Rivalität zwischen Behörden als Garant für den Datenschutz?

Seite 2: Rivalität hat schon Freiräume gebracht

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Rivalität zwischen Behörden als Garant für den Datenschutz?

Hans Peter Bull: Ja - solche Rivalität hat schon Freiräume gebracht ... Denn sie wirkt - wenn auch nicht nur zum Guten: In Thüringen konnte der NSU sich aufgrund der Rivalitäten zwischen Polizei und Verfassungsschutz lange Zeit der Strafverfolgung entziehen. Und das ist schon lange so: Bei der RAF-Fahndung hatte der Verfassungsschutz die Top-Terroristen Christian Klar und Adelheid Schulz beobachtet und das BKA wusste nichts - so konnten die beiden zunächst entkommen. Die Rivalitäten zwischen den Behörden wirken, aber natürlich manchmal auch freiheitsfreundlich.

Vorratsdatenspeicherung

Sie wollen dem Missbrauch polizeilicher Datenbanken verhindern, aber Sie sind nicht gegen die Vorratsdatenspeicherung, und zwar, weil erstens nur Metadaten gespeichert würden, und zweitens, weil Gesetze den Bürger gegen eine unberechtigte Herausgabe seiner Daten schützten.

Hans Peter Bull: Sinn und Wirkung der Vorratsdatenspeicherung sind ja die effektive Bekämpfung der Kriminalität. Ob die Vorratsspeicherung bei der Fahndung nach Terroristen tatsächlich nützt, ist umstritten. Dass die französischen Behörden trotz großer Datensammlungen Terrorakte nicht verhindern konnten, ist jedoch kein Gegenargument. Offenbar ist jedenfalls die Ermittlung der Täter in Frankreich schnell gelungen; das wirkt auch präventiv. Der Rückgriff auf Telekommunikations-Verkehrsdaten ist jedenfalls wichtig bei allen Delikten, die mit und im Internet begangen werden, zu Beispiel Kinderpornografie.

Es grenzt an Hysterie zu glauben, dass Vorratsdatenspeicherung eine allgemeine Volksüberwachung sei. Sie ist ja jetzt auch gesetzlich abgeschlankt worden auf zehn Tage bis vier Wochen, und wenn es keinen Verdacht gibt, werden die Daten gelöscht. Dass Vorratsdaten missbraucht werden, ist ziemlich unwahrscheinlich und durch nichts begründet: Die Telekommunikationsunternehmen haben kein Interesse daran, ihre Kunden an die Polizei auszuliefern, sondern daran, dass Daten schnell gelöscht werden.

"Durchgeregelt, perfektionistisch - und lebensfremd"

Wie sollte man Ihrer Ansicht nach den Datenschutz regeln?

Hans Peter Bull: Die Herausforderung besteht darin, auf das tatsächlich ermittelte und prognostizierte Risiko von Datenmissbrauch einzugehen, und nicht alle gespeicherten Daten einer Rechtfertigungspflicht zu unterwerfen. Die Risikobewertung kommt im geltenden Recht zu kurz, alles wird über einen Kamm geschoren, das geht zu Lasten der Kommunikationsfreiheit.

Was meinen Sie damit?

Hans Peter Bull: Eigentlich müsste man sich nach geltendem Datenschutzrecht bei jeder Email rechtfertigen, wenn man auch etwas über einen Dritten schreibt.

Also, wenn Ihnen dieses Interview nicht gefällt, beschweren Sie sich nicht beim Chefredakteur, sondern beim Datenschutzbeauftragten?

Hans Peter Bull: Ja ... Das wäre natürlich grotesk, weil Leute wie ich im Allgemeinen ja Interesse daran haben, dass ihre Ansichten zur Kenntnis genommen werden. Dafür schreibt man ja ... Aber wenn jemand über einen Dritten schreibt und das nicht durch Einwilligung oder eine Rechtsvorschrift gerechtfertigt ist (§ 4 BDSG), dann könnten die Datenschutzbehörden ein hochnotpeinliches Verfahren anstrengen. Das tun sie natürlich nicht. Aber sie könnten, und diese Rechtfertigungspflicht ist ein Mangel des gegenwärtigen Datenschutzgesetzes.

Wie sollte es denn sein?

Hans Peter Bull: Wie in anderen Rechtsordnungen. Bei einer Beleidigung etwa wird man nachträglich zur Rechenschaft gezogen. Nur beim Datenschutzrecht muss im Grunde im Voraus geprüft werden, was ich über Dritte sage: Das ist ein Verbot mit Erlaubnis-Vorbehalt, ein Omnibus-Anspruch. Im Internetzeitalter anachronistisch: durchgeregelt, perfektionistisch - und lebensfremd.

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