Sahra Wagenknecht und die Linke: Geheimoperation Parteineugründung

Wagenknecht in Westdeutschland, 2013. Nun scheint der gemeinsame Weg beendet. Bild: DIE LINKE Nordrhein-Westfalen, CC BY-SA 2.0

Anzeichen einer Spaltung der Linkspartei verdichten sich. Europawahl spielt wichtige Rolle. Trennung wird nicht nur für prominenteste Linke zur Schicksalsfrage. Eine Spurensuche.

Der Niedergang der Linkspartei hat lange gedauert, nun steht ihr Ende offenbar kurz bevor. Mehrfach haben prominente Vertreter der beiden verfeindeten Lager in jüngster Zeit deutlich gemacht, dass es keine gemeinsame Zukunft mehr gibt. Niemand glaubt mehr an ein Überleben der Partei in ihrer jetzigen Form.

Nach der Sommerpause dürften sich die Wege trennen. Auch wenn die Akteure im Lager von Sahra Wagenknecht bis September Stillschweigen vereinbart haben, verdichtet sich das Bild: Die Geheimoperation Parteineugründung ist in vollem Gange.

Wer zum Thema recherchiert, stößt auf ein Geflecht aus Schweigen, Verwirrungstaktik und erstaunlich offenen Worten. Doch trotz des Stillhalteabkommens mehren sich die Hinweise auf eine bevorstehende Trennung.

Offen äußert sich die Abgeordnete Wagenknecht selbst. Schon vor knapp einem halben Jahr hatte sie im ZDF angekündigt, "bis Ende des Jahres" müsse klar sein, wie es weitergeht. Ihr Wort gilt: Im Herbst sollen nun die ersten Schritte zur Trennung eingeleitet werden.

Dafür spricht, dass beide Seiten ihre Positionen unumkehrbar geklärt haben. Der von Wagenknecht-Gegnern dominierte Parteivorstand hatte die prominente Politikerin Anfang Juni in einem parteipolitisch einmaligen und verfassungsrechtlich fragwürdigen Beschluss aufgefordert, ihr Mandat "zurückzugeben". Das Papier basierte auf dem immer wiederkehrenden Trugschluss, das Mandat sei Eigentum der Partei, der Mandatsträgerin sozusagen geliehen.

Vor wenigen Tagen dann der nächste Akt im Trennungsdrama: Die Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali kündigte mit Verweis auf das Vorgehen und die Politik der Wagenknecht-Gegner an, im September nicht mehr für den Posten zu kandidieren.

Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Berliner Zeitung.

Doch was sind die nächsten konkreten Schritte auf dem Weg zur Trennung? "Große Neuigkeiten" werde es nach der Sommerpause geben, heißt es in Gesprächen mit Akteuren aus dem Umfeld Wagenknechts. Die Gründung einer eigenen Partei noch in diesem Jahr muss das aber nicht unbedingt bedeuten.

Die neue Linke – vereint im Verein?

Im Gespräch ist ein Vereinsmodell. Die Abgeordneten des Wagenknecht-Lagers könnten noch in diesem Jahr einen solchen Verband gründen und damit eine erste Struktur für eine neue linke Partei schaffen. Das käme einer Kaderpartei am nächsten: einer geschlossenen, zunächst auf Gefolgsleute beschränkte Struktur, die so lange bestehen könnte, wie es das Parteiengesetz erlaubt.

Dies hätte aus Sicht der Neugründer mehrere Vorteile. Zunächst würde man sich vor politischer Einflussnahme schützen. Zugleich würde man den Wagenknecht-Gegnern in Partei und vor allem Fraktion keinen unmittelbaren Anlass für Sanktionen gegen die Leute in den noch eigenen Reihen geben. Es wäre schließlich noch keine Gegenpartei.

Denn während die Mitarbeiter in den Abgeordnetenbüros nur ihren Arbeitgebern verpflichtet sind, sind Fachreferenten und andere Funktionsträger bei der Fraktion angestellt. Diejenigen unter ihnen, die dem Wagenknecht-Lager zuzurechnen sind, müssten im Falle einer Parteigründung mit ihrer sofortigen Freistellung rechnen.

Daher werden derzeit intern auch arbeitsrechtliche Fragen diskutiert, die sich aus diesen Verträgen mit der Fraktion ergeben: Wie lange würden die tatsächlichen oder vermeintlichen Anhänger der neuen Partei noch bezahlt, wenn das Projekt unmittelbar nach der Sommerpause bekannt gegeben wird? Wie lange könnte man die Ressourcen der bestehenden Struktur noch nutzen, wenn die Gründung in den Wochen vor dem Jahreswechsel erfolgt?

Die treibenden Kräfte hinter dem möglichen Projekt haben die Erfahrungen von Parteineugründungen der letzten Jahre, darunter "Die Basis" und "Team Todenhöfer", genau beobachtet.

Das betrifft auch die Frage der Finanzen. Denn sollte es einer möglichen neuen Partei gelingen, bis zur Europawahl Mitte nächsten Jahres arbeitsfähige Strukturen aufzubauen und Kandidaten ins Rennen zu schicken, wird es auf den Kontostand ankommen: Einen Euro staatliche Wahlkampfkostenerstattung erhoffen sich die Befürworter einer Parteigründung für jede Stimme. Das gilt aber nur in dem Maße, wie man zum Zeitpunkt der Wahl hat Geld aufbringen können.

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