Russland und Türkei - Beginn einer Freundschaft?

Seite 2: US-Außenministerium angeblich "nicht besorgt"

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Westliche Politiker demonstrierten nach dem Treffen in St. Petersburg Gelassenheit. Elizabeth Trudeau, Sprecherin des US-Außenministeriums, erklärte auf einem Briefing, das Treffen zwischen Putin und Erdogan sei für Washington "kein Problem". Die Türkei und Russland seien "souveräne Staaten".

Das Treffen zwischen Putin und Erdogan sei "eine große Sache" zitierte dagegen die "Washington Post" Soner Cagaptay, Direktor des Türkei-Forschungsprogramms am Institut für Nahost-Politik in Washington. Das erste Mal in der jüngsten Zeit, gäbe es "eine ernste Diskussion über die Nato-Mitgliedschaft der Türkei". Einige offizielle Vertreter der Türkei - so Cagaptay - fragten, ob die Türkei sich Russland zuwenden solle. Erdogan könne diesen Drehpunkt "leicht vollenden", erklärte der US-Wissenschaftler.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, offenbar in Anspielung auf den Abschuss des russischen Kampfflugzeuges durch ein türkisches Flugzeug im November letzten Jahres, es sei gut, dass es "wieder eine Annäherung gibt". Tagesschau.de titelte: "Der Westen lobt Putins Treffen mit Erdogan". Das klang übertrieben. Denn Erdogan fuhr ja nach St. Petersburg, weil er Unterstützung in der Auseinandersetzung mit EU und USA suchte.

Leonid Iwaschow, Präsident der Moskauer Akademie für geopolitische Probleme, meinte in einem Interview mit der Komsomolskaja Prawda, Erdogan habe bisher "die amerikanischen Interessen" in der Region um die Türkei vertreten, doch nun sei er aus Sicht Washingtons offenbar "verbraucht". Aus diesem Grund müsse Moskau heute die Chance ergreifen und sich als "geopolitisches Zentrum Eurasiens" stärken, die Beziehungen zum Iran und zu Ägypten stärken und die Staatlichkeit Syriens wiederherstellen. Man müsse versuchen, die Türkei in eine "stabile und sichere Region einzubinden". Das könne die Kräfteverteilung in der Welt verändern. Europa und Amerika würden sich dann Russland gegenüber "freundlicher verhalten". Russische Experten meinten, Moskau werde versuchen, die Türkei in eurasische Bündnisse, wie die Shanghai Cooperation Organisation einzubinden.

Putin und Erdogan haben auf jeden Fall ein Ziel erreicht. Die Türkei hat ihr Gewicht in Gesprächen mit der EU und den USA erhöht. Und auch für Russland war das Treffen ein Gewinn. Die Nato wirkt nicht mehr so stabil wie noch vor einigen Monaten. Ob man sich Moskau und Ankara jedoch in der Syrien-Politik auf einen gemeinsamen Nenner einigen können, ist offen.

Es gäbe Anzeichen, dass sich die Türkei von ihrer "aggressiven, erfolglosen, neo-osmanischen" Politik abwende, eine "ausbalancierte Außenpolitik" betreibt und "die territoriale Integrität der Nachbarstaaten akzeptiert", meinte Volkan Ozdemir, Lehrer für Eurasische Forschungen an der Technischen Universität von Ankara, in einem Beitrag für die Moskauer Nesawisimaja Gaseta.

Warnte Russland Erdogan mehrere Stunden vor dem Putschversuch?

Es gibt auch Hinweise, dass sich das Vertrauen zwischen Moskau und Ankara langsam wieder aufbaut. Die russische Nachrichtenagentur TASS berichtete Ende Juli, Erdogan sei wenige Stunden vor dem Putschversuch von Russland gewarnt worden. .Angeblich waren Gespräche der aufständischen türkischen Militärs von einer Überwachungsanlage auf dem russischen Luftwaffenstützpunkt im syrischen Chmeimin abgehört und dann Erdogan übermittelt worden.

In einem Interview mit der Rossiskaja Gaseta erklärte der türkische Präsident jedoch, dies sei ein "Gerücht". Ihm sei eine derartige Warnung nicht bekannt. Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten, wollte "die russische Warnung" - über sie hatte zuerst die iranische Nachrichtenagentur FARS berichtet - ebenfalls nicht bestätigen.

Wie die Regierungszeitung Rossiskaja Gaseta Ende Juli berichtete, wurden in der Türkei die beiden Piloten verhaftet, die im November 2015 das russische Kampfflugzeug abgeschossen hatten. Sie werden der Zusammenarbeit mit den Putschisten verdächtigt. Die Rossiskaja Gaseta berichtete unter Berufung auf türkische Politiker, die Piloten hätten das russische Flugzeug abgeschossen, um eine Krise in den türkisch-russischen Beziehungen zu provozieren. Die Piloten seien nicht gezwungen gewesen, das russische Flugzeug abzuschießen, da es sich nur "kurze Zeit" im türkischen Luftraum befand.