SPD will Netz AG

Die Energie- und Klimawochenschau: Gasstreit, zweifelhaftes Comeback der Atomindustrie, Windboom und untergehende Inseln

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Während Mittel- und Osteuropa in winterlicher Kälte zittert, dreht Russland den Gashahn zu. So jedenfalls möchte es die ukrainische Seite darstellen. Moskau spricht hingegen von Gasklau (siehe Europa guckt in die Röhre). Für Westeuropa hätte der Streit sein Gutes, wenn er zu einer Diversifizierung der Energieversorgung führen würde.

Inzwischen bekommen auch andere europäische Staaten den Streit zwischen den russischen und ukrainischen Gaskonzernen zu spüren. In Österreich, Bulgarien und der Türkei kam am Montag kein russisches Gas oder nur noch ein Bruchteil der vereinbarten Menge an. Der Streit geht um die Gebühren für die Durchleitung und die ukrainischen Abnahmepreise. Schon letzte Woche hatte die russische Gazprom (Minderheitsanteile deutscher Konzerne) seinem ukrainischen Gegenstück Naftogaz den Hahn zugedreht. Statt 250 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas will man künftig 450 US-Dollar kassieren.

Der Streit um die russischen Forderungen schwelt bereits seit Monaten. Nun wirft Russland der Ukraine vor, aus den Transitleitungen Gas gestohlen zu haben. Die ukrainische Seite weist das zurück. Durch die Ukraine führen mehrere Pipelines, die Südosteuropa, Österreich, Italien und Süddeutschland versorgen. Ostdeutschland wird hingegen hauptsächlich mit norwegischem Erdgas beliefert, außerdem kommt dort eine Pipeline aus Russland an, die nicht über ukrainisches Territorium führt.

Gaspipelines nach Europa. Gestrichelt die Route der durch die Ostsee geplanten North-Stream-Pipeline. In ihrem westlichen Ende ist die Trasse allerdings nicht korrekt eingezeichnet. Die Anlandung ist in Lubmin in der Nähe von Greifswald geplant. Bild: Library of the University of Texas

Davon abgesehen haben die hiesigen Gasunternehmen gutgefüllte Lager, sodass zunächst keine Versorgungsprobleme auftreten sollten, wie der EU-Energiekommissar laut Handelsblatt versichert. Aber der Streit hätte sicherlich etwas Gutes, wenn er in Deutschland endlich zu einer konsistenten Biogas-Politik führen würde. Ein nicht unwesentlicher Teil des Erdgasverbrauchs in der EU könnte langfristig nämlich mit Methan aus organischem Material abgedeckt werden. Nötig wäre dafür aber, dass es in das Erdgasnetz eingespeist wird. Bisher wird das meiste Biogas vorort in kleinen Anlagen zur Stromgewinnung verbrannt, wobei die Abwärme oft ungenutzt bleibt.

Kommt die Netz AG?

Der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur wäre sicherlich auch ein Punkt für das zweite Konjunkturpaket, das Union und SPD am kommenden Montag beschließen wollen. Sinnvoller jedenfalls als die Abwrackpremie für Altautos, die SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier fordert. Wer 2009 ein mindestens zehn Jahre altes Auto verschrottet und sich zugleich einen Neu- oder Jahreswagen kauft, so die Vorstellung des Außenministers, soll 2.500 Euro geschenkt bekommen. 2010 soll die Prämie auf 1.000 Euro abgesenkt werden. Zwei Milliarden Euro würde das den Steuerzahler kosten, meint man bei der SPD.

Während die Abwrackprämie eher in die Rubrik "Förderung von Dinsosaurierindustrien" fällt - auch wenn natürlich viel von umweltfreundlichen Autos die Rede ist - lässt ein anderer Vorschlag Steinmeiers aufhorchen: Er fordert eine "Deutsche Netz AG", die alle Energienetze zusammenfasst. Eigentümer sollen die öffentliche Hand und Private sein, konkret schlägt der Vizekanzler eine Beteiligung des Bundes "mit einer Sperrminorität von 25,1 Prozent" vor. Umweltminister Sigmar Gabriel, ebenfalls SPD, hält das für eine ausgezeichnete Idee:

Das Stromnetz ist die Lebensader unserer Industriegesellschaft. Wir haben jetzt die große Chance, eine neue Struktur zu finden, die den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützt, den Wettbewerb fördert und die Energieversorgungssicherheit erhöht. Die Deutsche Netzgesellschaft ist dafür das richtige Instrument.

