Russlands Krieg gegen die Ukraine: Vier Schritte nur zum Frieden?

Italien hat Friedensplan vorgelegt. Zentrale Punkte: Waffenstillstand, Neutralität, Kompromisse in territorialen Fragen und europäische Sicherheitsordnung. Warum die UNO den Vorstoß unterstützen sollte

Die direkten Verhandlungen zwischen der russischen und der ukrainischen Regierung sind derzeit zum Erliegen gekommen. Eine Lösung des Kriegs in der Ukraine wird aktuell den Waffen überlassen unter Inkaufnahme ermordeter Menschen, zerstörter Städte und Dörfer sowie einer erheblichen Umweltzerstörung. Die Folgen des Ukraine-Kriegs sind des Weiteren nicht nur lokal begrenzt, sondern haben globale Auswirkungen, in Form von Inflation und einer Nahrungsmittelkrise mit dramatischen Folgen auch für den Rest der Welt.

In dieser verfahrenen und beständig eskalierenden Situation hat die italienische Regierung der G 7 und den Vereinten Nationen nun einen Vier-Stufen-Plan vorgestellt1, den sie derzeit international verbreitet und für den sie Unterstützer finden will.

Der italienische Außenminister Luigi Di Maio, auch Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, hat den Plan im Mai 2022 UN-Generalsekretär António Guterres vorgelegt. Der Friedensplan soll in vier Schritten umgesetzt werden und sieht in Verhandlungen zwischen der ukrainischen und russischen Regierung die Einbindung der UN, der EU und der OSZE vor.

Was sieht der italienische Friedensplan vor?

1. Schritt: Verhandlung eines Waffenstillstands bei gleichzeitiger Entmilitarisierung der Kampfzonen und der Einrichtung internationaler Kontrollmechanismen;

2. Schritt: Friedenskonferenz über die Einrichtung des neutralen Status der Ukraine, der mit internationalen Verträgen im Sinne einer Schutzgarantie abzusichern ist.

3. Schritt: Bilaterales Abkommen zwischen Russland und der Ukraine über den Status der umkämpften ukrainischen Gebiete: Weitgehende Autonomie der Krim und Gebiete des Donbass in den nationalen Grenzen der Ukraine. Klärung der Fragen des freien Zugangs, des freien Handels und des Zahlungsverkehrs sowie kultureller und sprachlicher Rechte.

4. Schritt: Verhandlung eines multilateralen Abkommens unter der Regie der OSZE über einen europäischen Sicherheitspakt, der auch die Beziehungen zwischen EU und Russland regelt. Inhalte dieses Vertrages wären internationale Abrüstung und Rüstungskontrolle, Sicherheitsgarantien, Konfliktprävention sowie der Abzug der russischen Truppen aus den besetzten ukrainischen Gebieten. Im Rahmen dieser Maßnahmen könnten die Sanktionen gegen Russland Schritt für Schritt zurückgenommen werden.

Die militärische Entwicklung im Ukraine-Krieg (19 Bilder)

Frontverlauf am 26. Februar 2022

Di Maio betont, dass es sich bei diesem Vier-Stufenplan um einen zwischen UNO, EU und OSZE abzustimmenden Vorschlag handelt, der über diplomatische Einzelinitiativen hinausginge. Wenn der Ukraine-Krieg als Ausdruck des Scheiterns der internationalen Diplomatie angesehen werden könne, müsse diese wieder die Initiative ergreifen und abgestimmt und koordiniert diesen Friedensplan der ukrainischen und der russischen Regierung in Gesprächen auf höchster Ebene mit Nachdruck erläutern.

Was taugt dieser Friedensplan?

Zunächst versucht der Friedensplan der italienischen Regierung, einen Interessenausgleich zwischen Kiew und Moskau herzustellen. Die Beendigung der für beide Seiten verlustreichen Kampfhandlungen und damit auch die Verhinderung einer weiteren militärischen Eskalation dürften im beiderseitigen Interesse sein.

Die weitgehende Autonomie der umkämpften Regionen im Donbass sowie für die Krim verhindert eine Zementierung völkerrechtswidriger Handlungen und militärischer Aneignung eines fremden Staatsgebietes, könnte aber auch Forderungen der dort lebenden Bevölkerung nach mehr politischer Eigenständigkeit entgegenkommen.

Der Status Südtirols in Italien könnte hier ein Vorbild sein. Der anzustrebende Neutralitätsstatus für die Ukraine unter einem internationalen sicherheitspolitischen Schutzschirm könnte einen Kompromiss darstellen, der die Sicherheitsinteressen beider Staaten berücksichtigt.

Auch die Verhandlung eines europäischen Sicherheitspaktes berücksichtigt nicht nur die Interessen der Ukraine und Russlands, sondern auch der europäischen Staaten. Ebenso wären derartige Regelungen und Verträge, die zu einer Beendigung des Ukraine-Kriegs führen, im weltpolitischen Interesse und insbesondere im Interesse des Globalen Südens, dem durch die Nahrungsmittelblockade und die damit verbundenen Lieferengpässen eine massive Hungersnot droht.

Ein Vorteil dieses Vier-Stufenplans liegt des Weiteren in der Einbindung der transnationalen Institutionen. Vornehmlich der Versuch, die Vereinten Nationen zur Federführung über diese zwischen den transnationalen Organisationen abzustimmenden Friedensinitiative zu bewegen, könnte Chancen auf eine Umsetzung des Plans eröffnen.

Aber auch diese internationale Initiative ist auf das Einsehen und die friedenspolitische Rationalität der maßgeblich beteiligten Akteure angewiesen. Wenn man weiterhin auf beiden Seiten meint, vorwiegend mit Waffengewalt geostrategische Tatsachen schaffen zu können, wird das Gemetzel, die Kriegsverbrechen und das Sterben weitergehen.

Dennoch liegt im vorliegenden Plan der italienischen Regierung ein konstruktiver Kern, den es weiterzuverbreiten und zu diskutieren gilt.2

Nur in der intelligenten und international abgestimmten Diplomatie liegt die Chance einer möglichst schnellen Beendigung dieser Katastrophe. Niemand – außer vielleicht die Rüstungsindustrien und deren Shareholder - braucht einen Stellvertreterkrieg zwischen den USA und der Russischen Föderation, in denen ukrainische und russische junge Menschen wechselseitig zu Todfeinden erklärt und militärisch aufeinandergehetzt werden.

Die Welt muss sich wahrlich um andere Dinge kümmern als um die Eindämmung des nationalstaatlichen Imperialismus sowie die Einlösung der Profitinteressen der militärischen-ökonomischen Komplexe in Europa, Russland und in den USA.

Über allem müsste die Bekämpfung der Klimakrise und der sich anbahnenden Hungerkatastrophe in den ärmeren Weltregionen stehen. Durch die derzeitige Konfliktaufladung und damit verbundenen Aufrüstungsbestrebungen wird den dringend notwendigen Maßnahmen der Weltgemeinschaft ein großer Teil der Ressourcen entzogen, die zur effektiven Bekämpfung dieser globalen Krisen erforderlich wären. Derzeit betroffene Bevölkerungen und künftige Generationen werden hierfür kein Verständnis haben.