsonaro und die hinter ihm stehende Agrarlobby genauso wie die EU und die Befürworter des Freihandelsabkommens Teil des Problems und nicht der Lösung.