Revolte der Republikaner?

Seite 3: Verwirrende Vielzahl an Angriffsflächen erschwert die Opposition

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Es ist trotz solcher Kritik auch aus den eigenen Reihen und sogar aus mehr oder weniger radikalen neoliberalen Kreisen kaum zu erwarten, dass Trumps Budgetvorlagen der kommenden Jahre substantiell von der 2017 programmatisch eingeschlagenen Linie abweichen werden, da sein oberstes Prinzip die Erfüllung von und Übereinstimmung mit seinen (allseits extremen und oft wenig realistischen) Wahlversprechen ist - mit ungewissen Folgen.

Obwohl mit alledem nicht automatisch feststeht, dass Trumps Schwächung in der eigenen Republikanischen Partei notgedrungen immer weiter fortschreiten wird, sondern viel vom Verhalten seiner Wählergruppe in der mittelfristigen Entwicklung der Umfragewerte abhängen wird, ist die damit verbundene Tendenz des Legitimationsverlusts des Präsidenten doch eine ständige Bedrohung, die die weitere Amtszeit des National-Populisten prägen wird. Die Frage ist erstens, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen, das Fass innerhalb der Republikaner zum Überlaufen kommen könnte; zweitens, inwieweit die in der Opposition stehenden und nach der Niederlage Clintons in einem ebenso chaotischen wie grundlegenden Neufindungsprozess befindlichen Demokraten dazu beitragen können - und was sie aus der vieldimensionalen Angreifbarkeit des Präsidenten konkret machen.

Ironischerweise scheint es gerade die unglaubliche, so nicht dagewesene und daher geradezu verwirrende Vielzahl an Angriffsflächen, dubiosen bis unlauteren Aktivitäten und offenen Versagensfällen des Präsidenten zu sein, was es der US-Opposition erschwert, einen klaren Fall zu konstruieren, an dem sie die Präsidentschaft Trumps an ein vorzeitiges Ende durchdeklinieren können, wie das etwa bei Richard Nixon der Fall war.

Nixon hatte alle Regeln eingehalten und sich staatsmännisch systemimmanent bewegt, außerdem die Rolle der Medien in der Wahrheitsfindung anerkannt, aber einen klaren Fehltritt begangen. Dagegen ist Trump derart deplaziert und multidimensional regelfremd, lehnt die Medien pauschal ab und leugnet zudem mit seiner "Alternative-Fakten"-Manie in nie dagewesener Weise jede Möglichkeit von Wahrheitsfindung an sich, sodass jede rationale Opposition an die Grenze eines "ganz Anderen" stößt, die das System an sich ablehnt oder aktiv unterminiert und damit die Spielregeln einseitig und willkürlich außer Kraft setzt.

Mit der Aushebelung sämtlicher üblicher Verfahrensweisen der bisherigen politischen Kultur durch Trump, an sich ein zivilreligiöses "Heiligtum" der US-Zivilisation und in der angelsächsischen Selbstdeutung Grundlage der amerikanischen Weltmacht seit dem Ende des 19. und insbesondere seit dem ersten Drittel des 20 Jahrhunderts, sind sowohl die eigenen Republikaner wie die Demokraten bis auf weiteres überfordert. Wie lange ihr Anpassungs- und Justierungsprozess an die neuen Verhältnisse und zur Organisation aktiver, organisierter und an einer größeren, gut kommunizierbaren Gegenvision und Gegenideologie orientierter Gegnerschaft in konstruktivem Geist für das Land dauert, ist offen.

Roland Benedikter, Dr. Dr. Dr., ist Forschungsprofessor für Multidisziplinäre Politikanalyse am Willy Brandt Zentrum der Universität Wroclaw-Breslau, Global Futures Scholar an der Europäischen Akademie Bozen und Research Affiliate an der Global Studies Division der Stanford Universität. Kontakt: rolandbenedikter@yahoo.de.