Sahra Wagenknecht: Von links bis heute
- Sahra Wagenknecht: Von links bis heute
- Die linke Sackgasse
- Antiliberale Einstellungen und eine ermüdende Arbeiterschaft
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Wagenknecht will nicht mehr für die Linke kandidieren. Sie ist immer ihren eigenen Weg gegangen, mit klarem, eher konservativem Kompass in der Hand. Ein Blick hinter die vielen Gesichter des linken Aushängeschilds.
Sahra Wagenknecht hat angekündigt, bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr für die Partei Die Linke antreten zu wollen. Sie wolle sich aus der Politik zurückziehen und als Publizistin arbeiten, "oder es ergibt sich politisch etwas Neues".
Die Entfremdung Wagenknechts von ihrer Partei läuft schon seit Längerem, genährt vor allem durch ihre Haltung während der sogenannten "Flüchtlingskrise" und der Coronapandemie.
Auch bei der Bewertung des Ukraine-Kriegs kam es erneut zu Spannungen. Die Linken-Spitze kritisierte vor allem den Aufruf zu einer Kundgebung im Anschluss an dem mit Alice Schwarzer verfassten "Manifest für den Frieden". Sie habe sich dabei nicht ausreichend von Russland und rechten Kräften distanziert, hieß es.
Ob Wagenknecht sich an einer Parteineugründung beteiligen werde, wie zuletzt immer wieder vermutet wurde, ließ sie offen. Dass sie in Zukunft weiter politisch aktiv sein wird, in welcher Form auch immer, sollte außer Frage stehen, wenn man ihren Lebensweg und ihren "Willen zum Politischen" beachtet.
Wohin die Reise konkret geht, ist sicherlich ungewiss. Aber wer sich ihre intellektuellen und politischen Konzepte jenseits des parteipolitischen Alltagsgeschäfts vergegenwärtigt – entfaltet in ihren zahlreichen Büchern –, erkennt ein klares, gefestigtes Koordinatensystem.
Denn Wagenknecht ist nicht nur eine Politikerin, eine öffentliche Reizfigur im Nachwende-Deutschland, sondern auch eine politische Denkerin, deren Glaube vor dreißig Jahren durch den Fall der Mauer "obdachlos" wurde. Während sie den Schock zu absorbieren suchte, kämpfte sie in einem ständigen politischen Ringkampf um intellektuelle Balance. Die Frage ist: Welche Werte haben sie dabei bis heute angeleitet? Denn wie sie selbst sagt:
Jeder Mensch hat ein weltanschauliches Grundraster, mit dem er sich in der Welt orientiert. Die Frage ist, in welchem Maße dieses Raster den wirklichen Zusammenhängen entspricht.
Es folgt ein Auszug aus dem Buch "Sahra Wagenknecht. Von links bis heute" von David Goeßmann.
Sahra Wagenknecht hat viele Gesichter. Sie gilt als standfeste Kommunistin und Sozialistin, scharfe Kritikerin des Neoliberalismus und gefeierte Parteiikone der Linkspartei.
Sie verteidigte die DDR nach ihrem Untergang, heute kämpft sie für die soziale Marktwirtschaft und einen "kreativen Sozialismus". Idealistin und Realpolitikerin in einem mischt sie die linke Szene immer wieder auf und avancierte dabei zu einer der populärsten Politikerinnen der Republik.
Auch wenn sie das politische Geschäft als Bürde wahrnimmt, geht sie voran, angetrieben von ihrem Willen, Ideen auch umzusetzen. Das Ergebnis: Aufstieg zur Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, meist eingeladene Politikerin zu Fernsehtalkshows, allseits anerkannte Ökonomin mit großer Fangemeinde – fast eine halbe Million Facebook-Fans –, rund ein Dutzend publizierte Bücher, darunter Bestseller, zahllose Vorträge und Reden.
Sie wird zu der ostdeutschen Spitzenpolitikerin neben der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Seit einigen Jahren ist sie verheiratet mit dem ehemaligen Vordenker der deutschen Sozialdemokratie und Begründer der Linkspartei Oskar Lafontaine.
Der Erfolgsmarsch durch die Nachwende-BRD war der Ostdeutschen Wagenknecht keineswegs in die Wiege gelegt worden. Im Gegenteil. Das ZDF nannte die "junge Frau" 1994 einen "lebende(n) Anachronismus". Die britische Times mutmaßte, dass die "Reformkommunisten der PDS" wohl bald "Jagd" auf die "introvertierte Studentin" machen werden, die weiter DDR und Sowjetunion verteidige.
Der damalige PDS-Vorsitzende Lothar Bisky spöttelte zur selben Zeit: "Wenn die so weitermacht, wird sie sich eines Tages in die wiedererstandene Rosa Luxemburg verwandelt haben. Sie beginnt in letzter Zeit sogar schon leicht zu hinken."
Als die DDR unterging, war es für sie die schlimmste Zeit ihres Lebens. Die welthistorische Tragödie schlägt in Sahra Wagenknechts Denken ein wie ein Komet. Seit dem Trauma des Untergangs des "ersten Sozialismus" wühlt eine einzige große Frage in ihrem Kopf: Wie konnte das bessere System gegen das schlechtere verlieren und von der Geschichte zur Seite geschoben werden?
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