Rettet Springer!

"Deutsche Lösung" statt "alt-68er Verfolgungswahn"

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An diesem Mittwoch wurde es klar: Springer verzichtet. Der Hamburger Zeitungskonzern wird die Sendergruppe "ProSiebenSat.1" nicht kaufen. Weil die aktuelle Diskussion um die umstrittene Beteiligung des Springer-Konzerns damit einstweilen beendet ist, lohnt der genauere Blick auf gewisse Randphänomene der Debatte. Besonderes Interesse verdient dabei eine Initiative, mit der der Film-Produzentenverbund "Film 20" in den vergangenen Wochen für eine Beteiligung von Springer geworben hatte - mit zum Teil bizarren Argumenten.

"Woanders ist man weiter." dröhnt Bernd Eichinger, einflussreicher Boss der Münchner Constantin-Film: "Von Asien bis Amerika wird nicht mehr nur geredet, da wird die Veränderung geplant und aktiv angepackt, da ist der digitale Entwicklungsschub schon ganz praktisch zu beobachten." Mensch Meier! "Ein wenig Gegengewicht gegen Google & Co kann die Welt schon noch gebrauchen." meint auch Stefan Arndt, Produzent und Geschäftsführer der Berliner X-Filme, die gerade dabei sind, in Constantins Fussstapfen zu treten. Und der kaum weniger einflussreiche teamworx-Chef Nico Hofmann ergänzt: "Großartiges Fernsehen zu machen hat auch mit nationaler Identität und mit derer Verantwortlichkeit zu tun." Besonders einfach macht es sich der allerdings auch vergleichsweise unbekannte Axel Kühn von der Unterföhringer Tresor-TV: "Dass Kontrollgremien gleichzeitig mit so viel Macht und so viel Ignoranz ausgestattet sein können, ist erschütternd."

In seltener Einigkeit meldeten sich die Granden der sonst gern zerstrittenen deutschen Filmbranche - immerhin leistet man sich allein fünf verschiedene Produzentenverbände - dieser Tage auf dem Internet-Forum der Berliner "Film 20" zu Wort. Die Botschaft ist klar: Deutschland braucht die Fusion von Springer und "ProSiebenSat.1", sonst ist das Schlimmste zu befürchten, sonst gehen Land und Medien den Bach runter.

Anwälte des Nationalen

Anlass für die kollektive Erregung ist eine am 19. Januar 2006 - reichlich spät also - gestartete Initiative von "Film 20". Auf der Website der Organisation der größeren deutschen Produzenten fordert der film20-Vorstand seine Mitglieder und andere zur Wortmeldung auf: "Produzenten müssen bei ProSiebenSat.1-Entscheidung gehört werden!" und sich "massiv" einmischen, heißt es in einer etwas geschwätzigen Presseerkläung, schließlich handle es sich um eine "richtungweisende medienpolitische Weichenstellung", deren Stoßrichtung klar ist:

Hier melden sich nicht Parteigänger eines Medienunternehmens zu Wort, sondern Produzenten, die um ihr Potential wissen, dies aber nur in einem sich modern und nachhaltig entwickelnden Umfeld von neuen Plattformen und alten Senderpartnern zu wirtschaftlichem Erfolg ummünzen können.

Interessant ist an den Wortmeldungen unter anderem, dass Konzernchefs, die sonst gern einer Marktöffnung und allgemeinen Liberalisierung das Wort reden, von Globalisierung und "neuen Möglichkeiten" schwärmen, plötzlich zu Anwälten des Nationalen werden. Manchmal bedarf es dafür argumentativer Winkelzüge: "Der Markt ist global - aber der Erfolg für Inhalte fängt nun mal im Heimatmarkt an!" (David Groenewold, Promedium, Berlin). Wolf Bauer von der ufa fordert dagegen einfach eine "Deutsche Lösung", und der von der ARD seit Jahrzehnten wohlgenährte "Lindenstraßen"-Regisseur Hans W. Geißendörfer macht es sich noch einfacher:

ProSiebenSat.1 muss wieder national bestimmt werden. Ob das Springer macht oder ein anderer, der die Möglichkeiten dazu hat, ist völlig egal.

"Die Schlachten von vor 40 Jahren…"

Schuld an alldem tragen natürlich wieder mal "alt-68er Verfolgungswahn" und "weise Professoren" (Tim Tremper) - Intellekt als potentielle Bedrohung ist in solchen Zusammenhängen nichts Neues. Allerdings setzt man nun den einstigen "Enteignet Springer!"-Rufen eine ökonomische Katastrophenrhetorik entgegen: "Dank der KEK wird die größte Sendergruppe Deutschlands vielleicht demnächst zu Disney oder Sony gehören." Fehlte noch die Produzentendemo mit "Rettet Springer!"-Rufen, als ginge es um einen Tante-Emma-Laden.

Potentielle Gegenargumente wischt man dagegen vom Tisch: "Wer die Rolle von Pro7Sat.1 vorwiegend unter dem Aspekt von Meinungsmacht betrachtet, hat von der wirtschaftlichen Logik des Privatfernsehens nichts verstanden. Hier werden die Schlachten von vor 40 Jahren geschlagen, so als habe sich die Welt nicht verändert." (Günter Rohrbach, Präsident der Deutschen Filmakademie), "In Zeiten globaler Informationsnetze müssen wir uns um Meinungskonzentration weniger Sorgen machen als um Wirtschaftskonzentration." (Norbert Sauer, UFA) - ob das nun ein Argument für Springer ist?

Mit alldem verglichen wirkt das Arbeitsplatzargument, das Arndt und Eichinger vertreten, relativ entspannt. Überhaupt hebt sich Arndt von seinen Kollegen noch durch wohltuende Differenzierung ab:

Wir Filmkünstler und Filmwirtschaftler … müssen Sorge tragen, wie und von wem unser Filme in Zukunft vertrieben werden.

"Hearst … Murdoch … Berlusconi"

Kritische Stimmen findet man an dieser Stelle nur wenige: Produzentin (und Professorin!) Regina Ziegler bemerkt immerhin "bei einer Verbindung von Springer und Pro7/SAT.1 … publizistisch nicht ganz unproblematische Möglichkeiten" und bittet nur darum, doch statt Gefahren auch Chancen zu sehen:

Deshalb ist diese angestrebte Fusion nicht nur so zu sehen, dass sie Probleme macht, sondern auch so, dass sie Probleme nicht entstehen lässt.

Und Regisseur Christoph Hochhäusler, allemal als Nicht-Produzent ein Outsider in dieser Reihe, wirkt hier wie das demokratische Feigenblatt, wenn er auf "Hearst … Murdoch … Berlusconi" hinweist, und schlüssig folgert:

Was aber ökonomisch Sinn macht, ist kulturell fatal … Keine Frage, dass diese Perspektive für Springer verlockend ist. Im Interesse der Allgemeinheit ist sie es nicht." Hochhäusler sieht auch als einziger die Naivität der nationalen Argumentation: "das Beharren auf einer nationalen Lösung führt oft zu Enttäuschungen, weil sich Konzerne einer gewissen Größenordnung der Muttererde nicht mehr so recht verbunden fühlen - siehe Canal Plus.

Alles in allem kam "Film 20" aber mit seiner Initiative allzu spät: "Die Abgeordneten im Medienbereich, die verantwortlichen Amtsinhaber in Wirtschafts- und Medien-Ressorts auf Bundes- und Länderebene müssen jetzt angesprochen werden." hieß es am 19. Januar. Da waren die Würfel gegen Springer schon gefallen. Den Medienkapitalismus wird das allerdings auch in Deutschland kaum bremsen.