Römisches Reich: Als Blei den IQ der Europäer senkte

Römische Silbermünzen

Bei der Verhüttung von Silber, das zum Prägen von Münzen benötigt wurde, wurden enorme Bleimengen freigesetzt.

(Bild: mojahata / Shutterstock.com)

Neue Studie zeigt: Bleiverschmutzung durch Bergbau und Verhüttung im Römischen Reich könnte IQ der europäischen Bevölkerung um bis zu 3 Punkte gesenkt haben.

Das Römische Reich gilt als Hochzeit der antiken Zivilisation. In seiner Zeit vollbrachten die Menschen zahlreiche technische Meisterleistungen. Doch Fortschritt hatte seinen Preis, wie schon Friedrich Engels in der Dialektik der Natur feststellte. Er schrieb:

Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns.

Im Falle der Römer hatte dies etwa mit der Verarbeitung von Blei zu tun, wie ein internationales Forscherteam unter Leitung von Joe McConnell vom Desert Research Institute in den USA jetzt herausfand. Damals verpesteten giftige Bleipartikel die Luft, das Wasser und sogar den Himmel. Die Folge war ein Rückgang der Intelligenz der damaligen Europäer.

Eisbohrkerne als Zeugen der Vergangenheit

Die Wissenschaftler analysierten für ihre Studie Eisbohrkerne aus der Arktis. Anhand der Luft in den kleinen Bläschen im Eis konnten sie die Zusammensetzung der antiken Luft nachvollziehen. Und so konnte auch die atmosphärische Bleibelastung in der Zeit zwischen 500 v. Chr. und 600 n. Chr. gemessen werden.

"Die Idee, dass wir dies für die Zeit vor 2.000 Jahren [berechnen] können, ist ziemlich neu und aufregend", sagt McConnell, der Hauptautor der Studie, die in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurde.

Bleibelastung stieg während Blütezeit des Römischen Reiches

Während der Blütezeit des Römischen Reiches, der sogenannten Pax Romana, stieg die Bleikonzentration demnach stark an. In den drei Jahrhunderten zwischen 100 v. Chr. und 200 n. Chr. wurde Blei in einem nie dagewesenen Ausmaß abgebaut und geschmolzen, um die griechische und römische Wirtschaft zu stützen.

Verantwortlich dafür war in erster Linie der Silberabbau. Bei der Verhüttung des bleihaltigen Minerals Galenit wurden pro Unze Silber tausende Unzen Blei freigesetzt, und von denen gelangte ein Großteil in die Atmosphäre. Die Forscher schätzen, dass während der Pax Romana mehr als 500 Kilotonnen Blei in die Luft gelangten.

Doch nicht nur die Luft war verseucht. Bleirohre und Bleigefäße brachten giftige Partikel auch direkt in den Mund der römischen Elite und der städtischen Bevölkerung. "Alle Europäer, ihr Vieh und ihre landwirtschaftlichen Felder waren jahrhundertelang einer Hintergrundbelastung durch atmosphärisches Blei ausgesetzt", schreiben die Forscher.

Schon geringe Bleimengen können Intelligenz senken

Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass bereits bei Kindern ein Bleigehalt im Blut von 3,5 Mikrogramm pro Deziliter mit verminderter Intelligenz und Lernschwierigkeiten im späteren Leben in Verbindung steht. Die Forscher berechneten, dass ein im Römischen Reich geborenes Kind im Durchschnitt etwa dreimal so viel Blei im Blut hatte wie Kinder in den USA heute.

Anhand moderner Belege für Bleiverschmutzung und ihre gesundheitlichen Auswirkungen schätzen die Wissenschaftler, dass die Bleiexposition im römischen Goldenen Zeitalter einen bevölkerungsweiten Rückgang des IQs um etwa 2,5 bis drei Punkte pro Person verursacht haben könnte. Und das galt für den größten Teil des Römischen Reiches, einschließlich seiner Provinzen Gallien, Nordwestafrika, Iberien und Britannien.

"Ein Rückgang des IQs um zwei bis drei Punkte klingt nicht nach viel, aber wenn man das auf praktisch die gesamte europäische Bevölkerung anwendet, ist das eine ziemlich große Sache", sagt der Co-Autor der Studie, Nathan Chellman.

Bleiverschmutzung beeinträchtigt Gesundheit seit Jahrtausenden

Obwohl die Bleibelastung der Arktis in den frühen 1970er Jahren bis zu 40-mal höher war als zur Römerzeit, zeigt die Studie, wie "der Mensch seit Tausenden von Jahren durch industrielle Aktivitäten seine Gesundheit beeinträchtigt", sagt McConnell.

Die Erkenntnisse werfen auch ein neues Licht auf den Niedergang des Römischen Reiches. Möglicherweise trug die chronische Bleivergiftung dazu bei, dass die einst so mächtige Zivilisation allmählich verfiel. Ein Umstand, der uns auch heute noch zu denken geben sollte.