SPD: Mindestens fünf Unterbezirke als Hemmnis für Erneuerung
Der kommissarische Vorstand der deutschen Sozialdemokraten hat einen Zeitplan und Regeln zum Finden einer neuen Führung aufgestellt
Ab dem 1. Juli können sich bei der SPD-Bundeszentrale in Berlin Bewerber melden, die den Parteivorsitz regulär übernehmen möchten. Derzeit werden die deutschen Sozialdemokraten nämlich von einem kommissarischen Vorstand aus der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin, der mecklenburg-vorpommerschen Ministerpräsidentin und dem hessischen Landesvorsitzenden geführt (vgl. SPD: Übergangs-Führungstrio Dreyer-Schwesig-Schäfer-Gümbel).
Dieses Trio "ermutigt" Bewerber "ausdrücklich", paarweise anzutreten. In der SPD gibt es Schäfer-Gümbels Wahrnehmung nach nämlich eine "große Sehnsucht […] nach Zusammenhalt und Zusammenarbeit". Und Dreyer zufolge brauchen die Sozialdemokraten gerade "sehr viel Kraft", weshalb es "möglich sein [müsse], dass sich zwei die große Aufgabe teilen". Auch wenn eine Doppelspitze, wie es sie bei den Grünen, der Linkspartei und der AfD gibt, ihren Worten nach "kein Allheilmittel gegen schlechte Umfragewerte" ist.
Giffey, Schwan, Kühnert
Um vom kommissarischen Vorstand als Bewerberpaar oder als Einzelbewerber akzeptiert zu werden, muss man ihm die Unterstützung eines SPD-Landesverbandes, eines SPD-Bezirks oder die von mindestens fünf SPD-Unterbezirken nachweisen. Ein Unterbezirk entspricht bei der SPD meist einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt. Diese relativ hohe Hürde verringert die Chancen dafür, dass es in der SPD-Führung mit wirklich frischem Personal wie beispielsweise der Garmischer Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer einen grundlegenden Umbruch geben wird.
Stattdessen debattiert man über Prominente, die bundesweit bekannt sind: Über die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (die Promotionsabkürzungsvorwürfen mit Verweisen auf ein ominöses amerikanisches Zitiersystem juristisch entgegentreten will) und über die zweimalige Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan, die im Deutschlandfunk verlautbarte, es habe sie "sehr beunruhigt [...], dass nach dem Rücktritt von Andrea Nahles keine der Personen, die man dafür für angebracht gehalten hätte, [den Vorsitz übernehmen] wollte".
Ein "Spiegelstrich-Image" und "ein unerfreuliches, kleinkariertes Bild"
Wegen dieser "peinlichen" und "bedrückenden" Situation würde sie selbst kandidieren, "wenn die Bitte an [sie] herangetragen würde und wenn [sie] auch eine erhebliche Unterstützung hätte". Dem Spiegel sagte Schwan, die SPD habe derzeit ein "Spiegelstrich-Image" und vermittle "ein unerfreuliches, kleinkariertes Bild", das sie ihrer Ansicht nach verbessern könne.
Als männlichen Partner für eine Bewerbung kann sich die 76-jährige den 29-jährigen umstrittenen Jungsozialistenchef Kevin Kühnert vorstellen, den sie ihren Worten nach "fair und nachdenklich-argumentativ" erlebte.
Ende der Bewerbungsfrist fällt mit Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen zusammen
Am 1. September läuft die Frist, bis zu der sich Bewerber melden können, ab. An diesem Tag finden in Brandenburg und Sachsen Landtagswahlen statt, bei denen die Sozialdemokraten den Umfragen nach erneut mit herben Verlusten rechnen müssen. In Brandenburg droht ihnen ein Absturz von 31,9 auf 18 Prozent, in Sachsen ein Absacken von 12,4 auf acht.
Danach sollen sich die Kandidaten auf 20 bis 30 Regionalkonferenzen bis zum 14. Oktober den noch etwa 440.000 verbliebenen SPD-Mitgliedern an der Basis vorstellen (deren Zahl sich in den letzten 30 Jahren mehr als halbiert hat). Der Vorschlag des ehemaligen SPD-Fraktionschefs Thomas Oppermann, sich die britische Labour Party zum Vorbild zu nehmen und auch Nichtmitglieder abstimmen zu lassen (vgl. Für fünf Euro den neuen SPD-Vorsitzenden wählen?), fand im kommissarischen Vorstand kein Gehör. Er muss sich deshalb keine Sorgen machen, dass Nichtmitglieder die Abstimmung nutzen, um taktisch für Kandidaten zu stimmen, denen sie bei Bundestagswahlen die geringsten Chancen einräumen.
Mit der Auszählung der Stimmen wollen sich die Sozialdemokraten zwölf Tage Zeit lassen - bis zum 26. Oktober. Kommt kein Team oder kein Einzelkandidat auf eine absolute Mehrheit, folgt anschließend eine Stichwahl. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass wieder ein Kandidat wie Rudolf Scharping gewinnt, der 1993 mit nur 40 Prozent Stimmenanteil SPD-Chef wurde und die Bundestagswahl darauf krachend verlor (vgl. Urwahlen, offene Vorwahlen oder Kenntnistests?). Den Sieger aus dem ersten Wahlgang oder der Stichwahl können die Delegierten dann auf einen vom 6. bis zum 8. Dezember dauernden Bundesparteitag zum Vorsitzenden wählen - aber sie müssen das nicht zwingend.
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