"Rogun ist die leuchtende Zukunft Tadschikistans"

Tadschikistans Hauptstadt Duschanbe: Palast der Nationen und zweithöchster Fahnenmast der Welt. Bild: Rjruiziii/CC BY-SA 3.0

Ein lange geplantes Talsperren-Vorhaben in einer geopolitisch interessanten Region: Tadschikistan soll wieder Teil der Seidenstraße werden

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Der usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew hat bei einem Besuch in Tadschikistan am 9. März 2018 bekanntgegeben, nicht länger gegen ein großes Wasserkraftprojekt des Nachbarn zu sein, das bisher vor allem als ein Grund von Spannungen zwischen den beiden Ländern galt.

Bei der ersten offiziellen Visite eines usbekischen Präsidenten seit 18 Jahren sagte Mirsijojew seinem tadschikischen Amtskollegen Emomali Rachmon, dass Usbekistan nun vielmehr bereit sei, sich auf breiter Front im tadschikischen Wasserkraftsektor zu engagieren.

Damit ist vor allem der umstrittene Rogun-Staudamm gemeint, der rund 100 km nordöstlich der Hauptstadt oberhalb des Nurek-Staudamms den Fluss Wachsch in einer weiteren Stufe anstauen soll, einen Nebenfluss des Amudarja. Die Planungen gehen auf die 1950er Jahre zurück. Der Bau war 1976 als sowjetisches Projekt begonnen und 1991 mit der Unabhängigkeit Tadschikistans aufgegeben worden.

Emomali Rachmon. Bild: Kreml/CC BY-SA-4.0

Der Traum von der Nutzung des Wachsch zur Bewässerung und Energiegewinnung ist ein alter, wie Egon Erwin Kisch in "Asien gründlich verändert" bereits beschreibt. Energie aus Wasserkraft ist auch heute für das arme Tadschikistan von zentraler Dringlichkeit: 70% der Tadschiken sehen sich wenigstens teilweise im Jahr mit Stromausfällen konfrontiert.

Die kostenlosen sowjetischen Kohle- und Stromlieferungen in die bergigen Regionen des Landes kamen mit dem Ende der UdSSR zum Erliegen. Tadschikistan ist heute zum größten Teil von Gaslieferungen aus Usbekistan abhängig und verfügt bis auf Ausnahmen momentan kaum über erschlossene Vorkommen anderer Energieträger. Die nach der Unabhängigkeit einsetzende Abholzung tadschikischer Wälder führte zu ausgedehnten Entwaldungen, die nun nur mühsam rückgängig gemacht werden können.

Die Pläne für Rogun wurden nach dem Bürgerkrieg von 1992-1997 wieder aus der Schublade geholt. Der russische Aluminiumgigant RusAl wollte 2004 in das Projekt einsteigen und den größten Teil der Baukosten übernehmen. Das Unternehmen versprach sich günstigen Strom, der den Bau einer weiteren Aluminiumhütte in Tadschikistan gerechtfertigt hätte. Doch es kam zu keiner Einigung, Rachmon schickte RusAl wieder nach Hause. Stattdessen wurden große Teile der Bevölkerung zum Kauf von Rogun-Anleihen genötigt - eine Kampagne, die ihre eigene Musik mitbrachte.

Verlauf von Wachsch, Surchob und Kysylsuu in Tadschikistan. Bild: gemeinfrei

Die Bauarbeiten wurden Ende Oktober 2016 wieder aufgenommen, mit Rachmon höchstpersönlich im Führerstand einer Planierraupe. Nach optimistischen Schätzungen könnten die Tadschiken bereits Ende 2018 mit der Stromerzeugung beginnen. Nach Fertigstellung soll die Talsperre mit 335 Meter die höchste der Welt sein. Das dazugehörige Wasserkraftwerk ist für eine Leistung von 3600 MW konzipiert. Jährlich sollen dann 13.1 TWh bereitgestellt werden können.

Außerhalb Tadschikistans fragen Beobachter, ob sich Rachmon mit dem Projekt nicht übernimmt und ob die mit dem Bau verbundenen Risiken nicht zu hoch sind. Das Land allein kann das Vorhaben nicht umsetzen, nach der Flucht der russischstämmigen Bevölkerung im Bürgerkrieg wird nun die anhaltende Abwanderung qualifizierter Fachkräfte zunehmend zum Problem.

Das italienische Unternehmen Salini Impregilo wurde mittlerweile mit dem Bau betraut, der 4 Milliarden US-Dollar kosten soll. Wo das Geld herkommt, bleibt nebulös - von der Weltbank offensichtlich nicht. Nach Investitionen im Straßenbau des Landes sind auch hier die Chinesen im Gespräch.

Das weiße Gold

Im flussabwärts liegenden Usbekistan dominierten bisher Bedenken, dass das Stauwerk die Wasserversorgung für den Baumwollanbau stören könnte. Das "weiße Gold" ist nach wie vor das wichtigste Agrarerzeugnis Usbekistans.

Die Menge des vom Amudarja und Syrdarja zur dafür nötigen Bewässerung abgezweigten Wassers wurde zwischen 1960 und 2000 verdoppelt, mit verheerenden Folgen für den Aralsee und die ihn umgebenden Ökosysteme. Kritiker haben angemerkt, dass die Untätigkeit der usbekischen Regierung System hat: Sie warte seelenruhig auf die Verlandung des Sees, um mit der Förderung des darunter liegenden Erdöls und Erdgases beginnen zu können.

Doch auch in Tadschikistan warten Probleme auf ihre Lösung, vor allem finanzieller Natur. Zum Beispiel beim geplanten Export des dann vom Rogun-Damm erzeugten Stroms: Für den Bau neuer Stromtrassen nach Südasien wurde eine Milliarde US-Dollar an Baukosten veranschlagt. Ein noch größeres Problem betrifft auch andere zentralasiatische Staaten. Alte Anlagen zu Stromgewinnung und dessen Transport müssen modernisiert werden, denn sie stammen meist aus der Zeit, in der diese Länder noch Sowjetrepubliken waren, geschätzter Investitionsbedarf in der Region bis 2022: 36 Milliarden US-Dollar.

Ein Beispiel dafür ist der Nurek-Staudamm, der zur Zeit 70% des tadschikischen Stroms liefert. Er bedarf einer dringenden Wartung. Allein die Entfernung von abgelagerten Sedimenten aus dem Staubecken und die Überholung des in die Jahre gekommenen Kraftwerks schlagen mit einer Milliarde US-Dollar zu Buche.

Mit dem Bau von Rogun ist noch eine weitere Facette verbunden: Sollte das Projekt wie geplant umgesetzt werden, wird eine Zwangsumsiedlung von 42.000 Anwohnern notwendig.