Spanien auf dem Weg zu vierten Wahlen in vier Jahren

Bild: Richard Ireland/pexels.com

Wie erwartet fiel Pedro Sánchez auch im zweiten Wahlgang durch

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Die Lage in Spanien wird nicht stabiler, sondern immer instabiler, da es wie erwartet dem Sozialdemokraten Pedro Sánchez auch im zweiten Wahlgang heute nicht gelungen ist, zum Regierungschef gewählt zu werden. Der Ton zwischen der Linkskoalition Unidas Podemos (UP) und Sozialdemokraten (PSOE) war schon vor der ersten Abstimmung am Montag sehr hart.

So war absehbar, dass der Sozialdemokrat Pedro Sánchez auch im zweiten Wahlgang am Donnerstag scheitern würde und damit der Versuch, erstmals seit der Franco-Diktatur eine Koalitionsregierung in Spanien zu bilden. Da in diesen Tagen erneut viel Geschirr zerschlagen wurde, wird es noch schwieriger, in den verbleibenden zwei Monaten die Wogen wieder zu glätten, um ein Abkommen zu ermöglichen.

Wie im Nachbarland Portugal hätten PSOE und die in UP zusammengeschlossenen Parteien über ihre Schatten springen müssen, um wie dort als Linksregierung die nötigen Verbesserungen für die breite Bevölkerungen umsetzen. Spanien könnte zentrale Probleme angehen, wie den Konflikt in Katalonien, die weiter enorm hohe Arbeitslosigkeit von 14 % und einer Sozialversicherung, die auch wegen extrem prekären Arbeitsbedingungen nach Arbeitsmarktreformen praktisch pleite ist.

Doch das Misstrauen, fehlende Dialogbereitschaft, Überheblichkeit, Vetos - vor allem vonseiten der PSOE - haben das verhindert. Und so behielt der baskische Parlamentarier Jon Inarritu Recht, der im Telepolis-Gespräch diesen Ausgang erwartet, aber nicht erhofft hatte.

Enthaltung der Linken

Obwohl Sánchez keine absolute Mehrheit mehr brauchte, fiel er erneut durch, da sich UP weiterhin enthalten hat. Nach Ansicht der Linken habe er die eiligen Angebote der letzten Tage kaum verbessert. So konnte Sánchez wie am Montag nur einen Parlamentarier einer Regionalpartei aus Kantabrien hinter sich bringen und erhielt erneut nur 124 Ja-Stimmen.

Er bekam mit 155 Nein-Stimmen bei 67 Enthaltungen nur etwas weniger Ablehnung, da sich die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) als Geste und aus "enormer Verantwortlichkeit" enthielt, wie deren Sprecher Gabriel Rufián erklärte. Dabei hätte gerade die ERC gute Gründe gehabt, an ihrem Nein festzuhalten.

Nur wäre Sánchez sogar dann auch erneut gescheitert, hätte UP mit Ja gestimmt. Dann hätte er die Enthaltungen der ERC gebraucht. Sonst wäre er auch so durchgefallen, wenn auch diese mit Nein gestimmt hätten, da es dann mehr Nein- als Ja-Stimmen gegeben hätte.

Denn der ERC-Chef Oriol Junqueras sitzt nicht als Abgeordneter im Plenum, sondern im Gefängnis. Das Ministerium für Staatsanwaltschaft und der juristische Dienst der Sánchez-Regierung halten an ihren Anschuldigungen der Rebellion und des Aufruhrs fest. Mit Tricks wurde sogar die Immunität von vier Katalanen ausgehebelt.

So hätte Sánchez noch einfacher gewählt werden können. Drei Nein-Stimmen von katalanischen politischen Gefangenen wurden ausgeschlossen, die nach Ansicht der UNO "willkürlich" inhaftiert sind. Junqueras wollte sich, wie seine Partei, dagegen enthalten.

Sánchez Rede schon ganz auf Neuwahlen ausgelegt

Sánchez Rede war schon ganz auf Neuwahlen ausgelegt und er versuchte bereits am Narrativ zu basteln, um womöglich der Linken weitere Stimmen abzunehmen. Er, der lange keinen Dialog mit niemandem führte, der schon vor den Wahlen stets in Richtung der rechts-neoliberalen Ciudadanos (Cs) schielte sprach Veto um Veto gegen UP aus. Alles sah danach aus, als wolle er nur vor den Kopf stoßen, um sie für ein Scheitern verantwortlich zu machen.

So gab er erwartungsgemäß auch der Linkskoalition in seiner Rede die Schuld, eine "progressive Regierung" verhindert zu haben. "Unter den linken Kräften hätte die Investitur ab dem ersten Moment garantiert sein müssen", sagte er so, als müssten die Linksparteien ihn ohne Zugeständnisse und Verhandlungen wählen, damit die Rechte nicht erneut an die Macht kommen kann. Dialog sieht anders aus.

Der UP-Chef Pablo Iglesias warf Sánchez vor, ihm habe stets der "Respekt" vor der Linken gefehlt. Es sei schwierig, an einem Wochenende eine Koalition auszuhandeln, "nachdem 80 Tage" nichts passiert war. Iglesias machte ihm in seiner Rede erneut ein Angebot. Er zeigte sich sogar bereit, auch auf das Arbeitsministerium zu verzichten. Das habe ihm ein hochrangiger PSOE-Vertreter empfohlen, fügte er an.

Er streckte Sánchez erneut seine Hand entgegen. Iglesias will Neuwahlen vermeiden und in den verbleibenden zwei Monaten noch ein Abkommen schließen, bevor die vierten Neuwahlen in vier Jahren im November unvermeidlich werden.

Der ERC-Sprecher Rufián ging mit Sánchez und Iglesias hart ins Gericht. Beide würden diesen Tag noch bereuen, sagte er. Sánchez, weil er real auf Enthaltung der rechten Volkspartei (PP) und der rechts-neoliberalen Ciudadanos (Cs) gesetzt habe, statt Iglesias ein Ministerium zu geben. Und Iglesias werde "für vier Ministerien vier Jahre" verlieren, warf ihm Rufián vor.

Rechtsparteien profitieren

Der hatte aber auf ein Ministerium nach dem Sánchez-Veto verzichtet, um ein Bündnis zu fördern. Die Ablehnung des PSOE-Angebots nütze nur Rechten und Ultrarechten, die sogar "mit den Ohren" applaudierten, "total erfreut" seien, erklärte Rufián. Dass die rechtsradikale VOX von einem "guten Tag für Spanien" spricht, sagt schon einiges. Und der Chef des Unternehmerverbands John de Zulueta erklärte: "Eine Regierung der PSOE mit der Ultralinken wäre schlimm für uns." Er machte damit deutlich, dass auch von dieser Seite gegen das Abkommen gearbeitet wurde.

Bei den drei Rechtsparteien "wären jetzt sogar schon die Zusatzgehälter ausgehandelt", erklärte Rufián mit Blick auf die PP, deren Politiker sich nach Sánchez Scheitern sich bereits wieder nahe an den Fleischtöpfen sehen. Die massiven Korruptionsskandale der PP hatten dazu geführt, dass deren Regierung im vergangenen Jahr stürzte und Sánchez über ein konstruktives Misstrauensvotum Regierungschef werden konnte.

Auch für die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), die Sánchez ein Ja signalisiert hatte, kritisierte Aitor Esteban vor allem Sánchez, wonach dieser zu viel Zeit verloren habe, um mit dem "unerlässlichen Partner" UP zu verhandeln. Auch er hofft, dass sich die Widersprüche im August doch lösen lassen.

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