Ruft Biden den Klimanotstand aus?

US-Präsident Joe Biden wird aus der eigenen Partei aufgefordert, den Klimanotstand auszurufen, um am Kongress vorbei, Klimaschutzmaßnahmen ergreifen zu können. Bild: Werner Slocum / CC BY-NC-ND 2.0

Energie und Klima – kompakt: Waldbrände und Dürre allerorten, Blockade im US-Kongress und Kohle- und Atomdebatten in Deutschland.

Der Planet ächzt unter Hitze und Dürre und Bränden und es ist kein Ende in Sicht. Zwar hat sich die Hitzewelle in Europa weiter nach Osten verlagert und Brände etwa an der französischen Atlantikküste konnten eingedämmt werden. Dafür gibt es nun zwei Großbrände in Griechenland auf der Insel Lesbos und im Dadia-Nationalpark im Nordosten des Landes.

Viele Brände schaffen es allerdings auch gar nicht in die Nachrichten. So lässt sich aus dem Europäischen Waldbrandinformationssystem EFFIS ablesen, dass die Länder Bulgarien, Kroatien, Zypern, Rumänien, Slowenien und Spanien im laufenden Jahr besonders hohe Anteile von Bränden zerstörter Flächen aufweisen. Von den Nicht-EU-Ländern waren bislang insbesondere Bosnien und Herzegowina sowie die Ukraine von besonders großen Verlusten betroffen.

Im seit Jahren von extremer Dürre geplagten Kalifornien ist am Freitag ein Waldbrand in der Nähe des Yosemite-Nationalparks ausgebrochen, der sich bis zum Montag auf 63 Quadratkilometer ausgedehnt hatte und noch nicht unter Kontrolle war. Tausende Menschen sind evakuiert worden; dass es nicht mehr sind, liegt daran, dass die Region nur dünn besiedelt ist.

Derweil darf weiter spekuliert werden, ob US-Präsident Joe Biden den Klimanotstand ausrufen wird oder nicht. Am Mittwoch hatte der Präsident Maßnahmen angekündigt, "um den Notstand zu bekämpfen". Das Ausrufen des Klimanotstands würde dem Präsidenten ermöglichen, Maßnahmen auch ohne die Zustimmung des Kongresses in die Wege zu leiten. Im Kongress blockiert der demokratische Senator und Kohleunternehmer Joe Manchin klimapolitische Gesetzesvorhaben wie die weitere Minderung von Treibhausgasemissionen oder Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Unter einem Klimanotstand könnten Öl- und Gasbohrungen auf öffentlichen Flächen unterbunden, Ölexporte gestoppt und die heimische Herstellung von grünen Technologien angekurbelt werden, schreibt die Greenpeace-Campaignerin Anusha Narayanan. Eine Reihe von demokratischen Senator:innen fordert Biden in einem offenen Brief vom 20. Juli auf, den Klimanotstand auszurufen, um sofort eine Reihe von Maßnahmen zur Emissionsreduktion, zum Gesundheitsschutz und für die Reinhaltung von Luft und Wasser ergreifen zu können. Weiterhin erklären sie, dass sie das Instrument des Notstands und damit die Umgehung des Kongresses nicht leichtfertig befürworten, vor allem, da Ex-Präsident Trump das Instrument des Notstands missbräuchlich eingesetzt hätte, um die Mauer zu Mexiko zu bauen.

Die Senator:innen fordern Regeln, um den Ausstoß von CO2, Methan und anderen Treibhausgasen und Luftschadstoffen zu reduzieren und dessen soziale Kosten einzukalkulieren. Sie fordern eine Elektrifizierung des öffentlichen und privaten Verkehrs und die Reduktion der Treibhausgasemissionen des Militärs, das den größten Emittenten der USA darstellt. Und schließlich solle das Justizministerium Ermittlungen gegen die fossile Industrie einleiten, da diese Jahrzehnte lang über ihre Produkte gelogen habe und die fossile Industrie ähnlich wie die Tabakindustrie zur Rechenschaft ziehen.

Bislang gibt es keine abschließende Äußerung Bidens zum Thema Klimanotstand. In der vergangenen Woche hat er lediglich 2,3 Milliarden Dollar für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel angekündigt.

Im südlich an die USA grenzenden Mexiko wurde derweil in elf Bundesstaaten der Dürrenotstand ausgerufen. Rund 70 Prozent der Landesfläche ist von der Dürre betroffen. Mit dem Notstand kann vorübergehend in die industrielle und landwirtschaftliche Wassernutzung eingegriffen werden.

