Schürfrechte im Weltraum sichern

Das Raumfahrtprogramm der Bundesregierung

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Die Bundesregierung will in den kommenden vier Jahren 8 Milliarden Mark für die Raumfahrt ausgeben. Die Herausbildung eines klaren, nationalen Profils bei gleichzeitiger Intensivierung der Zusammenarbeit auf europäischer und globaler Ebene stehen im Zentrum des Raumfahrtprogramms (PDF-Datei), das am Mittwoch in einer Kabinettssitzung verabschiedet wurde. Daneben soll verstärkt die Privatwirtschaft einbezogen werden.

"Der Nutzen der Raumfahrt für den Menschen und wissenschaftliche Exzellenz stehen für die deutsche Raumfahrtpolitik an oberster Stelle", erklärte dazu Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn. Wobei sie in erster Linie den wirtschaftlichen Nutzen im Auge hat. Die schwerer quantifizierbare, kulturelle Dimension der Raumfahrt wird in dem 25-seitigen Papier lediglich in einem Satz erwähnt: "Raumfahrt für die Wissenschaft besitzt darüber hinaus eine kulturelle, weltbildprägende Dimension." Erkennbare Konsequenzen für die Politik hat diese Aussage nicht.

Utopien und Visionen finden halt wenig Gehör, wenn es gilt, Schlachten um neue Märkte zu schlagen.

"Die durch die Raumfahrt geschaffene Infrastruktur und Technologie hat einen gewaltigen Markt geöffnet, der weltweit heute bereits ein Volumen von ca. 55 Mrd. US$ jährlich erreicht hat und für das Jahr 2006 auf ein Potenzial von 170 Mrd. US$ geschätzt wird. Dabei zeigt der kleine, relativ abnehmende Anteil der Startdienste sowie des Satelliten- und Komponentenbaus im Vergleich zu den Multimedia-Mehrwertdiensten die enorme Hebelwirkung dieser Raumfahrttechnologie in der gesamten Wertschöpfungskette. Wer am Anfang der Wertschöpfungskette mitwirkt, wer die Technikkompetenz besitzt und bei der Festlegung wichtiger Standards und ihrer Schnittstellen dabei ist, hat vorrangigen Einfluss auf die Gestaltung der übrigen Glieder der Wertschöpfungskette."

In diesem Kampf um Weltmarktanteile kann sich kein europäisches Land Alleingänge leisten, muss aber deswegen nicht auf eigene Schwerpunktsetzungen verzichten. Die künftige Organisation und Struktur der europäischen Raumfahrt stellt sich die Bundesregierung als ein "arbeitsteiliges Netzwerk von Kompetenzzentren" vor, innerhalb dessen es "keine Monopolstrukturen, wohl aber eine deutliche Schwerpunktverteilung" geben soll. "An die Stelle des Strebens nach individueller Autarkie muss die bewusste Bereitschaft zu wechselseitiger Abhängigkeit über Landesgrenzen hinweg treten. Für diesen Öffnungsprozess ist die Entwicklung eines nationalen Profils von wesentlicher Bedeutung."

Das klingt zurückhaltend, muss aber vor dem Hintergrund gelesen werden, dass sich das deutsche Engagement "auf nahezu alle wichtigen Teilgebiete der Raumfahrt" erstreckt und in einigen Bereichen "Spitzenstellungen" errungen werden konnten. Die Voraussetzungen, im Zuge der Neustrukturierung der europäischen Raumfahrt möglichst viele Kompetenzzentren in Deutschland anzusiedeln, sind also nicht schlecht. Beim Thema Raumtransport ist sogar von einer Neustrukturierung des bislang von Frankreich dominierten Unternehmens Arianespace die Rede.

Zurücknehmen will sich die Bundesregierung dagegen beim Betrieb und der Nutzung der Internationalen Raumstation. Der gegenwärtige Anteil von 41 Prozent an den europäischen Entwicklungskosten schränke "die deutschen Handlungsspielräume zur Förderung zukunftsweisender Vorhaben mit kommerzieller Nutzungs- und Wachstumsperspektive" zu sehr ein. Die entstehende Lücke soll durch die Privatwirtschaft gefüllt werden: "Als Anreiz für eine verstärkte privatwirtschaftliche Beteiligung wird Deutschland seine Promotion anwendungsorientierter Forschung mit finanzieller Eigenbeteiligung der Nutzer verstärken."

Einfach dürfte es jedoch nicht werden, private Investoren für ein Projekt zu finden, dem man selbst den Rücken kehrt, um sich "zukunfstweisenden Vorhaben" zu widmen. Ob es dem "ISS Forum 2001", das vom 5. bis 7. Juni in Berlin über die Nutzungsmöglichkeiten der Internationalen Raumstation informieren will, gelingt, nennenswertes Interesse zu wecken, muss sich erst noch zeigen.

Weitgehend ausgespart ist der heikle Bereich der militärischen Raumfahrt. Eher beiläufig ist in dem Regierungsprogramm gelegentlich von "sicherheitsrelevanter Aufklärung" und "Friedenssicherung" die Rede. An einer Stelle heißt es jedoch sehr deutlich: "Die Erkenntnisse des Kosovo-Konflikts unterstreichen die Dringlichkeit einer nationalen Kernfähigkeit zur satellitengestützten Aufklärung."

Alles in allem ist das Raumfahrtprogramm der Bundesregierung eine solide Strategie zur Sicherung des deutschen Einflusses bei der effektiven Nutzung der Ressource Weltraum. Aber wollen die Menschen wirklich in den Weltraum, um dort so weiter zu machen wie bisher?

Wer von einer Reise in den Orbit oder weiter träumt, hofft wohl eher auf das Gegenteil. Der Amerikaner Russell Schweikart, der im März 1969 mit Apollo 9 die Erde umkreiste, drückte es so aus: "Wenn du nach Hause kommst, ist die Welt anders geworden. Geändert hat sich die Beziehung zwischen dir und diesem Planeten, zwischen dir und all den anderen Lebensformen auf dem Planeten. Denn du hast diese Erfahrung gemacht. Es ist ein Unterschied, und er ist unendlich wertvoll." Es wäre schön, diesen Unterschied auch in der Raumfahrtpolitik zu spüren.