Rückblicke auf die Welt vor dem Ukrainekrieg
Seite 4: Unschlagbar: der realistische US-Sachverstand
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Und das Ganze war auch in diesem Sinne von Anfang an zielstrebig angelegt, wie es Brzezińskis Studie aus der Jelzin-Ära deutlich macht. Amerika müsse "als unbedingt erforderliche Linie seiner Strategie gegenüber Russland" die Neuorientierung der osteuropäischen Staatenwelt nach Westen unterstützen, "um damit allen imperialen Bestrebungen den Boden zu entziehen" – soweit sie von Russland ausgehen und die US-Suprematie auf dem Globus (wieder) in Frage stellen; "das sollte keineswegs von einem guten Verhältnis zu Russland abhängig gemacht werden", ergänzte Brzeziński, um dann das Fazit der strategischen Zuspitzung zu ziehen: "Die Konsolidierung einer souveränen Ukraine, die sich inzwischen als mitteleuropäischer Staat versteht und sich an einer engeren Integration mit Mitteleuropa beteiligt, ist eine ganz wesentliche Komponente einer solchen Politik".8
Uns so heißt es bei Wikipedia: "Brzeziński wird zur realistischen Schule der Internationalen Politik gerechnet." In der Tat, das ist Realismus at its best.
Schon vor einem Vierteljahrhundert wusste der Mann: "Am wichtigsten allerdings ist die Ukraine", wenn es um die Neuorientierung der osteuropäischen Staaten hin zu EU und Nato geht. Und auch seine Vorhersagen waren ziemlich korrekt. Es brauche noch seine Zeit, aber der Westen könne – während er seine Sicherheits- und Wirtschaftskontakte mit Kiew ausbaue – "schon jetzt das Jahrzehnt zwischen 2005 und 2015 als Zeitrahmen für eine sukzessive Eingliederung ins Auge fassen."
Sogar die nach dem prowestlichen Putsch zu erwartende Zuspitzung im Verhältnis zu Russland hatte Brzeziński im Blick: Die begonnene Nato-Osterweiterung müsse das russische Regime unter Jelzin schlucken, "im Gegensatz dazu wird es Russland unvergleichlich schwerer fallen, sich mit einem NATO-Beitritt der Ukraine abzufinden..."
Es ist eben der Realismus einer Wissenschaft, die sich ganz in den Dienst der nationalen Sache stellt. Ein Vorbild dürfte das auch für den hiesigen Betrieb sein, wo ja die Ansage von Scholz, Habeck, Baerbock u.a. gilt, dass Deutschland nicht länger einem Friedensidealismus huldigen kann, sondern sich den Realitäten zu stellen hat. Und Realität ist das, was die maßgeblichen Mächte als Herrschaftsanspruch und Problemdefinition in die Welt setzen.
Angesicht dieser seit einem Vierteljahrhundert von Experten bekannt gemachten Lage ist es schon beachtlich, wenn man, wie der CDU-Mann Norbert Röttgen, von den aktuellen Ereignissen "völlig überrascht" wird – oder es vorgibt.