Russland hält der EU den Spiegel vor
Der EU-Außenbeauftragte Borrell forderte vor dem Besuch in Russland die Freilassung von Nawalny - Russland verweist auf katalanische politische Gefangene. Kommentar
Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, stellte in Moskau nun den "Tiefpunkt" in den Beziehungen zwischen Russland und der EU fest. Er führte dafür den Fall des inhaftierten Kremlkritikers Alexei Nawalny an. "Sicherlich sind unsere Beziehungen stark belastet und der Fall Nawalny ist ein Tiefpunkt", betonte Borrell.
Dabei ist die Person des ehemaligen spanischen Außenministers für die schlechten Beziehungen mitverantwortlich. Borrell wird als einer der undiplomatischsten Diplomaten geführt. Er hat in der Vergangenheit wahrlich kein Fettnäpfchen ausgelassen. So nannte er Russland einen "alten Feind" und eine "Bedrohung" und heizte die Spannungen an.
Der Spanier zeigte sich vor dem Moskau-Besuch von seiner "besten" Seite und forderte die Freilassung Nawalnys. In Moskau zeigte er sich etwas diplomatischer und erklärte, er habe seine "tiefe Besorgnis" übermittelt. Zwar respektiere man "die russische Souveränität voll und ganz", doch "Menschenrechte und politische Freiheiten sind von grundlegender Bedeutung für unsere gemeinsame Zukunft, sowohl für die Europäische Union als auch für Russland", sagte der EU-Außenbeauftragte dem russischen Außenminister Sergei Lawrow.
Doch der ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen und hielt ihm den Spiegel vor. Russland will sich augenscheinlich von dem Spanier, der Katalonien "desinfizieren" will und zentral an der Repression dort mitgestrickt hat, keine Lektionen in Menschenrechtsfragen erteilen lassen
So gab Lawrow zurück, dass Spanien Katalanen inhaftiere, die ein Referendum organisiert haben. Und Spanien habe die Urteile trotz anderer Gerichtsentscheide aus Deutschland oder Belgien nicht revidiert. "Spanien hat hingegen sein Justizsystem verteidigt und gefordert, die eigenen Urteile nicht anzuzweifeln. Das ist es, was wir vom Westen in Bezug auf Gegenseitigkeit erwarten", vollendete Lawrow die Steilvorlage Borrells.
Obwohl Russlands Vertreter gar nicht von politischen Gefangenen geredet hat, fühlte man sich in Madrid angesprochen. So erklärte die spanische Außenministerin und sozialdemokratische Parteifreundin von Borrell: "Es gibt in Spanien keine politischen Gefangenen."
Arancha González Laya bemühte erneut die Sprachformel, dass es nur "gefangene Politiker" gäbe. Dabei waren die zivilgesellschaftlichen Aktivisten Jordi Cuixart und Jordi Sànchez die ersten politischen Gefangenen, deren Freilassung auch Amnesty International immer wieder fordert.
Dass die Politiker willkürlich inhaftiert wurden, ist auch die Ansicht der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen, die deren Freilassung immer wieder fordert. Lawrow hat Recht, wenn er auf Gerichte in ganz Europa verweist, die die absurden Anschuldigungen wegen Aufruhr und Rebellion nicht sehen, mit denen neun Katalanen zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt wurden. Da Spanien keine Beweise vorlegen konnte, hat weder Deutschland, Belgien, Großbritannien noch die Schweiz Exil-Politiker an Spanien ausgeliefert.
Belgien ging kürzlich im Fall des Ex-Kultusministers Lluis Puig besonders weit und begründete die Ablehnung mit Aussagen, die Europa sonst eher Russland vorwirft. Der Katalane habe vermutlich in Spanien keinen fairen Prozess zu erwarten, erklärten die Richter in einem rechtskräftigen Urteil, das eine Vorentscheidung für den Exilpräsidenten Carles Puigdemont ist. Der kann sich, auch dies ein Parallele zu Nawalny, in ganz Europa frei bewegen, aber nicht nach Spanien reisen, um dort am Wahlkampf teilzunehmen.
In Katalonien würde er trotz seiner Immunität als Europaparlamentarier vermutlich sofort inhaftiert. Spanien lässt auch seinen ehemaligen Vize Oriol Junqueras in Haft, obwohl der Europäische Gerichtshof auch Junqueras Immunität bescheinigt hat.
Borrell lieferte der russischen Regierung eine Steilvorlage. Deren Vorgehen gegen Nawalny ähnelt dem, das auch Spanien anwendet. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilt, dass Spanien politische Gegner über unfaire Prozesse kaltstellt. Dass ein Urteil auf Bewährung gegen Nawalny diese Woche in eine Haftstrafe umgewandelt wurde, weil er gegen Meldeauflagen verstoßen haben soll, liegt auch ganz auf der spanischen Linie.
Auch das ist ein politisches Urteil. Es hat mit Rechtsstaatlichkeit genauso wenig zu tun, wie die Tatsache, dass zahllose Menschen festgenommen werden, die gegen Nawalnys absurde Inhaftierung protestieren. Schließlich wurde der Kremlkritiker mit der Nowitschok-Vergiftung auch mit Genehmigung der russischen Behörden nach Deutschland ausgeflogen und konnte so den Auflagen nicht nachkommen.