Renten-Desaster: 34-Milliarden-Lücke bis 2035 – helfen nur höhere Beiträge?
Bundesregierung will Rentenniveau bei 48 Prozent halten. Nach IW-Berechnungen wird das zu teuer. Müssen die Beiträge steigen – oder gibt es andere Hebel?
Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sollen sich Rentnerinnen und Rentner bis Ende der 2030er-Jahre auf ein stabiles Rentenniveau von 48 Prozent verlassen können. Wer 45 Jahre gearbeitet und durchschnittlich verdient hat, soll 48 Prozent des früheren Arbeitseinkommens als Rente bekommen.
Und ewig grüßt die Demografie: Babyboomer gehen in Rente
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schlägt nun Alarm, dass dies zu teuer werde – jedenfalls bei gleichbleibenden Beitragssätzen.
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Schließlich geht nach und nach die Babyboomer-Generation in Rente, weniger beitragspflichtige Beschäftigte kommen nach.
Beitragsexplosion: Mehr Kosten für die nächste Generation?
Statt einem Beitragssatz von 21,1 Prozent im Jahr 2035, mit dem die Ampel-Koalition noch im Herbst gerechnet habe, seien dann wohl mehr als 22 Prozent nötig – Tendenz steigend. Aktuell liegt der Beitragssatz noch bei 18,6 Prozent, bis 2035 soll er schrittweise angehoben werden.
Tatsächlich hat die Bundesregierung selbst in ihrem Rentenversicherungsbericht im November veranschlagt, dass 21,1 Prozent im Jahr 2035 nur zu einem Rentenniveau von 45,4 Prozent führen werden.
Die finanzielle Kluft: Was höhere Beiträge wirklich bedeuten
Was die Pläne für die Beitragszahler bedeuten, lässt sich laut IW mit einer einfachen Überschlagsrechnung schätzen. "Denn steigen die Ausgaben im gleichen Verhältnis wie das Rentenniveau, wären im Jahr 2035 rund 631 Milliarden Euro statt der bislang erwarteten 597 Milliarden Euro fällig – eine Lücke von gut 34 Milliarden Euro", befand das Institut am Freitag.
Sein Fazit: Der Beitragssatz müsste auf mehr als 22 Prozent steigen. Heute werden 77 Prozent der Rentenausgaben aus den Beiträgen finanziert, den Rest steuert der Bund bei.
Wenn es dabei bliebe, müssten 2035 also 26,3 Milliarden zusätzlich aus Beiträgen gestemmt werden, vom Bund müssten acht Milliarden kommen, rechnet das Institut vor. Dazu bräuchte es einen noch höheren Beitragssatz von dann 22,3 Prozent.
Generationenkapital: Innovative Lösung oder riskantes Spiel?
Nach Plänen der Bundesregierung soll die "Stiftung Generationenkapital", ein Projekt der FDP, Geld am Kapitalmarkt anlegen und die jährlichen Erträge an die Rentenkasse überweisen. In diesem Jahr sollen erstmals 12,5 Milliarden an die Stiftung überwiesen und angelegt werden, um Beitragseinnahmen zu ersetzen. So ließe sich der Beitragssatzanstieg bremsen – vorausgesetzt, dass die Renditeerwartungen sich erfüllen.
Beitragssatzbegrenzung: Diese Rendite wäre laut IW nötig
Wenn die Bundesregierung die Beitragssätze nach 2030 auf 22 Prozent begrenzen will, würde der Beitragssatz 2035 erstmals darüber liegen. Dann müsste die Stiftung Einnahmen aus 0,3 Beitragssatzpunkten ersetzen, das wären 6,7 Milliarden Euro.
Um den ursprünglich erwarteten Beitragssatz von 21,1 Prozent zu halten, wären sogar 26,3 Milliarden Euro nötig. Weil der Beitragssatz ohne Generationenkapital in den Folgejahren weiter steigen würde, sind danach noch höhere Summen fällig.
Ökonom nennt hohen Preis der Rentenstabilität
Dafür bräuchte es im Jahr 2035 bei einer Rendite von drei Prozent 223 Milliarden Euro. Für einen Beitragssatz von 21,1 Prozent wären sogar 877 Milliarden Euro nötig. Und weil danach noch höhere Erträge fließen müssen, um den zu Beitragssatz stabilisieren, steigt der Kapitalbedarf weiter.
Jochen Pimpertz, Leiter des Kompetenzfelds Öffentliche Haushalte und soziale Sicherung beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Bleibt es bei 12,5 Milliarden für die "Stiftung Generationenkapital", wären 2035 gerade einmal 177 Milliarden Euro im Depot – selbst wenn bis dahin kein Geld an die Rentenkasse fließt.
"Wer mit höheren Renditen rechnet, sollte bedenken: Renditechancen sind riskanter als sichere Anlagen", warnt IW-Ökonom Jochen Pimpertz. "Das Kapital muss aber erhalten bleiben, damit Erträge regelmäßig fließen können."
Ein anderer Hebel: Höhere Löhne, höhere Renten
Das Hauptargument kritischer Stimmen dazu lautet: Die Renten werden durch das Konzept "Generationenkapital" abhängig von den Profiten des Finanzmarkts. Gewerkschaften und gewerkschaftsnahe Wissenschaftler betonen seit Jahren, dass die Grundlage für gute Renten gute Löhne seien. Sprich: höhere Mindestlöhne und gute Tarifabschlüsse.
Der gesetzliche Mindestlohn liegt aktuell bei 12,41 Euro pro Arbeitsstunde. Nach Berechnung des Sozialverbands VdK müsste er auf 14 Euro steigen, um vor Altersarmut zu schützen.
Und je höher der Lohn, desto leichter wäre im Fall des Falles auch ein höherer Rentenbeitrag für Beschäftigte zu verkraften.