Scholz und die "Marder" in Athen

Etwas Sightseeing musste sein. Bild: Handout Dimitris Papamitsos / Greek Prime Minister's Office

Griechenland sieht sich in einer stärkeren Rolle als in der Ära Merkel. Der deutsche Kanzler erteilte aber Reparationsforderungen eine erneute Abfuhr. Auch der Konflikt mit dem Nato-Partner Türkei spielte bei dem Treffen eine Rolle.

Die Militärparade hat der Staatsgast knapp verpasst: Am Tag vor dem Nationalfeiertag, an dem in Griechenland an den Eintritt in den Zweiten Weltkrieg am 28. Oktober 1940 erinnert wird, trafen sich Premierminister Kyriakos Mitsotakis und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) heute im Amtssitz des griechischen Regierungschefs, der Villa Maximos Mansion in Athen.

Beim üblichen Small Talk vor den Kameras vor Beginn des Arbeitsgesprächs fachsimpelten beide Regierungschefs über den nahe gelegenen Nationalgarten Athens, der im vorvergangenen Jahrhundert nach dem Muster des Englischen Gartens in München erbaut wurde. Mitsotakis, der auch Deutsch spricht, erklärte seinem Amtskollegen die Geschichte des Gartens und den historischen deutschen Einfluss auf Englisch. Beide treffen seit Scholz' Amtsantritt zum dritten Mal aufeinander.

Vorher schlenderten die beiden bei Scholz' erstem offiziellem Besuch in Athen über die Akropolis. Mitsotakis zeigte dem deutschen Kanzler zahlreiche Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt. Im griechischen staatlichen Fernsehen wird erklärt, dass sich Deutschland nun in einer anderen Rolle als bei früheren Kanzlerbesuchen befinde. Unter Scholz habe Deutschland während des aktuellen Krieges in der Ukraine die Führungsrolle in Europa verloren, heißt es.

Scholz' Besuch in Paris am Vortag habe ohne gemeinsame Pressekonferenz mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron ein eher unproduktives Ende gefunden, wird den griechischen Fernsehzuschauern erklärt. Umso wichtiger sei nun der Besuch in Athen, wo die Regierungschefs über den Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, gemeinsame Wirtschaftsbeziehungen und die türkische Aggression in der Ägäis diskutieren.

Bild: Handout Dimitris Papamitsos / Greek Prime Minister's Office

Würde Scholz einen Tag länger in Athen weilen, so hätte er bei der Militärparade, mit der sich Griechenland an den Angriff der Achsenmacht Italien erinnert, die ersten deutschen "Marder" über die Straßen Athens rollen sehen können. Sie sind Teil des Ringtauschs, bei dem Griechenland der Ukraine auf- und umgerüstete Panzer der sowjetischen Baureihe BMP-1 übergibt und dafür aus Deutschland "Marder" bezieht.

Mitsotakis freute sich bei seinem Statement bei der gemeinsamen Pressekonferenz, dass Griechenland nun wirtschaftlich besser dastehe und Scholz' Besuch somit in einem noch besseren Klima als der Abtrittsbesuch der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stattfinde.

Er betonte, dass unter seiner Regierung Griechenland wieder zum gleichwertigen Partner geworden sei – und nicht mehr in der Rolle des schwachen, passiven Kreditempfängers. Mitsotakis nutzte während der live im griechischen Fernsehen übertragenen Pressekonferenz die Gelegenheit, die Maßnahmen zu lobpreisen, mit denen seine Regierung in der aktuellen Krise die griechischen Bürger unterstützt.

Der griechische Premier zitierte auch den früheren deutschen Kanzler Willy Brandt, der 1975 bei seiner Ernennung zum Ehrendoktor in Athen die Wichtigkeit der europäischen Solidarität – damals angesichts der Ölkrise – hervorgehoben hatte. Er lobte den Ringtausch als Modell, das sowohl der Ukraine als auch Griechenland nütze.

Mitsotakis pochte zudem auf die deutschen Weltkriegsreparationen und die Rückzahlung eines von der deutschen Besatzung erpressten Zwangskredits. Er erinnerte Scholz daran, dass außer dem Krieg in der Ukraine auch die Zypern-Frage immer noch aktuell sei. Es sei nicht hinzunehmen, dass weiterhin ein Drittel der Inselrepublik unter türkischer Besatzung stehe.

