Regierung in Navarra als Vorbild für Regierung in Spanien

María Chivite. Bild: eldiario.es/ CC BY-SA 3.0 ES

Mit Unterstützung der linken baskischen EH Bildu wird die Sozialdemokratin Chivite zur Regierungschefin gewählt

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In Regionalparlamenten wie in Navarra wird vorgemacht, wie der Sozialdemokrat Pedro Sánchez in Spanien die vierten Neuwahlen in nur vier Jahren verhindern könnte. Schon am Mittwoch wurde in Aragon der Sozialdemokrat Javier Lambán zum Regierungschef gewählt, der einer breiten Koalitionsregierung mit Podemos und zwei Regionalparteien vorstehen wird, die jeweils ein Ministerium erhalten.

In Navarra wird die Sozialdemokratin María Chivite am Freitag zur neuen Regierungschefin gewählt. Hier finden wir eine sehr ähnliche Situation wie im spanischen Parlament. Auch Chivite braucht die Duldung durch Enthaltung der linken baskischen Unabhängigkeitspartei EH Bildu (Baskenland Vereinen).

Chivite wird gewählt, da sie nun keine absolute Mehrheit mehr benötigt, die sie am Donnerstag knapp verfehlt hat. Ihr reicht nun eine relative Mehrheit und die hat sie sicher. Die Basis von EH Bildu hatte mit einer Mehrheit von 75% - bei einer Beteiligung von 73% aller Mitglieder - entschieden, Chivite durch eine Enthaltung auch an die Macht zu bringen, obwohl sie sich geweigert hatte, mit der Linkspartei zu verhandeln. Deshalb will Bildu aber im zweiten Wahlgang nur die minimale Zahl von 5 Enthaltungen liefern.

Auch Chivite wird einer breiten Koalitionsregierung vorstehen und über Gesetzesvorhaben oder den Haushalt in Zukunft auch mit Bildu sprechen müssen, wie es Ramón Alzórriz einräumt. Der Sprecher der Formation in Navarra erklärte: "Wir werden mit EH Bildu verhandeln müssen."

Ministerien bekommt neben der Linkspartei Podemos vor allem Geroa Bai (Ja zur Zukunft), hinter der die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) steht, die mit gut 17% drittstärkste Kraft ist. Von der PNV hängt Sánchez in Madrid auch ab. EH Bildu, die mit 15% der Stimmen drei Mal so viele wie Podemos erhielt, wird kein Teil der Regierung. Sie trägt Chivite nur, um zu verhindern, dass die spanische Rechte regieren kann.

Der Blick auf die Rechten

In Navarra hat die spanische Rechte schon vorgemacht, was bei spanischen Neuwahlen kommen könnte, sollte Sánchez bis September keine Regierung bilden können und wenn er Neuwahlen für November ansetzen muss.

Er ist mit seiner Investitur letzte Woche wegen fehlender Koalitions- und Dialogbereitschaft gescheitert. In Navarra trat die rechte Regionalpartei UPN gemeinsam mit der Volkspartei (PP) und Ciudadanos (Cs) an, um die Stimmen nicht aufzuspalten, was das spanische Wahlgesetz sanktioniert. "Navarra Suma" (N+) wurde deshalb mit 36% stärkste Kraft.

Besonders stört Sánchez, der keine Podemos-Mitglieder in seiner Regierung sehen will, dass er erneut auf Stimmen linker Unabhängigkeitsparteien angewiesen wäre. Um das zu umgehen, hatte er mit ihnen nicht über den Haushalt verhandelt. Der fiel durch, weshalb er die unsinnigen und gefährlichen Neuwahlen für April Neuwahlen ansetzen musste.

EH Bildu und die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) hatten ihm vergangene Woche mit ihrer Enthaltung gezeigt, dass sie ihn stützen würden. Sie wollen verhindern, dass die Rechte mit Hilfe der ultrarechten Vox im ganzen Land regieren kann, wie sie es schon in Andalusien und Murcia tut, wie der Parlamentarier Jon Inarritu gegenüber Telepolis erklärte..

Mit der Regierungsbildung in Navarra wurde Sánchez Plan zerstört, der zuletzt darauf gesetzt hatte, über die Enthaltung von PP und Cs an die Macht zu kommen. Deshalb schlug Chivite aus Madrid, von der Parteizentrale, erheblicher Widerstand auf ihrem Weg an die Regierung entgegen. Die spanische Rechte lehnt Enthaltungen für Sánchez nun definitiv ab, da dessen Partei in Navarra mit "Separatisten" kooperiere. Die Cs verweigern deshalb sogar ein Treffen mit Sánchez. Eigentlich war sein Plan stets, eine Koalition mit den Cs zu bilden, mit denen er sogar eine Mehrheit hätte.

Problem Koalitionsregierung

Sánchez macht nun Druck und bietet Podemos ein programmatisches Abkommen an. Eine Regierungsbeteiligung wie in Aragon oder Navarra lehnt er entschieden ab. Der verweist auf das erfolgreiche Modell in Portugal.

Der Unterschied ist aber, dass dort weder der Linksblock noch die Kommunisten in die Regierung der Sozialisten eintreten wollten. Obwohl es dort bisweilen zwischen den Partnern knirscht, hat die Regierung problemlos vier Jahre gehalten. Regierungschef Costa hat sich weitgehend an das Abkommen gehalten und auch die Austeritätspolitik beendet.

Sánchez erklärt dagegen, eine "Koalitionsregierung hat nicht funktioniert". Dabei sind nur Verhandlungen darüber gescheitert. Tatsächlich ist seine Regierung auf Basis eines Abkommens gescheitert. Seit dem Ende der Franco-Diktatur hat es in Spanien noch nie eine Koalitionsregierung gegeben.

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Podemos lehnt seine Pläne verständlicherweise ab, da die Partei diese Situation seit Juni 2018 kennt. Für Sánchez ist Papier geduldig. Er hatte zentrale Versprechen im vergangenen Jahr gebrochen wie die Streichung der konservativen Arbeitsmarkreform, des "Maulkorbgesetzes" und andere.

Podemos will deshalb in die Regierung und aus ihr auf Einhaltung pochen. Die Linkspartei wirft Sánchez vor, "100% Kontrolle ohne Verhandlungen zu wollen" und dabei "die Hände frei zu haben", jederzeit auch "mit den Rechten zu paktieren", wenn es ihm gerade gefällt.

Das hat Podemos immer wieder erlebt. So lehnte die PSOE mit den Rechten zum Beispiel ab, dass die Verstrickungen des Geheimdienstes CNI in die Anschläge vor zwei Jahren in Katalonien untersucht werden. Gerade wurde sogar mit den Stimmen der rechtsradikalen VOX abgelehnt, dass der Außenminister Borrell zur Spionage auch in Deutschland befragt werden kann.

Auch Sánchez muss wie seine Regionalfürsten verstehen, dass er verhandeln und Macht teilen muss. Sonst kommt es Neuwahlen mit unbekanntem Ausgang, die die Rechten und Rechtsradikalen geradezu herbeisehnen.