Risikoreicher siebenminütiger Höllenritt zur Marsoberfläche

Bild: NASA/JPL-Caltech

Am Montag muss der Curiosity-Rover der "Mars Science Laboratoy"-Mission (MSL) das bislang gefährlichste interplanetare Landemanöver fehlerfrei meistern

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Nein, direkt Leben respektive Mikroben nachweisen kann der mobile Mars-Roboter Curiosity ("Neugier", "Wissbegier") trotz seiner zehn Experimente an Bord nicht; dafür fehlt ihm das nötige Instrumentarium, auf das die US-Raumfahrtbehörde NASA aus unerfindlichen Gründen verzichtet hat. Wasser bis in einen halben Meter Tiefe und organische Moleküle vermag er dagegen aufzuspüren, was ein wichtiges Ziel seiner Mission sein wird. Anstatt hierauf jetzt näher einzugehen und das wissenschaftliche Programm und die technische Ausrüstung des Expeditions-Rovers näher vorzustellen (dies erfolgt in einem späteren Beitrag), richtet der Autor dieser Zeilen sein Augenmerk primär auf das höchst komplexe und komplizierte Landemanöver, das Fehler geradezu provoziert. Schließlich waren die Chancen auf einen Misserfolg bei einer interplanetaren Mission noch nie so groß wie dieses Mal. Experten reden von einer Null-Fehler-Toleranz; und einige von ihnen schließen sogar ein Scheitern des ehrgeizigen Projekts nicht aus, das mit 2,5 Milliarden Dollar Kosten (1,9 Milliarden Euro) die bislang teuerste Raumsonden-Mission aller Zeiten und zugleich die letzte amerikanische Mars-Expedition in dieser Dekade ist. Am Montag, den 6. August, kann jeder ab 7.31 Uhr MESZ live mitfiebern …

Premiere ohne Generalprobe

Sonntag, 5. August 2012. Früher Abend. Kein Tag wie jeder andere im NASA-Kontrollzentrum am Jet Propulsion Laboratory (JPL) im kalifornischen Pasadena, wo die Spannung schier unerträgliche Dimensionen erreicht. Gebannt und ungeduldig starren Ingenieure, Wissenschaftler, Raumfahrtmanager und einige geladene Politiker auf den Hauptmonitor. Die bis dato ungewöhnlichste, aufregendste und teuerste Mars-Mission in der Geschichte der Raumfahrt nähert sich unaufhaltsam ihrem Höhepunkt. Der Showdown ist perfekt. Das Bühnenbild steht - der Mime, der Hauptprotagonist des Schauspiels, befindet sich noch hinter dem Vorhang und wartet selbst gespannt auf seine Premiere.

Es ist eine Premiere ohne Generalprobe, bei der noch nicht einmal sicher ist, ob der Vorhang zum ersten Akt überhaupt planmäßig aufgeht. Das Auditorium fokussiert seine Aufmerksamkeit auf das Geschehen, das sich 248 Millionen Kilometer fernab der Erde abspielt und daher nur zeitversetzt mit einer Verzögerung von 14 Minuten zu sehen ist.

Nur noch wenige Minuten - dann entscheidet sich, ob die 900 Kilogramm schwere und drei Meter lange fremdartig aussehende Fracht alsbald Raumfahrtgeschichte schreiben oder - wie viele Mars-Lander vor ihr - als irdischer Weltraumschrott auf dem Roten Planeten endet. Schließlich haben sich seit 1960 von den bislang gut 40 Mars-Besuchern noch nicht einmal die Hälfte davon in den Annalen der Raumfahrt als erfolgreiche Missionen verewigen können.

Vorverlegter erster Akt

Die Schmach vom peinlichen Verlust des Mars Polar Landers, der 1999 aufgrund eines Rechenfehlers höchstwahrscheinlich ungebremst mit dem Marsboden Bekanntschaft machte, ist noch in genauso schlechter Erinnerung wie die Geschichte über die verschollene Beagle-Raumsonde, mit dessen Verschwinden die Europäische Raumfahrtagentur ESA heute immer noch hadert.