Hinsichtlich der aktuellen Energiekrise hob Mitsotakis hervor, dass sein Vorschlag, den Gaspreis in der gesamten EU zu deckeln und gemeinsam Energie einzukaufen, ein wirksames Mittel gegen die Krise sei. Er beklagte, dass auch die "Flüchtlingskrise" an der Grenze zur Türkei immer noch aktuell sei und rief den Nachbarstaat zum Dialog sowie zur Achtung des Völkerrechts auf. In Europa sei kein Platz mehr für weitere Krisen, meinte Mitsotakis. Auf Deutsch beendete er sein Statement mit "geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude".

Bild: Handout Dimitris Papamitsos / Greek Prime Minister's Office

Scholz betonte eingangs die Gemeinsamkeiten und Verbindungen beider Länder und freute sich über die Tour auf der Akropolis. In der Folge betonte er, dass er in ein "neues Griechenland" gekommen sei und dass er sich über die Entwicklungen der Beziehungen zwischen beiden Ländern freue. Scholz erklärte, dass beide hinsichtlich des Krieges in der Ukraine an einem Strang ziehen würden. Es gäbe eine Übereinkunft, gemeinsam in Europa die Verteuerung von Energie und Grundbedarfsmitteln zugunsten der Bürger in die Schranken zu weisen.

Auf eine Frage der Bild-Zeitung, was Scholz machen würde, wenn die deutschen "Marder" gegen die Türkei, den Nato-Partner, auf griechischen Inseln stationiert würden, antwortete der Kanzler, Deutschland würde nie fragen, was Griechenland als Nato-Partner mit deutschen Waffen mache. Einer Frage nach den Kriegsreparationen für Griechenland, aber auch für Polen wich Scholz aus. Mitsotakis sprang ein und erklärte, dass die "Marder" am Evros-Fluss an der Landgrenze zur Türkei stationiert würden, wo sie aus taktischen Gründen sinnvoller eingesetzt werden könnten.

Die Süddeutsche Zeitung fragte Mitsotakis nach den Auswirkungen der chinesischen Investition in den Hafen von Piräus und wandte sich an den Bundeskanzler, um von ihm eine aktuelle Einschätzung zum Deal hinsichtlich des Hamburger Hafens zu bekommen. Mitsotakis verwies darauf, dass der Hafen von Piräus zu einer Zeit, in der Griechenland pleite war, privatisiert worden sei. Die Privatisierung sei wirtschaftlich erfolgreich, betonte Mitsotakis. Allerdings müsse darauf geachtet werden, nicht von einem Handelspartner abhängig zu werden.

Scholz erklärte, dass diese Diversifikation der Schlüssel für Investitionen in ganz Europa sei und dass es europäischer Konsens sei, Wirtschaftsbeziehungen nicht ausschließlich mit einem Handelspartner abzuschließen. Er verteidigte den Deal in Hamburg und erklärte, dass dieser nur einen Teil des Hafens betreffe. Zudem stehe der Hafen weiterhin unter deutscher Verwaltung.

Scholz-Interview für alle Fälle

Einen Einblick in die deutschen Positionen gibt auch ein Interview des Journalisten Giorgos Pappas mit Scholz für die griechische Zeitung Ta Nea. Während der Pressekonferenz verwies er auf die dort gegebenen Antworten.

Auf die türkische Aggression in der Ägäis angesprochen, die Pappas mit Russlands Angriffskrieg in der Ukraine verglich, meinte Scholz:

Die Konditionen sind aus unserer Sicht nicht vergleichbar und ich würde empfehlen solche Vergleiche zu vermeiden. Eines ist jedoch wahr: Es ist nicht akzeptabel, dass ein Nato-Partner die Souveränität eines anderen in Frage stellt. Dies gilt auch für mehr oder weniger verschleierte militärische Drohungen. Gutnachbarliche Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei sind nicht nur für die beiden Länder wichtig, sondern für ganz Europa. Die Bundesregierung hält daran fest, dass offene Fragen zwischen beiden Ländern im Dialog und auf der Grundlage des Völkerrechts gelöst werden müssen.

Einer Frage nach den deutschen Kriegsreparationen und der immer noch ausstehenden Rückzahlung des von Nazi-Deutschland erpressten Zwangskredits erteilte Scholz eine Abfuhr, "rechtlich und politisch ist die Frage der Reparationen abgeschlossen. Gleichzeitig ist klar: Deutsche haben schreckliche Verbrechen begangen. Deshalb sind Verarbeitung und Gedächtnis so wichtig für uns, und deshalb ist mir die Zusammenarbeit bei Bildungs- und Gedächtnisprogrammen so wichtig."