SPD: Was kommt nach Hartz-IV?

Seite 2: Gebraucht wird nur ein neuer Name und eine neue Erzählung?

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Interessant zu sehen ist auch, wie Scheele die Augen verdreht, als das Stichwort "solidarisches Grundeinkommen" erwähnt wird. Da hat er offensichtlich Vorbehalte. Auch andere Teilnehmer des Expertentisches äußern die für einen Außenstehenden überraschende Auffassung, dass im Grunde alles besser läuft, als es dargestellt wird. Die SPD könnte stolzer auf ihre Errungenschaften sein, sagt etwa Georg Cremer, kein Parteimitglied, sondern früherer Generalsekretär der Caritas.

Ist dann alles nur eine Frage einer systemimmanenten Reformarbeit - die SPD sollte mehr SGB-Gesetzesänderungen im Bundestag durchbringen, die Chance hatte sie (Detlev Scheele) - und einer Namensänderung, die das Image verbessert?

Äußerungen des Professors für Sozialpolitik Gerhard Bäcker weisen in diese Richtung. Er steht für Verbesserungen, bevor Hartz-IV überhaupt der Fall sein soll, also für mehr präventive Sozialpolitik. Sein Schlusswort appelliert dann hauptsächlich an "Kommunikation", dass die SPD ein neues Gesamtbild brauche, neue Leitbilder wie "soziale Sicherheit statt Abstiegsängste" oder "soziale Teilhabe statt Ausgrenzung" und eine neue Erzählung.

Ist das SPD-Problem also wesentlich ein Kommunikationsproblem und der eingangs genannte positiven Appell von Nahles zu einem besseren Selbstverständnis schon die halbe Miete? Es gibt Zweifel, dass die Botschaft auch bei der Wählerschaft ankommen wird. Irgendwie wollen sie nicht greifen, so der Eindruck, oder greifen sie erst, wenn es wirtschaftlich weniger gut geht in Deutschland?

Wie schwer sich die SPD mit einer Neuorientierung tut, zeigte sich auch an der Diskussion. Da wurden manche Themen am Rand gelassen, wie die prekären Arbeitsverhältnisse und der Niedriglohnbereich, der zum Thema Arbeitslosigkeit und Hartz-IV-Leistungen dazu gehört.

Grundsicherung für Familien

Anderseits wurde das, was in der großen öffentlichen Diskussion nicht so unterhaltsam ist, wie die Bürokratie als wichtiges Thema behandelt, draußen, bei den Nichtbetroffenen dürfte das als nächste kleinteilige Mühe der SPD registriert werden.

Als Schritt, der die Unterstützung nicht nur der Diskussionsteilnehmer haben wird, kristallisiert sich heraus, dass man die Unterstützung hilfsbedürftiger Familien - gerichtet ist das vor allem an die Absicherung der Kinder - von Hartz-IV abkoppeln will.

Die Idee einer einkommensabhängigen Grundsicherung für Familien dürfte eine in der Partei mehrheitsfähige Forderung sein. Das gilt auch für die Verstärkung von Weiterbildungen. Dass man Qualifikation und Weiterbildung verstärkt, gehört zu den Grundanliegen der Sozialdemokraten. Ein Alleinstellungsmerkmal ist das aber längst nicht mehr.

Nahles für Generalsanierung

In die Nähe eines Alleinstellungsmerkmals kommen könnte aber der Vorstoß, den Nahles später bei "Anne Will" äußerte: "Wir brauchen eine Generalsanierung unseres Sozialstaates", wird sie von der SZ zitiert: Beamte und Selbständige sollen endlich ins Sozialsystem einzahlen, die Zwei-Klassen-Medizin müsse weg. Und "wir müssen Hartz IV hinter uns lassen", stattdessen eine neue Grundsicherung anbieten.

"Da verschlug es Peter Altmaier gegenüber fast die Sprache", so die Süddeutsche Zeitung, "der Wirtschaftsminister von der CDU warf ein, dass nichts davon im Koalitionsvertrag stünde. Doch Nahles beharrte darauf, 'den Blick nach vorne zu richten'".