Künstlerportrait vom Mars Polar Lander, der 1999 eine unsanfte Landung erlebte. Kein gutes Vorbild für die "Mars Science Laboratory"-Mission. Bild: NASA

Was der NASA jedoch Mut und Hoffnung macht, ist der Blick zurück auf die überaus erfolgreichen US-Rover-Missionen, bei denen der Testrover Sojourner (1997) und das Rover-Duo Spirit und Opportunity (2004) in den Hauptrollen zu gefallen wussten.

Seinerzeit wurden die beiden Rover-Missionen mit Multi-Airbags ummantelt, die zu einer Art Pyramide aufgestaut als letzte Stoßdämpfer zuverlässig ihres Amtes walteten. Von einem großen Hauptfallschirm abgebremst, vollzogen die Gummibälle nach dem ersten Touchdown einige prachtvolle Hüpfer und Sprünge, bis sie sicher auf dem rotfarbenen Marsboden zum Stehen kamen.

Does size matter? Drei Radgenerationen treffen aufeinander. Ganz links ein Rad von Sojourner, in der Mitte eines von Spirit bzw. Opportunity und rechts eines von Curiosity. Bild: NASA/JPL-Caltech

Aber ungeachtet all der guten Erfahrungswerte mit dem zuverlässigen Airbag-Prinzip dürstet es dem neuen Hauptdarsteller anscheinend nach mehr Aufmerksamkeit. So erklärt es sich, dass seine Regisseure und Produzenten den Höhepunkt der Mission gleich in den ersten Akt des Schauspiels untergebracht haben. Als wäre dies schon nicht genug des Guten, versahen sie den ersten Akt überdies noch mit der reißerischen Überschrift "Seven Minutes of Terror" und produzierten einen gleichnamigen informativen Trailer (siehe Endes des Beitrages), der jedem Actionfilm-Vorspann aus Hollywood zur Ehre gereicht.

Siebenminütige Ewigkeit

Obwohl die NASA-Statisten und Requisiteure etc. sich bei anderen Landemissionen auf dem Roten Planeten oft einer ähnliche Sprache bedienten - wie 2004 bei der Spirit- und Opportunity und 2008 bei der erfolgreichen Phoenix-Mission - ist die gewählte martialische Formulierung dieses Mal mehr denn angemessen, ist doch das aktuelle Landemanöver in der Tat riskanter als je zuvor.

Abermaliges Treffen der Generationen. Bild: NASA/JPL-Caltech

Wenn am 5. August in Pasadena und andernorts 420 Sekunden zur Ewigkeit werden, sieben Minuten zur schweißtreibenden spannungsgeladenen Tortur geraten und über Erfolg oder Misserfolg eines Projektes entscheiden, in das Ingenieure, Techniker, Wissenschaftler, Raumfahrtmanager viele Jahre ihres Lebens investiert haben, befindet sich die Mars Science Laboratory Mission in ihrer kritischsten Phase.

Dass die gesamte Mission am seidenen Faden hängt und jeder noch so kleinste Fehler beim bevorstehenden Landemanöver gnadenlos das Projekt im wahrsten Sinne des Wortes zu Fall bringen kann, gesteht Tom Rivellini, einer der EDL-Ingenieure der aktuellen Mars-Rover-Mission, ohne Umschweife ein. Er ist für den Eintritt in die Marsatmosphäre, dem Abstieg und der Landung (Entry-Descent-Landing-Phase -> EDL), mitverantwortlich:

Wir haben insgesamt sieben Minuten vom Eintritt in die Atmosphäre bis zur Landung auf dem Mars. Sieben Minuten, um von 20.920 Stundenkilometern auf Null zu bremsen. Dabei müssen die Landephasen perfekt, die Choreografie perfekt und das Timing perfekt sein. Und der Computer muss alles alleine ohne die Hilfe von der Erde bewerkstelligen. Wenn irgendeine Kleinigkeit nicht richtig funktioniert, ist das Spiel vorbei.