Debatten um die Wiederbelebung von Braunkohle und Atomkraft

In Deutschland ist die energiepolitische Debatte zurzeit auf das Thema einer sicheren Gasversorgung im Angesicht des Ukraine-Krieges fokussiert, die Klimakrise gerät dabei auch bei den Regierungspolitiker:innen der Grünen ins Hintertreffen. Dabei zeigt der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig auch für Deutschland, dass in weiten Landesteilen in den oberen Bodenschichten kein pflanzenverfügbares Wasser mehr vorhanden ist und fast im gesamten Bundesgebiet bis in 1,8 Meter Bodentiefe ungewöhnliche Trockenheit bis außergewöhnliche Dürre herrscht. Neben einer sicheren Energieversorgung wäre es also angezeigt über eine sichere Wasserversorgung in der Zukunft zu reden.

Seit dem 21. Juli fließt nun nach den Wartungsarbeiten wieder Gas durch die Pipeline Nordstream 1, wenn auch immer noch in reduzierter Menge. Der Gasstrom lag bei einer Auslastung von 40 Prozent und damit auf demselben Niveau wie vor den Wartungsarbeiten, wie die Tagesschau berichtet.

Mit einem neuen "Energiesicherungspaket" möchte die Bundesregierung die Energieversorgung für den Winter sicherstellen. Dazu zählt die Vorgabe, dass die Gasspeicher bis zum 1. November zu 95 Prozent aufgefüllt sein sollen und nicht bloß zu 90 Prozent, wie zuvor vorgesehen. Neben Steinkohlekraftwerken sollen zum 1. Oktober nun auch Braunkohlekraftwerke aus der Kraftwerksreserve reaktiviert werden, um Erdgas für Heizzwecke aufzusparen.

In öffentlichen Gebäuden sollen Flure und Hallen nicht mehr beheizt werden, im Privatbereich sollen Mieter:innen davon entbunden werden, Räume auf eine Mindesttemperatur heizen zu müssen. Außerdem soll es verboten werden, Pools in Privathäusern mit Erdgas zu beheizen. Wie das umsetzbar sein soll, bleibt allerdings offen. Sollen etwa Kontrolleur:innen im Winter die Temperatur von Swimmingpools in Privatvillen überprüfen?

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die zu reaktivierenden Braunkohlekraftwerke. Dazu zählen die Blöcke E und F des Kraftwerks Jänschwalde in Brandenburg, die gar nicht mehr den aktuellen, 2021 verschärften, Immissionsschutzauflagen genügen. Die beiden Blöcke befinden sich in Sicherheitsbereitschaft, Block F hätte eigentlich zum 1. Oktober dieses Jahres endgültig stillgelegt werden sollen.

Kraftwerksbetreiber LEAG sowie die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt forderten am 8. Juli Ausnahmeregelungen für die Wiederinbetriebnahme alter Kraftwerke. Eine Nachrüstung, um dem aktuellen Immissionsschutz zu genügen, sei bis zum Winter nicht machbar, argumentieren sie. In einem Kommentar auf Klimareporter.de fragt Jörg Staude zu Recht, wofür die Kraftwerksbetreiber mit der Sicherheitsbereitschaft eigentlich bezahlt würden, wenn sie ihre Kraftwerke nicht – auch aktuellen Immissionschutzauflagen entsprechend – bereit hielten.

Und das ist nicht die einzige Frage, die sich stellt. Das Wiederanfahren von Jänschwalde wäre auch mit zusätzlichem Kühlwasserbedarf verbunden, in einer Region, die ohnehin unter Wassermangel leidet. Es wäre insbesondere dann kritisch, wenn die Blöcke über das Sommerhalbjahr 2023 weiter laufen würden.

Als wenn das alles noch nicht rückwärtsgewandt genug wäre, können immer mehr Politiker:innen einer Laufzeitverlängerung der letzten noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke etwas abgewinnen. Längere Laufzeiten wurden zuerst von Seiten der oppositionellen CDU/CSU und hier insbesondere von Markus Söder, der Bayern sonst vor Endlagern für Atommüll schützen will, sowie des Koalitionspartners FDP gefordert. Doch auch bei den Grünen gibt es mittlerweile ein Einknicken.