Mal abgesehen davon, dass Steinmeier offensichtlich nicht nur das Stromnetz in die neue AG eingebracht sehen will, ist der Umweltminister wahrscheinlich ein bisschen zu euphorisch. Eine einheitliche Netzgesellschaft erleichtert sicherlich die Planung der Anpassung an die erneuerbaren Energieträger. Solange aber deren größte Konkurrenten, nämlich E.on, EnBW, Vattenfall und RWE, im Boot bleiben, ist mit weiterem Sperrfeuer (Link auf /tp/blogs/2/119179) zu rechnen. Besser wäre sicherlich eine Gesellschaft öffentlichen Rechts, die kostenneutral arbeitet, wie sie Dänemark vor einigen Jahren für das Stromnetz geschaffen hat. Nebenbei würde das auch die Preise für die Verbraucher drücken, da die Netzentgelte tatsächlich nur noch die Unkosten decken würden. Insbesondere der Gaspreis könnte dadurch vermutlich deutlich abgesenkt werden.

Mehr AKWs?

Was macht eigentlich die Atomindustrie? Das Time Magazine spricht in seiner jüngsten Ausgabe von einem "remarkable comeback" der Nuklearwirtschaft. 35 neue Reaktoren würden in den USA derzeit geplant, und die Widerstände im Kongress gegen den Neubau von AKWs seien minimal. Andererseits rechnet das Magazin vor, dass selbst die 45 neuen Meiler, die John McCain bis 2030 gefordert hatte, kaum die alten ersetzen würden. Außerdem sei mit ausufernden Kosten zu rechnen.

Auch die jüngste Statistik der Internationalen Atomenergieagentur IAEA stimmt eher skeptisch: Zum ersten Mal seit vielen Jahren ging 2008 weltweit kein einziges neues Atomkraftwerk ans Netz. Neue AKW-Baustellen wurden lediglich in Russland (2), China (10) und Südkorea (2) begonnen. Derzeit sind weltweit 438 AKW in Betrieb (Gesamtleistung 371,7 Gigawatt) und 48 im Bau, fünf stehen für längere Zeit still.

Windboom

Für gewöhnlich macht Nigeria eher mit den diversen Umweltsünden bei der Ölförderung an seiner Atlantikküste und den damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen Schlagzeilen (Link auf /tp/blogs/2/108023), doch es gibt auch gute Nachrichten aus dem westafrikanischen Land:

Die Industrie- und Handelskammern Nigerias haben kurz vor Weihnachten die Regierung in Lagos aufgefordert, Wind- und Sonnenenergie besser zu fördern. Außerdem solle die Regierung ihr Versprechen einlösen und den Notstand in der Energieversorgung ausrufen. Für die Raffinerien des Landes brauche es ein gemeinsames Management von öffentlicher Hand und Privaten um der Vandalisierung der Energie-Infrastruktur Einhalt zu gebieten. Auch ein nigerianischer Rat für Erneuerbare Energie hat sich gebildet.

In einer ganz anderen Größenklasse spielt sich unterdessen die Entwicklung in China ab. Von dort berichtete am 2. Januar The China Post, dass der dänische Hersteller Vestas einen weiteren Vertrag über Windanlagen mit einer Kapazität von 100 MW abgeschlossen hat. Der Name des chinesischen Käufers wurde nicht genannt. Erst zwei Tage zuvor hatte Vestas bekannt gegeben, dass ein ähnlicher Vertrag mit der Guangdong Nuclear Wind Power abgeschlossen worden sei. Damit habe der Weltmarktführer im vergangenen Jahr mit dem südchinesischen Erzeuger Kontrakte über Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 500 MW abgeschlossen, die meist in 2009 errichtet werden sollen.

