Run auf Privatbunker: Illusion des Schutzes

Familie in ihrem unterirdischen Fallout-Bunker Anfang der 1960er-Jahre. Bild: Pictorial Parade/Getty Images

Wer sich angesichts der Spannungen zwischen Nato und Russland einen Schutzraum zulegt, gibt sich einer gefährlichen Illusion hin. Im Ernstfall sind die Anlagen letztlich nutzlos

Atombunker haben Konjunktur. Das ist nicht neu: Schon vor Jahren verbreitete sich das Gerücht, dass es unter Superreichen einen solchen Trend gebe. Nun, da das Thema Atomkrieg auf erschreckende Weise aktuell geworden ist, rückt die Frage des Zivilschutzes vermehrt in den Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit.

Helmut Lohrer ist Allgemeinmediziner in Villingen. Er war Mitbegründer der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican), die 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, und ist Vorstandsmitglied sowie International Councellor der IPPNW. Bild: IPPNW Deutschland

Vergangene Woche wurde ich von einer Journalistin, die an einem Artikel über den aktuellen Boom beim Bau von privaten Schutzbunkern arbeitete, mit folgenden Fragen konfrontiert:

1. Würden private Bunker im Falle eines Atomkriegs das Überleben ermöglichen?

2. Halten Sie es dementsprechend für sinnvoll sich privat einen Bunker, der vollausgestattet ist und bei einem Atomkrieg schützen soll (unter der Erde, Luftfilter, Strom- /Wasserversorgung) zu kaufen?

Meine Antwort begann mit einer Rückfrage:

"Was meinen Sie mit überleben?"

Auf die Frage, ob der Aufenthalt in einem Bunker das unmittelbare Überleben eines Atombombenabwurfs ermöglichen kann, ist die Antwort: Ja, unter bestimmten Umständen. Es kommt in erster Linie darauf an, in welchem Abstand zum Bodennullpunkt oder Ground Zero man sich befindet.

In einem Bereich um den Explosionsort, je nach Größe der Bombe mehrere hundert Meter bis ein paar Kilometer im Durchmesser, wird alles zerstört, da hilft auch kein Bunker.

Wenn die Detonation in Bodennähe erfolgt, wird in diesem Bereich bei Temperaturen über der Kerntemperatur der Sonne alles buchstäblich verdampfen.

Erfolgt die Detonation in zwei bis drei Kilometer Höhe, wird die Druckwelle in einem Umkreis von mehreren Kilometern keinen Stein auf dem anderen lassen, auch Betonbauten werden nicht standhalten. Die Intensität der radioaktiven Strahlung kann, je nach eingesetzter Bombe, so hoch sein, dass selbst hinter Betonmauern tödliche Dosen erreicht werden. Je nach aufgenommener Strahlendosis werden die Betroffenen nach Tagen oder Wochen einen qualvollen Tod erleiden.

Durch die umfassenden Zerstörungen und die gleichzeitig auftretende Wärmestrahlung wird es zu ausgedehnten Bränden kommen, die insbesondere in Städten Feuerstürme und enorme Hitzeentwicklung zur Folge haben. Waldgebiete gehen in Flammen auf, die Feuer werden tagelang brennen.

In einer Entfernung von bis über zehn km wird die unmittelbare Exposition zu Verbrennungen dritten Grades führen, bis rund 20 Kilometer Entfernung werden Fensterscheiben zu Bruch gehen.

Je nachdem wie hoch oder niedrig über dem Boden die Detonation erfolgt, wird es weniger oder viel radioaktiven Niederschlag geben, der sich in den Stunden bis Tagen nach der Explosion in Windrichtung niederschlägt.

Infolge der Zerstörung wird die gesamte Infrastruktur zusammenbrechen: Wasser-, Strom- und Gasleitungen werden zerstört. Krankenhäuser, Rettungsdienste und Arztpraxen; Feuerwehren, Behörden und Geschäfte sind ebenso betroffen wie der Rest. Die verbleibenden Verkehrswege sind verstopft, die Massen an Verletzten bleiben weitgehend unversorgt.

Das hier beschriebene Szenario gilt für die Explosion einer einzigen Atombombe. Russland hat derzeit rund 1.600 strategische Atomsprengköpfe einsatzbereit stationiert, auf Nato-Seite sind es ähnlich viele. Bei einem umfassenden Schlagabtausch würden davon viele gleichzeitig zum Einsatz kommen.

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