Was sich die NASA-Verantwortlichen dabei auch immer gedacht haben, als sie das komplexeste aller Landemanöver auf einem fremden Himmelskörper konzipierten - es hat bereits Kritiker auf den Plan gerufen, die vor allem die letzte Landephase und das Absetzen des Rovers für viel zu gewagt und fehleranfällig halten. Selbst Doug McCuistion, Direktor des Mars Exploration Program vom NASA Hauptquartier, konzediert, dass das Landemanöver einem Dominospiel gleicht: Fällt ein einziger Stein, scheitert die gesamte Mission.

Pete Theisinger, der am JPL als Projektmanager der MSL-Mission arbeitet zeigt ebenfalls nur verhaltenden Optimismus: "Wir gehen davon aus, Curiosity sicher auf dem Boden zu bringen, aber eine Garantie gibt es nicht. Das Risiko ist real."

Tagesanbruch über dem Gale Krater. Bei der aktuellen Mission kommt erschwerend hinzu, dass sich der Gale-Krater, das Landegebiet, auf der Marsrückseite befindet. Um den Kontakt zur Erde zu sichern, springen hier als Relaisstationen die NASA-Sonde Odyssey und der Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA ein. Bild: NASA/JPL-Caltech

Dabei ist das gewählte Landeverfahren aus der Not geboren, weil der 799 Kilogramm schwere und drei Meter lange Forschungsrover Curiosity schlichtweg zu schwer für den Touchdown mit Multi-Airbags ist. Um den massiven Roboter sicher abzusetzen, musste somit völlig neues Konzept her. Es ist ein Konzept, das es in sich hat und potenziellen Fehlerquellen viele Nischen bietet.

Lautloser Abschied

Läuft die erste Sequenz des Abstiegs nach Plan, wird am Montagmorgen die so genannte Cruise Stage nach 254-tägiger Reise den Planeten Mars erreichen. Nach dem interplanetaren Parforceritt und einer zurückgelegten eindrucksvollen Strecke von 567 Millionen Kilometern, ist das Schicksal der ringförmigen und im Durchmesser vier Meter großen Cruise Stage endgültig besiegelt. Bereits zehn Minuten vor der Ankunft am berechneten Eintrittspunkt segnet die Marschstufe das Zeitliche.

Begleitet von einem lautlosen Knall, die zehn gezündete Pyroladungen verursachen, trennt sich das Aluminium-Modul von seiner wertvollen Fracht und verglüht größtenteils in der Marsatmosphäre.

Das Aeroshell mit dem Rover im Gepäck kurz vor dem Eintritt in die Mars-Atmosphäre, so wie ein Künstler sich die Szene ausgemalt hat. Bild: NASA/JPL-Caltech

Fortan ist die Eintrittskapsel inklusive ihrer wertvollen Last ganz auf sich alleine gestellt. Jetzt gibt es kein Zurück mehr - weder für die Sonde selbst noch für die Missionskontrolleure, die keine Möglichkeit der Intervention mehr haben. Für die nächsten mindestens 6,15 bis maximal 7,66 Minuten ist die Nabelschnur zum Jet Propulsion Laboratory und zu allen anderen Empfangsstationen vollends durchtrennt. Von diesem Zeitpunkt an manövriert Curiosity völlig autark und muss auf das Minuten zuvor aktivierte "Guidance, Navigation and Control System" des Rovers vertrauen, das die autonomen Operationen durchführt.

Start der Atlas V-Rakete mit der wertvollen Fracht an Bord. Bild: NASA/Ken Thornsley

Dabei gestaltete sich doch die Zusammenarbeit seit dem Start mit einer Atlas V-Trägerrakete eigentlich recht gut. Am 26. November 2011 hievte das Trägersystem von Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida die Fracht problemlos ins All. Während die ringförmige Marschstufe den Funkkontakt mit dem Deep Space Network (DSN) aufrecht erhielt, die Sonde mit elektrischer Energie versorgte und die Steuertriebwerke kontrollierte, schlummerte an der Spitze des Marschmoduls die in dem zweiteiligen Hitzeschild eingebettete Aeroshell, die Landeeinheit, vor sich hin, ohne Blessuren zu erleiden.