Unterdessen berichtet der spanische Windanlagenbauer Gamesa von Lieferverträgen nach China über knapp 300 MW für 2009, und die Firma A-Power Energy Generation Systems lädt zur Einweihung ihrer neuen Fertigungsstätten nach Shenyang in Nordostchina ein. Ab nächster Woche sollen dort mit Lizenz der baden-württembergischen Fuhrländer AG jährlich Windanlagen mit einer Gesamtleistung von 1125 MW hergestellt werden.

Untergehende Inseln

Auf den Marshall-Inseln im Südpazifik gehen die Aufräumarbeiten weiter. In den beiden Wochen vor Weihnachten waren die Hauptstadt Manjuro und einige äußere Inseln gleich dreimal überflutet worden. Eine Kombination von hohen Flutständen und Stürmen war den überschwemmten Gebieten, die weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel liegen, zum Verhängnis geworden. Rund 600 Menschen wurden obdachlos.

Nach einem Bericht von BBC verhängte die Regierung zu Weihnachten den Ausnahmezustand, der noch bis Mitte Januar in Kraft bleiben soll. Die Regierung schätzt, dass an privaten Einrichtungen ein Schaden von 1,5 Millionen US-Dollar entstanden ist. Für ein Land mit gerade 65.000 Einwohnern und einem jährlichen Pro-Kopf-Sozialprodukt von 2980 US-Dollar ist das sicherlich keine kleine Summe.

Wo das Meerwasser eingedrungen ist, wird wegen Versalzung der Anbau von Gemüse und Früchten vermutlich für einige Zeit nur schwer möglich sein. Berichte von versalzenen Trinkwasserreservoirs - ein anderes Problem, das auf niedrigen Inseln die Folge von Sturmfluten sein kann -, gibt es bisher nicht. Auch über das Ausmaß weggeschwemmten Landes gibt es noch keine Angaben. Deborah Manase vom örtlichen Büro für Umweltplanung meinte gegenüber BBC, dass die Folgen der Flut noch viel schlimmer ausgefallen wären, wenn sie höher aufgelaufen wäre. "Auf der internationalen Ebene versuchen wir immer wieder zu erklären, dass schon der kleinste Anstieg des Meeresspiegels große Auswirkungen auf unsere Inseln hat." Die Marshall-Inseln sind nordöstlich von Papua-Neuguinea gelegen und bestehen aus einer Gruppe von Atollen, die meist nur knapp über dem Meeresspiegel liegen.

In Australien hatten Ende Dezember Fachleute der Regierung vorgeschlagen, sich frühzeitig auf Klimaflüchtlinge einzustellen. "Australien wird im Zentrum von Plänen stehen, die sich um die erzwungene Umsiedlung der Einwohner von niedrig liegenden Inselstaaten drehen", zitiert die Zeitung The Age Jenny Hayward-Jones und Fergus Hanson vom Lowy Institute. Daher sei es in Australiens Interesse, sich schon jetzt konkrete Gedanken über die Einwanderung der Betroffenen zu machen.

Den beiden Politologen geht es darum, dass nicht erst auf den Notfall gewartet wird und die Probleme dann vor allem den Hilfsorganisationen überlassen werden. Sie schlagen einen Zwei-Stufenplan vor: Zunächst soll die Regierung die Zahl der Stipendien für Studenten aus Kiribati und Tuvalu, die beiden am stärksten gefährdeten Staaten, erhöhen. Von Tuvalu sind einige Experten der Ansicht, dass es schon 2050 nicht mehr bewohnbar sein könnte. Im zweiten Schritt sollten die Stipendiaten nach der Ausbildung Arbeits- und permanente Aufenthaltserlaubnis erhalten. Außerdem sollte ihnen zügig das Nachholen der Angehörigen ermöglicht werden. Ein solches Verfahren würde eine geordnete Umsiedlung ermöglichen, und die Einwanderer würden außerdem seltener von öffentlicher Unterstützung abhängen.