Ruft Biden den Klimanotstand aus?

Seite 2: Debatten um die Wiederbelebung von Braunkohle und Atomkraft

In Deutschland ist die energiepolitische Debatte zurzeit auf das Thema einer sicheren Gasversorgung im Angesicht des Ukraine-Krieges fokussiert, die Klimakrise gerät dabei auch bei den Regierungspolitiker:innen der Grünen ins Hintertreffen. Dabei zeigt der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig auch für Deutschland, dass in weiten Landesteilen in den oberen Bodenschichten kein pflanzenverfügbares Wasser mehr vorhanden ist und fast im gesamten Bundesgebiet bis in 1,8 Meter Bodentiefe ungewöhnliche Trockenheit bis außergewöhnliche Dürre herrscht. Neben einer sicheren Energieversorgung wäre es also angezeigt über eine sichere Wasserversorgung in der Zukunft zu reden.

Seit dem 21. Juli fließt nun nach den Wartungsarbeiten wieder Gas durch die Pipeline Nordstream 1, wenn auch immer noch in reduzierter Menge. Der Gasstrom lag bei einer Auslastung von 40 Prozent und damit auf demselben Niveau wie vor den Wartungsarbeiten, wie die Tagesschau berichtet.

Mit einem neuen "Energiesicherungspaket" möchte die Bundesregierung die Energieversorgung für den Winter sicherstellen. Dazu zählt die Vorgabe, dass die Gasspeicher bis zum 1. November zu 95 Prozent aufgefüllt sein sollen und nicht bloß zu 90 Prozent, wie zuvor vorgesehen. Neben Steinkohlekraftwerken sollen zum 1. Oktober nun auch Braunkohlekraftwerke aus der Kraftwerksreserve reaktiviert werden, um Erdgas für Heizzwecke aufzusparen.

In öffentlichen Gebäuden sollen Flure und Hallen nicht mehr beheizt werden, im Privatbereich sollen Mieter:innen davon entbunden werden, Räume auf eine Mindesttemperatur heizen zu müssen. Außerdem soll es verboten werden, Pools in Privathäusern mit Erdgas zu beheizen. Wie das umsetzbar sein soll, bleibt allerdings offen. Sollen etwa Kontrolleur:innen im Winter die Temperatur von Swimmingpools in Privatvillen überprüfen?

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die zu reaktivierenden Braunkohlekraftwerke. Dazu zählen die Blöcke E und F des Kraftwerks Jänschwalde in Brandenburg, die gar nicht mehr den aktuellen, 2021 verschärften, Immissionsschutzauflagen genügen. Die beiden Blöcke befinden sich in Sicherheitsbereitschaft, Block F hätte eigentlich zum 1. Oktober dieses Jahres endgültig stillgelegt werden sollen.

Kraftwerksbetreiber LEAG sowie die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt forderten am 8. Juli Ausnahmeregelungen für die Wiederinbetriebnahme alter Kraftwerke. Eine Nachrüstung, um dem aktuellen Immissionsschutz zu genügen, sei bis zum Winter nicht machbar, argumentieren sie. In einem Kommentar auf Klimareporter.de fragt Jörg Staude zu Recht, wofür die Kraftwerksbetreiber mit der Sicherheitsbereitschaft eigentlich bezahlt würden, wenn sie ihre Kraftwerke nicht – auch aktuellen Immissionschutzauflagen entsprechend – bereit hielten.

Und das ist nicht die einzige Frage, die sich stellt. Das Wiederanfahren von Jänschwalde wäre auch mit zusätzlichem Kühlwasserbedarf verbunden, in einer Region, die ohnehin unter Wassermangel leidet. Es wäre insbesondere dann kritisch, wenn die Blöcke über das Sommerhalbjahr 2023 weiter laufen würden.

Als wenn das alles noch nicht rückwärtsgewandt genug wäre, können immer mehr Politiker:innen einer Laufzeitverlängerung der letzten noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke etwas abgewinnen. Längere Laufzeiten wurden zuerst von Seiten der oppositionellen CDU/CSU und hier insbesondere von Markus Söder, der Bayern sonst vor Endlagern für Atommüll schützen will, sowie des Koalitionspartners FDP gefordert. Doch auch bei den Grünen gibt es mittlerweile ein Einknicken.

So haben sich die Grünen im Münchner Stadtrat gemeinsam mit der SPD dafür ausgesprochen, das Kraftwerk Isar 2 bis zu einem halben Jahr länger laufen zu lassen. Die Genehmigungen für die Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland enden am 31. Dezember 2022. Isar 2 ließe sich mit den jetzigen Brennstäben noch ein halbes Jahr länger betreiben. Bei den anderen Kraftwerken stünde ein Wechsel von Brennstäben an und in allen drei Kraftwerken neue Sicherheitsprüfungen.

Zur Unabhängigkeit von Russland würde die Beschaffung neuer Brennstäbe nicht gerade führen, ein Fünftel des in Europa verwendeten Urans stammt von dort, ein weiteres Fünftel aus Kasachstan. Und für die Versorgungssicherheit mit Atomstrom lohnt sich immer wieder ein Blick nach Frankreich. Dort ist nämlich rund die Hälfte der Meiler wegen technischer Probleme oder wegen Kühlwassermangel aufgrund der Hitzewelle abgeschaltet. Mit der Klimaerwärmung ist auch in zukünftigen Jahren mit Ausfällen im Sommer zu rechnen, die Atomenergie zeigt sich wenig klimakrisenfest.