Massiver und massiger Hitzeschild

Blessuren hingegen in Kauf nehmen muss der vordere Hitzeschild spätestens dann, wenn er am Montag zusammen mit der Landeeinheit in rund 131,1 Kilometer Höhe mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde über den Grund des Gale-Kraters, dem Zielgebiet, in die Mars-Atmosphäre eintaucht. Mit einer Größe von 4,5 Metern übertrifft er sogar die Hitzeschilder der Apollo-Raumkapseln der Mondmissionen um zirka 50 Zentimeter.

Aeroshell und Hitzeschild (oben). Bild: NASA/JPL-Caltech

Bevor das Hitzeschildsystem überhaupt gefordert wird, muss zunächst einmal ein anderes wichtiges Manöver gelingen. Knapp sechs Minuten vor dem Eintritt in die Atmosphäre gilt es, zwei Gewichte von jeweils 75 Kilogramm abzusprengen, deren ursprüngliche Aufgabe darin bestanden hat, den Schwerpunkt der Abstiegskapsel während der gesamten Mission auf der Rotationsachse zu stabilisieren.

Bild: NASA/JPL-Caltech

Um die Rotation vollends zu stoppen, zünden die acht Manövertriebwerke des Abstiegsmoduls für einige Sekunden, bis der passende Eintrittswinkel erreicht ist und der Hitzeschild seine Position eingenommen hat.

Beim Eintritt in die Planetenatmosphäre sammeln die Sensoren Daten über die Dichte, Temperatur, Windstärke und das vorgesehene Landegebiet, eine Ellipse von 7 mal 20 Kilometer. In dieser Phase kann der Bordcomputer im Notfall noch bis zu drei Kurskorrekturen vornehmen.

Der Gale-Krater, an dessen Rand Curiosity landen soll. Die kleine eingezeichnete Ellipse ist die Zielregion (20 x 7 Kilometer groß). Gale hat einen Durchmesser von 154 Kilometer und entstand vor 3,5 Milliarden Jahren. In seiner Mitte befindet sich der Mount Sharp, der ungefähr 5,5 Kilometer in die Höhe ragt. Für Curiosity eignet sich diese Region, da dort viele verschiedene Sedimente und Gesteinsschichten vorhanden sind, in denen möglicherweise Restspuren von Leben zu finden sind. Mindestens zwei Jahre lang soll der Rover die Böden und die Atmosphäre en detail erforschen. Bild: NASA/JPL-Caltech/ESA/DLR/FU Berlin/MSSS

Beim Abstieg steuert der Flugcomputer auch die acht Manövertriebwerke. Einmal aktiviert, ermöglichen sie den Flug von S-Kurven innerhalb der Mars-Atmosphäre. Auf diese Weise können Anflugwinkel und Landegeschwindigkeit der Sonde besser kontrolliert und eine Landung präziser durchgeführt werden.

Mehr als eine Minute nach dem Atmosphäreneintritt glüht der vordere Hitzeschild hell. Hierbei muss die Außenhülle des Hitzeschildes Temperaturen bis zu 2100 Grad Celsius überstehen. Aufgrund der enormen Reibung verringert sich die Geschwindigkeit von Curiosity weiter.

Größter "interplanetarer" Fallschirm

Nach dem Abwurf weiterer Gewichte von jeweils 25 Kilogramm "knallt" es erneut. Mithilfe einer Sprengladung öffnet sich bei einer Fallgeschwindigkeit von 400 Metern pro Sekunde 255 Sekunden nach dem Eintauchen in die Mars-Atmosphäre der Überschall-Hauptfallschirm. In elf Kilometer Höhe entfaltet sich der 16 Meter große Bremsfallschirm, der laut NASA der größte und stärkste "interplanetare" ist, der jemals entworfen und produziert wurde und dem Neunfachen der Erdbeschleunigung standhält.