So haben sich die Grünen im Münchner Stadtrat gemeinsam mit der SPD dafür ausgesprochen, das Kraftwerk Isar 2 bis zu einem halben Jahr länger laufen zu lassen. Die Genehmigungen für die Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland enden am 31. Dezember 2022. Isar 2 ließe sich mit den jetzigen Brennstäben noch ein halbes Jahr länger betreiben. Bei den anderen Kraftwerken stünde ein Wechsel von Brennstäben an und in allen drei Kraftwerken neue Sicherheitsprüfungen.

Zur Unabhängigkeit von Russland würde die Beschaffung neuer Brennstäbe nicht gerade führen, ein Fünftel des in Europa verwendeten Urans stammt von dort, ein weiteres Fünftel aus Kasachstan. Und für die Versorgungssicherheit mit Atomstrom lohnt sich immer wieder ein Blick nach Frankreich. Dort ist nämlich rund die Hälfte der Meiler wegen technischer Probleme oder wegen Kühlwassermangel aufgrund der Hitzewelle abgeschaltet. Mit der Klimaerwärmung ist auch in zukünftigen Jahren mit Ausfällen im Sommer zu rechnen, die Atomenergie zeigt sich wenig klimakrisenfest.

Wachsende Klimarisiken in Lateinamerika

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf den südamerikanischen Kontinent. Soeben ist der Klimazustandsbericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) für Lateinamerika und die Karibik 2021 erschienen. Besondere Probleme in der Region verursacht der starke Gletscherverlust in den Anden. Seit den 1980er Jahren haben die Gletscher dort 30 Prozent ihrer Masse verloren. Mit ihnen verschwindet aber auch die Wasserversorgung für die Bevölkerung und die Ökosysteme in den Anden.

An den Küsten sind die Menschen hingegen mit einem Zuviel an Wasser konfrontiert. Der steigende Meeresspiegel bedroht Küstengemeinden und die dortigen Süßwasserreserven. Die Atlantikküste erlebte im letzten Jahr eine ausgeprägte Hurrikan-Saison mit 21 benannten Tropenstürmen, davon sieben Hurrikans. Besonders in den brasilianischen Bundesstaaten Bahia und Minas Gerais lösten starke Regenfälle Überschwemmungen und Erdrutsche aus, bei denen hunderte von Menschen starben und tausende ihre Häuser verloren. Die Schadenshöhe wird auf 3,1 Milliarden Dollar geschätzt.

Auf der anderen Seite herrscht in Teilen des Kontinents Dürre. Im oben schon erwähnten Mexiko war bereits 2021 mehr als die Hälfte der Landesfläche von schwerer bis außergewöhnlicher Dürre betroffen.

Weiter im Süden des Kontinents hält die "zentralchilenische Mega-Dürre" bereits seit 13 Jahren an und ist die längste und schwerste Dürre in 1.000 Jahren. Auch im Paraná-La Plata-Becken herrscht seit Jahren Dürre. Das Gebiet liegt zwischen Brasilien, Bolivien und Paraguay, dort befindet sich auch das Pantanal, das größte Binnenfeuchtgebiet der Erde. 2020 wie auch 2021 brannten große Teile des Pantanal ab, nach einer wissenschaftlichen Erhebung fielen den Bränden 2020 17 Millionen Wirbeltiere zum Opfer.

Waldbrände gab es in allen südamerikanischen Ländern, mit über 184.000 registrierten Bränden die meisten davon in Brasilien. Dazu wird angemerkt:

Waldbrände mit natürlichen Ursachen sind selten in Brasilien, die meisten Feuerausbrüche hängen mit menschlichen Aktivitäten wie Entwaldung und der Pflege von Weiden zusammen.

Der Bericht betont, dass der Kontinent bessere Frühwarnsysteme für verschiedene Klimarisiken benötigt. So forderten die Überschwemmungen in Brasilien 2021 weniger Todesopfer als noch im Vorjahr trotz größerer Niederschlagsmengen. Denn diesmal wurden vorher Warnungen ausgegeben. Doch auch wenn Menschenleben besser geschützt werden können, die soziale Entwicklung wird durch den Klimawandel in Frage gestellt.

Der sich verschärfende Klimawandel und die sich verstärkenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben nicht nur die biologische Vielfalt in der Region beeinträchtigt, sondern auch jahrzehntelange Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut, Ernährungsunsicherheit und der Verringerung der Ungleichheit in der Region zum Stillstand gebracht,

sagte Dr. Mario Cimoli von der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) bei der Vorstellung des Berichts.