Russland: Feindbild, Trugbild, Abbild?

Seite 2: Mit Merkel sank die deutsche Beliebtheit

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Doch die Beliebtheit der Deutschen habe seitdem abgenommen, sagte Pörzgen. Heute herrsche ein eher diffuses Bild vor. Viele Russen wünschten sich mehr kritische Distanz Deutschlands zu den USA und beklagten die häufig moralisch begründete Kritik sowie die Doppelstandards deutscher Medien und Politiker.

Abgekühlt sei das Verhältnis mit der Regierungsübernahme 2005 durch die schwarz-gelbe Koalition, bemerkte ein Zuhörer aus dem Publikum. Zwischen Wladimir Putin und Gerhard Schröder habe Herzlichkeit geherrscht - Angela Merkel und Guido Westerwelle hingegen hätten Putin kalt zurückgewiesen. "Man könnte sich nie vorstellen, dass Merkel und Putin sich umarmen", so der Zuhörer vom Deutsch-Russischen Forum. "Mit Obama umarmt sie sich ganz selbstverständlich."

Der Besuch Angela Merkels kürzlich in Russland sei dort trotz allem aber ein Großereignis gewesen, unterstrich Gemma Pörzgen. Dies zeige den Stellenwert, den Deutschland dort weiterhin besitze.

Journalistische statt eigene Eindrücke

Vielen Russen fehle ein Deutschlandbild aus eigener Ansicht, betonte die Journalistin. Nur rund sieben Prozent der Russen - was immerhin rund zehn Millionen Menschen sind - seien selbst schon in Deutschland gewesen. Die Zahl russischer Touristen, die nach Deutschland kommen, nehme rapide ab.

Umso wichtiger seien die Berichte der russischen Medien aus der Bundesrepublik. Doch über diese Quellen erhielten die Russen nur wenige brauchbare Informationen, kritisierte Pörzgen. Es gebe kaum unabhängige russische Journalisten hierzulande. Vielen privaten Medien fehle das Geld, ein Korrespondentennetzwerk zu unterhalten.

So bestimmten russische Staatsmedien das Deutschlandbild. Und diese verzerrten es Pörzgen zufolge extrem. "Sie tun so, als würde Deutschland von Flüchtlingen überlaufen. Wagenknecht und Gauland werden als Politiker dargestellt, die Angela Merkel ablösen können." Viele Berichte seien außerdem oberflächlich und von schlechter journalistischer Qualität.

Deutliche Kritik an deutschen Kollegen

Pörzgen kritisierte aber überraschend deutlich auch deutsche Medien: Diese sollten sich über die schwache journalistische Qualität russischer Medien nicht allzu laut echauffieren, denn auch hier seien wegen der Aktualitätsanforderungen durch das Internet immer mehr oberflächliche, schnell zusammengestückelte und fehlerhafte Beiträge festzustellen. Zudem kritisierte sie, die Gleichsetzung Russlands mit seinem Präsidenten. "Russland wird von deutschen Journalisten immer personalisiert. Es ist immer Putin oder früher Jelzin oder Gorbatschow."

Hiesige Journalisten sehen auch zu stark mit der (west-)deutschen Brille auf russische Verhältnisse, sagte Pörzgen weiter. "Die 1990er Jahre in Russland werden hier beispielsweise als Freiheitsjahre betrachtet. Der wirtschaftliche Abstieg und die Verarmung breiter Massen in dieser Zeit werden nicht gesehen."

Deutsche Journalisten machten sich häufig über PR-Bilder Putins lustig, die ihn mit freiem Oberkörper in der Natur zeigten. Doch aus russischer Sicht sei es nachvollziehbar und sehr wichtig gewesen, den Staatschef als gesunden, kräftigen Mann zu zeigen. Denn von vielen anderen Politikern kannte man eher Gegensätzliches: "Jelzin war Alkoholiker, Breschnew war zum Ende geistig nicht mehr beisammen und Tschernenko hat immer gehustet, als wenn er gleich stirbt."