Revolte der Republikaner?

Seite 2: Staatsbudget: "Große Geschenke für die Reichen, große Einschnitte für die Armen"

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Die meiste Kritik in den ersten Amtsmonaten musste Trump allerdings auch aus seiner eigenen Partei für sein erstes, von ihm programmatisch für die gesamte Amtszeit gemeintes Staatsbudget einstecken. Laut unabhängigen Beobachtern sah dieses im Kern massive "Geschenke" für die Reichen und starke Belastungen für die ärmeren Bevölkerungsschichten vor.8

Auch vielen Republikanern ging die "Simplifizierungstendenz" Trumps in Richtung ungeschminkte Verstärkung von Ungleichheit zu weit. Trump sah vor allem eine Kürzung des Wissenschaftsbudgets beziehungsweise dessen Verlagerung in die Militärforschung, sowie besonders starke Einschnitte bei sozialen und Umweltprogrammen vor.9

Auch konservative Experten sahen in Trumps erstem Budget für die USA eine "Wahlkampfveranstaltung auf Papier", die jeder seriösen Einschätzung von Entwicklungsperspektiven und Anforderungen der USA in den kommenden Jahren widerspreche.10 Liberale Kommentatoren fassten die Pläne als "umgekehrte Robin Hood Agenda"11 zusammen. Dabei mache sich die Trump-Administration die wirtschafts- und finanzpolitischen Erfolge Obamas schamlos zunutze, leugne sie zugleich aber bei jeder Gelegenheit pauschal und faktenfremd, ja behaupte, sie allesamt rückgängig machen zu müssen. Darunter sind die Tatsachen von 77 aufeinanderfolgenden Wochen mit Beschäftigungszunahme, eine Arbeitslosenrate von 4,7% nach US-Zählung sowie die Hinzufügung von 235.000 Arbeitsplätzen allein im Februar 2017, was kombiniert eine weitere Leitzinserhöhung seitens der US-Federal Reserve Bank ermöglicht und damit den bereits 2015 von Fed-Chefin Janet Yellen angestrebten Zinstrend "back to normal" unterstützt. Während Trump diese Erfolge eifrig auf die eigenen Fahnen schreibt, sind sich Sachverständige einig, dass diese Entwicklung langfristig angelegte Trends reflektiert und allein der Obama-Administration zuzuschreiben ist, wobei Trump reiner Nutznießer der Maßnahmen seines Vorgängers ist.12

Gerade auf dieser Grundlage war Trumps Budgetvorlage vom Mai 2017 umso angreifbarer. In seinem ersten, programmatischen Budgetentwurf zeigt sich Trumps innenpolitische Vision, einschließlich die Beantwortung der Frage, was genau "Make America great again" bedeutet, diesseits der Schminke pathetischer Rhetorik am deutlichsten. Denn Trumps Budgetentwurf erhielt - auch und gerade durch wirtschafts- und wettbewerbsfreundliche (neoliberale) Expertenforen - die Bewertung von Unausgewogenheit, Radikalität und Oberflächlichkeit:

"Trumps erstes Budget kann so zusammengefasst werden: Große Geschenke für die Reichen, große Einschnitte für die Armen. Er würde der Verteidigungsindustrie und den reichen Steuerzahlern erheblich mehr Geld geben, und er würde, wenn es nach ihm geht, dafür bezahlen mit einer nie dagewesenen Zusammenkürzung des Sicherheitsnetzes für Amerikas Arme. Trump hat ein 'Panzer und Steuerkürzungen'-Budget vorgelegt. Mick Mulvaney, Trumps Budgetdirektor, hat das klar zum Ausdruck gebracht."13 Die größten Einsparungen im Budget kommen von diesen Posten:

"1. Kürzungen von Medicaid: mehr als 600 Milliarden US$ verteilt über zehn Jahre." Medicaid ist ein staatliches Hilfsprogramm für die Armen, die sich eine medizinische Behandlung anderweitig nicht leisten können;

"2. Kürzungen von Essensmarken (SNAP) um 193 Milliarden US$ über zehn Jahre." Die Essensmarken sind eine staatliche Hilfe, mit der jene Essen kaufen oder Essenseinrichtungen nutzen können, die sich von ihrem Einkommen nicht selbst ernähren können;

"3. Kürzungen von Studentenbeihilfen um 143 Milliarden US$ über zehn Jahre." In den USA erreicht die Verschuldung von Studierenden jedes Jahr neue Rekordwerte, weil die fehlenden Staatsbeihilfen für die Bildungseinrichtungen die Preise für ein Studium derart in die Höhe treiben, dass es sich die Mittelklasse nicht mehr leisten kann, was ein entscheidender Faktor ihres Abstiegs ist;

"4. Kürzungen an den Pensionen von Staatsangestellten um 63 Milliarden US$ über zehn Jahre."