Schnappschuss des Mars Reconnaissance Orbiter vom 25. Mai 2008 von der absteigenden Phoenix-Sonde. Man erkennt deutlich den Bremsfallschirm und das Landemodul. Ob von Curiosity ebenfalls ein solcher Schnappschuss gelingt? Der Versuch soll jedenfalls mit der HiRISE-Kamera unternommen werden. Bild: NASA/JPL/University of Arizona

Kurz darauf wird der vordere Hitzeschild weggesprengt. Während sich in dieser Phase die Landeeinheit mit 125 Metern pro Sekunde dem noch acht Kilometer entfernten Marsboden nähert, misst das Landeradar-Instrument TDS fortwährend den relativen Abstand zur Oberfläche und die Geschwindigkeit der Sonde. Zeitgleich sammelt die MARDI-Abstiegskamera Daten von dem Landegebiet und leitet diese - wie das TDS - an den Bordcomputer weiter.

NASA/JPL-Caltech

Nach dem 80-sekündigen Fallschirm-Intermezzo wird der zweite Hitzeschild mitsamt der Fallschirmeinheit abgeworfen. In dieser Phase befindet sich die Sonde in einer Höhe von etwa 1,5 Kilometer und nähert sich mit 100 Meter pro Sekunde der Oberfläche. Jetzt treten die acht Bremstriebwerke der Abstiegsstufe in Aktion - mit voller Wucht.

Bild: NASA/JPL-Caltech

Zünden und funktionieren sie planmäßig, verringert sich die Geschwindigkeit des Moduls auf 75 Zentimeter pro Sekunde. Es sind nur noch zwölf Sekunden bis zum Touchdown. Und doch folgt nunmehr das vielleicht anspruchsvollste Manöver der gesamten Mission, bei dem der so genannte Sky Crane zum Einsatz kommt.

Bild: NASA/JPL-Caltech

Während sich von den acht Triebwerken vier ausschalten, balanciert sich das Landemodul 18,6 Meter über der Marsoberfläche horizontal aus. Drei aus Polyamidverbindungen bestehende Kabel seilen sodann den 799 Kilogramm schweren Rover langsam ab - Zentimeter für Zentimeter, bis zur vollen Abspullänge von 7,5 Metern. Ein weiteres Verbindungsseil garantiert den Datentransfer.

Undank ist der Welten Lohn - hiervon können in der Raumfahrt insbesondere Trägerraketen, Zubringer, Marschstufen respektive Versorgungsmodule ein Liedchen singen, werden sie doch nach getaner Arbeit in der Regel einfach weggesprengt und ihrem Schicksal überlassen. Dies gilt auch für das Landemodul mitsamt Sky Crane, das kontrolliert zum Absturz gebracht wird. Bild: NASA/JPL-Caltech

Dass der Sky Crane in Aktion tritt, erfolgt aus gutem Grund. Denn nur wenn die Bremsraketen einen Mindestabstand zum Marsboden halten, lässt sich das Eindringen von aufwirbelndem Staub in die Elektronik oder Sensoren des Rovers verhindern.

Curiosity, der kleinwagengroße Roboter, ist vollgestopft mit Elektronik und Sensoren bzw. Computern. Ausgerüstet mit zehn wissenschaftlichen Instrumenten avanciert er zum Geologie- und Chemielabor. Er kann bestenfalls indirekt Spuren von ehemaligem Leben in Gestalt von organischen Molekülen auf dem Mars nachweisen, keineswegs jedoch Lebensformen direkt aufspüren. Mehr hierzu im nächsten Beitrag … Bild: NASA/JPL-Caltech

Parallel hierzu entfaltet der Rover sein Fahrgestell und bringt die sechs Räder in Landeposition. Nur noch wenige Meter bis zum Aufsetzen des Marsgefährts. Zirka 15 Sekunden nach dem Sky-Crane-Manöver berühren sie den Marsboden, woraufhin sich die Verbindungsleinen lösen. Der Sky Crane kappt die Seile. Zeitgleich zünden die vier Triebwerke der Landeeinheit erneut und katapultieren das Modul in einem Winkel von 45 Grad 150 Meter in seitlicher Richtung und damit aus der Landezone. Zurück bleibt Curiosity …

Ein Windböe kommt selten allein

Wenn Leute sich das Teil anschauen, denken sie, dass es verrückt aussieht. Das ist für mich nachvollziehbar. Wenn wir es uns manchmal anschauen, denken auch wir, dass es verrückt ausschaut. Letzten Endes ist es aber das Resultat von durchdachter Ingenieurskunst.

