Russischer Links-Aktivist mit großen Plänen
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Sergej Udalzow will die zerfallene Linke Front wieder aufbauen, die linken Parteien Russland vereinen und ihre Führungen verjüngen
Die Topmeldung war es nicht im russischen Fernsehen. Aber als der russische Links-Aktivist Sergej Udalzow am vergangenen Dienstag aus dem Arbeitslager im 400 Kilometer südöstlich von Moskau gelegenen Bezirk Tambow nach viereinhalb Jahren Haft freigelassen wurde, berichtete der staatliche Fernsehkanal Rossija 24 davon immerhin in einer 23-Sekunden-Meldung.
Sergej Udalzow ist vielen Russen ein Begriff, denn der Koordinator der Linken Front leitete 2012 zusammen mit dem rechts-liberalen Blogger Aleksej Nawalny die Protestbewegung gegen Wahlfälschungen, die es bei den Duma-Wahlen gegeben hatte. Diese Fälschungen waren aber nach Meinung von Beobachtern für den Sieg der Regierungspartei Einiges Russland gar nicht nötig.
Auf einer Demonstration der Protestbewegung am 6. Mai 2012 war es zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Die Opposition erklärte damals, die Polizei habe den Zugang zum Bolotnaja-Platz, auf dem eine Kundgebung stattfinden sollte, künstlich verengt. 400 Demonstranten wurden verhaftet, gegen 34 Personen Strafverfahren eingeleitet. 16 Demonstrationsteilnehmer bekamen Haftstrafen von bis zu vier Jahren.
Der jetzt freigelassene Udalzow wurde wegen Anzetteln von Massenunruhen zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. In einem NTW-Fernsehfilm wurde ihm vorgeworfen, er habe Geld von Georgi Targamadse, dem Leiter des Sicherheitskomitees von Georgien, bekommen, um Unruhen in Russland zu organisieren.
"Ich bleibe Gegner von Putin und den elitären Gruppen"
Auf der ersten Pressekonferenz (Video) nach seiner Freilassung im Gebäude der Nachrichtenagentur Rosbalt in Moskau gab sich Udalzow so kämpferisch, wie man ihn kennt. Er erklärte mit der gewohnten, kräftigen Stimme, er stehe in Opposition zu Putin, der Regierung und den elitären Gruppen, welche Russland lenken.
Das Ziel der russischen Regierung, die Importe durch eigene Produktionen zu ersetzen und den technischen Fortschritt in Russland zu verstärken, sei nicht möglich "ohne die Massen zu mobilisieren". Das sei wiederum nur möglich, wenn die Politik des Staates "sozial orientiert" ist. Doch in den vergangenen vier Jahren habe es "keine positive Entwicklung in diese Richtung" gegeben.
Die Wirtschaftspolitik in Russland sei immer noch neoliberal ausgerichtet, "so wie unter Jelzin". Doch diese Wirtschaftspolitik führe Russland in die Sackgasse und erlaube es nicht, dass sich die Wirtschaft entwickelt. Es gäbe keine billigen Kredite.
Udalzow kündigte an, die Linke Front, die in den letzten Jahren faktisch zerfallen ist, wieder aufzubauen. Außerdem will sich der Freigelassene bemühen, die linken parlamentarischen und außerparlamentarischen Parteien Russlands zu einer "dritten Kraft" zu vereinen. Die Chancen dafür ständen gut, denn die soziale Frage habe in Russland schon immer eine große Rolle gespielt und jetzt sei das Interesse an dieser Frage noch größer geworden.
Udalzow schlug für die linken Parteien Primeries (Vorwahlen) vor. Dadurch solle die Führung dieser Parteien erneuert werden. Es gehe darum vor allem fähige, junge Leute für die linken Parteien zu finden, denn die alten Führer hätten die Menschen schon "satt". Wenn die Linke sich jetzt nicht vereinen, drohe ihr der Untergang. Die Nische würde dann von Liberalen, Rechtspopulisten und Nationalisten besetzt.
Boris Kagarlitzky, Leiter des Instituts für Globalisierung und soziale Bewegungen, meinte, der Vorschlag mit den Primeries sei "sehr positiv", doch hätte die außerparlamentarische Linke nicht die Ressourcen, diese Primeries durchzuführen und die Führer von KPRF und Gerechtes Russland würden sich kaum darauf einlassen, da sie dann selbst abtreten müssten.
Die Vorwahlen würden sogar zum Zusammenbruch dieser beider Parteien führen, da sie ihre Fähigkeit zum politischen Kampf schon lange verloren - oder im Falle von Gerechtes Russland - "nie besessen" haben . Kagarlitzky will aber nicht ausschließen, dass Udalzow über die linken Parteien in der Duma etwas weiß, "was die Öffentlichkeit noch nicht weiß".
Im Kreml scheint es neue Überlegungen zum russischen Parteiensystem zu geben. So machte der Vorsitzende der Liberaldemokratischen Partei, Wladimir Schirinowski, kürzlich den überraschenden Vorschlag, in Russland ein Zwei-Parteien-System aufzubauen. Die Regierungspartei Einiges Russland solle sich in Konservative Partei umbenennen, alle anderen Parteien sollten sich in einer neuen Sozialdemokratischen Partei sammeln.
Udalzow erklärte, Anlass zu Optimismus für die Linken in Russland gäbe es auch deshalb, weil es "auf der ganzen Welt" heute den "Wunsch nach einem Wechsel gibt". Das westliche Establishment befinde sich heute "in einer schwierigen Situation". Die herrschende Klasse im Westen versuche konservative Kräfte und Rechtspopulisten für sich einzuspannen, "aber auch die linken Kräfte werden stärker". Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders habe im Vergleich zu der Zeit vor fünf Jahren "eine große Unterstützung bekommen".
Vom französischen Linken Jean-Luc Melenchon sowie von Politikern der deutschen Partei Die Linke und den schwedischen Linkssozilisten habe er selbst während seiner Gefängniszeit Solidaritätserklärungen bekommen. Das habe ihn bestärkt.