Heather Long fährt fort: "Mulvaney sollte wahrscheinlich eine fünfte Gewehrkugel hinzufügen: Behindertenprogramme werden massiv beschnitten. All jene, die sich für die Armen einsetzen, stehen wie gelähmt vor dem Ausmaß der Einschnitte. Das ist 'eine umgekehrte Robin Hood Agenda', erklärte etwa das Center on Budget and Policy Priorities, ein linksorientierter Think-tank, der eine der Stimmen für die Amerikaner mit geringem Einkommen in Washington ist."

Und das bedeutet zusammengefasst auch aus Sicht vieler Mitglieder der Republikanischen Partei: Die Grundlagen von Amerikas sozialem Sicherheitsnetz sind durch Trumps programmatischer Budgetkeule sowohl in Prinzipien wie Praxis gefährdet.14 Denn: Wer soll eigentlich Nutznießer von Trumps Budgetplänen sein? Paradoxerweise wohl kaum - ja am allerwenigsten - jene ungelernten Arbeiter, Unterklasse-Angehörigen, Proletarier und kleinen Angestellten, die Trump in ihrer Not und Unkenntnis gewählt haben:

Welche Steuerzahler profitieren denn in Wirklichkeit von Trump? Die Trump-Administration verteidigt ihre "Neuordnungsvision" als ein "Steuerzahler zuerst"-Budget. Aber es bleibt ein Mysterium, ob eine typische amerikanische Familie damit in irgendeiner Weise besser wegkommen wird als vorher. Was wir soweit wissen, ist, dass die Reichen - einschließlich Trump selbst - sehr viel weniger Steuern zahlen werden.

"Die klare Mehrzahl der Vorteile geht an Personen mit hohem Einkommen", sagt Joe Rosenberg, ein Senior Research Associate am Tax Policy Center, einem überparteilichen Think-tank. Alle Spitzensteuersätze für Firmen und Personen gehen nach unten. Trump eliminiert auch die Obamacare-Zusatzsteuer für reiche Investoren. Er gibt reichen Investoren, die mehr als 200.000 US$ pro Jahr verdienen Steuererleichterungen, während die Hälfte Amerikas nichts an der Börse investiert hat, und zwar hauptsächlich deshalb, weil sie kein Extrageld hat, um es zu investieren. Das vermutlich größte Geschenk an die Reichen ist die Eliminierung der Vermögenssteuer auf Sachwerte (estate tax). Heute wird diese Steuer nur auf Güter angewandt, die mehr als 5,5 Millionen US$ wert sind, aber Trump will sie ganz abschaffen.

Heather Long

Dass das aus Sicht des Immobilienmagnaten Trump15 nicht uneigennützig erfolgt, weil der Präsident selbst - wenn auch verdeckt über seine Familie - einer der Hauptnutznießer der Abschaffung der Reichensteuer auf Immobilienwerte ist, versteht sich von selbst. Die offen praktizierte Selbstbedienungsmentalität Trumps sorgt sogar an der ansonsten im Hinblick auf gnadenlose persönliche Bereicherung mit allen Mitteln nicht gerade zimperlichen Wall Street für Erstaunen:

Sogar manche an der Wall Street sind über dieses Budget überrascht. "Das Herzstück dieses Ausgabenprogramms sind Kürzungen von fast 1 Billion US$ über zehn Jahre an Medicaid, Essensmarken und anderen Anti-Armutsprogrammen", sagt Greg Valliere, Chefstrategist bei Horizon Investments. Er sagt voraus, dass dieses Budget im US-Senat ‚auf eine Mauer treffen’ könnte. Senatoren, die diese Programme kennen, wissen, dass sie praktisch alle Gegenden und Ebenen des Landes betreffen. Fast einer von fünf Amerikanern benutzt heute Medicaid, und mehr als einer von zehn lebt von Essensmarken. Ein erheblicher Anteil an Menschen, die von Regierungshilfe (government aid) haben Trump gewählt. Sieben der 10 Bundesstaaten mit dem höchsten Anteil ihrer Einwohner auf Essensmarken gingen bei der Wahl an Trump. Der entscheidende swing state Florida war unter ihnen.

Heather Long

Doch die Hauptvorwürfe gegen Trumps Budgetpläne liegen, sehr viel einfacher, ganz simpel in den Zahlen, die laut Experten nicht der Realität entsprechen:

Experten aus allen Teilen des politischen Spektrums sagen, das größte Problem mit Trumps Staatsbudget ist, dass ganz einfach die Mathematik nicht stimmt. Trumps Budget wird den USA fast sicher Billionen an Staatsschulden hinzufügen. Trump versprach in seiner Wahlkampagne, die Sozialversicherung für die Armen sowie Medicare nicht anzutasten. Aber nun ändert der Präsident seine Meinung und schlägt Einschnitte in die soziale Unfall- und Invaliditätsversicherung (Social Security Disability Insurance) vor. Dazu gibt Trump eine Steigerung von 54 Milliarden US$ pro Jahr an Militärausgaben. Nimmt man all dies zusammen, dann bleibt nichts anderes übrig, als mit einem Fleischermesser den Rest des Budgets zusammenzuschneiden.

Heather Long