Adam Steltzner, seines Zeichens ebenfalls EDL-Ingenieur der Curiosity-Mission.

Doch so gewissenhaft das Landemanöver analysiert, durchgeplant, durchexerziert, getestet und bis ins kleinste Detail festgelegt wurde - der Faktor Zufall bleibt die größte Unbekannte. Denn letzten Endes kann kurz vor oder beim Eintritt in die Mars-Atmosphäre oder während der Landung so ziemlich alles schiefgehen, was in Theorie und Praxis schiefgehen kann. Fakt ist: Viele der eigentlichen notwendigen Tests ließen sich unter realen Bedingungen logischerweise nicht durchführen. Das komplette Landemanöver fand bislang nur im Computerexperiment via Simulation erfolgreich statt. Ob die Zahnräder unter Marsbedingungen alle wunschgemäß ineinander greifen, wird sich am Montagmorgen zeigen.

Testbild der 3D-MastCam (Mast Camera) von Curiosity, aufgenommen in Utah. Bild: NASA/JPL-Caltech

Denn bereits der kleinste Fehler bedeutet unwiderruflich das Aus für die teure und ambitionierte Mission. Es bleibt der Fantasie eines jeden Einzelnen überlassen, welche Fehlerteufel die Mission wann und wo heimsuchen könnten. Vielleicht steht bei der Landung ein Felsen im Weg, der den Rover blockiert, oder eine heftige Windböe bringt den Sky Crane zum Absturz. Womöglich funktioniert eines der acht Bremsdüsen nicht richtig oder eine der zahlreichen Sprengladungen zündet nicht. In diesen Fällen wären Jahre der Arbeit mit einem Mal dahin. "Selbst wenn wir alles richtig machen - es gibt es noch eine Menge Dinge, die uns überraschen können", gesteht die NASA freimütig.

Verheerende Folgen für die Forschungssonde hätte während der Landung vor allem das Aufkommen eines Marssturms. Auch wenn der Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) im Oktober 2010 das Marswetter über mehrere Wochen hinweg analysierte (siehe Bild), sind Vorhersagen über marsiane Staub- und Sandstürme nur schwer zu treffen. Mal toben auf dem Nachbarplaneten monatelang Orkane, mal urplötzlich kurze Tornados über die Oberfläche, allesamt zur Freude hochsensibler Elektronik stets mit viel Sand und Staub im Schlepptau.

Aufnahme eines Marssturms. Das Foto stammt vom Mars Reconnaissance Orbiter (2007). Im Oktober 2010 herrschte auf dem Mars die gleiche Jahreszeit wie jetzt (auf dem Roten Planeten). Bild: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Ebenfalls den Missionserfolg jederzeit gefährden könnte die komplexe Navigationssoftware, die speziell für die EDL-Landephase geschrieben wurde und immerhin 510.000 Programmzeilen beinhaltet. Auch sie konnte natürlich zu keinem Zeitpunkt unter realen Bedingungen getestet werden.

Eine Generalprobe erlebte sie genauso wenig wie das gesamte bevorstehende Landemanöver, das fernab der Erde seine Premiere feiert, wo demnächst zahlreiche zum Zuschauen verurteilte, höchst nervöse Wissenschaftler, Ingenieure und Mars-Fans dem Hauptdarsteller Curiosity aus tiefstem Herzen wünschen, dass der Vorhang zum ersten Akt aufgehen möge.

NASA-Video "Seven minutes of terror"

NASA-Video mit William Shatner (Captain Kirk/Star Trek) über das Landemanöver.

Via NASA Television ist die Landung live zu verfolgen (Aug. 5 beginning at 8 p.m. EDT (11 p.m. EDT; 0300 GMT Aug. 6).

Es ist davon auszugehen, dass im Fernsehen auch CNN Europe und BBC über die Landung live berichten.