Schwierigkeiten mit guten Nachrichten aus der Front in Afghanistan

Nur noch spärlich fließen Informationen über die militärischen Aktionen - und die deutschen Bürger erfahren noch immer nicht, was die deutschen Soldaten im Kampfeinsatz machen

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Beim Besuch des US-Präsidenten Bush in Deutschland wird es auch um den Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan und darüber hinaus gehen. Bundeskanzler Schröder bezeichnete in einem Interview Bush als einen "guten Freund Deutschlands", der "deshalb hoch willkommen" sei. Er räumte ein, dass ein Machtgefälle zwischen den USA und Deutschland besteht: "Amerika ist die einzige Supermacht in der Welt. Der Administration in den USA ist trotzdem bewusst, dass sie Freunde und Verbündete braucht. Niemand kann alleine Politik machen." Dazu verwies er unter anderem auf die Präsenz deutscher Truppen auf dem Balkan und in Afghanistan und fügte hinzu: "Die USA wissen unseren Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus zu schätzen." Da könnte Bush gegenüber der deutschen Bevölkerung einiges voraus haben. Doch auch ganz allgemein hört man nur noch wenig Genaues aus dem angeblichen erfolgreichen Krieg in Afghanistan.

Das von den Briten "entdeckte" Waffenlager wurde während der Operation Snipe bildwirksam zerstört

Für das Pentagon gilt allerdings weiterhin, was auch US-Vizeverteidigungsminister Wolfowitz in einem Interview bekräftigte: Alles ein ungetrübter Erfolg.

"Ich glaube, dass wir ein großes Stück erreicht haben und weiterhin viel erreichen werden. In Afghanistan allein sind die Ergebnisse meiner Meinung nach beeindruckend gewesen. Wir sind die theologischen Taliban los geworden, wir haben es grundsätzlich geschafft, dass sich in Afghanistan keine Terroristen mehr organisieren und von dort ausoperieren können. Wir haben Viele gefangen und getötet, und wer noch übrig geblieben ist, befindet sich auf der Flucht."

Wolfowitz vergisst freilich nicht, dass noch viel Arbeit auf die USA und die Koalition gegen den Terrorismus wartet: "Afghanistan ist aber nur eines von 60 Ländern, in denen wir al-Qaida jagen." Es gibt also viel zu tun in der ganzen Welt. Gleichwohl wird, sieht man von möglichen Angriffen gegen Länder wie Irak ab, die gegenwärtige Situation in Afghanistan wohl ein gutes Beispiel für die künftigen Auseinandersetzungen zwischen den Truppen der Allianz und den Terroristen oder muslimischen Kämpfern sein, sofern der Krieg nicht auf andere Konfliktzonen mit anderen Kontrahenten wie beispielsweise in Kolumbien übergreift.

Frappierend ist jedenfalls der Umstand, dass die deutschen Bürger von der deutschen Regierung in keiner Weise Informationen darüber erhalten, was die von ihr entsendeten Soldaten in ihren Kampfeinsätzen machen. So sehr die amerikanische oder britische Regierung auch Nachrichten über Einsätze ihrer Truppen zensieren oder gezielt lancieren, so findet doch noch eine Information statt. In Deutschland hingegen schweigt sich das Verteidigungsministerium über den Einsatz der aus 100 oder 200 (?) Mann bestehenden Mannschaft der KSK aus, die an Kampfeinsätzen beteiligt sein soll und die Schröder wohl auch zum deutschen Beitrag beim Kampf gegen den Terrorismus rechnet. Angeblich teile man keine näheren Informationen mit, um die Soldaten nicht zu gefährden. Warum aber sollen die deutschen Soldaten gefährdeter als die amerikanischen, australischen oder britischen Soldaten sein, von deren Heldentaten wir fortlaufend unterrichtet werden?

Am Sonntag haben Truppen der Koalition im Zuge der "Operation Condor" die Hälfte eines Gebiets in Ostafghanistan auf der Suche nach Taliban- oder al-Qaida-Kämpfern durchkämmt und wurden dann beschossen. Offenbar wurde ein Angehöriger von amerikanischen Spezialtruppen dabei getötet, aber auch ein Gegner soll erschossen worden sein. Zuvor waren 1000 britische Soldaten in die Nähe von Khost geschickt worden, nachdem dort eine australische Patrouille angegriffen worden ist. Die hatten die Amerikaner zu Hilfe gerufen, die dann von Flugzeugen angebliche Feinde beschossen und getötet hatten. Möglicherweise handelte es sich dabei aber nur um Teilnehmer eine Hochzeit, die zur Feier wie traditionell üblich Schüsse in die Luft geschossen hatten. Eine andere Version lautet, dass es bei der Schießerei um einen Streit zwischen zwei Stämmen gegangen sei. Offiziell hieß es allerdings, dass es Feindkontakt gegeben habe und eine unbekannte Zahl an Feinden getötet worden sei. Auch Einheiten anderer Staaten wären beteiligt gewesen, beispielsweise um Fluchtwege abzuschneiden.

Einen ähnlichen Erfolg gab es bereits früher. Mit 1700 Soldaten führen die Briten den größten Kampfeinsatz seit dem Golfkrieg. Der Erfolg scheint bislang vornehmlich im Einfangen einer Durchfallerkrankung und im Sprengen eines Waffenlagers bestanden zu haben, nachdem die Operation Snipe nach 16 Tagen nicht einmal auf einen Feind gestoßen ist. Nach der als großen Erfolg bezeichneten Sprengung des Waffenlagers von al-Qaida stellte sich schnell heraus, dass es einem lokalen Warlord gehörte und schon länger bekannt war. Immerhin, das gab Bilder und eine Erfolgsmeldung, die man sicherlich gerne wieder zurückgezogen hätte.

Manche der an der Koalition beteiligten Regierungen - Deutschland anscheinend nicht - hätte gerne mehr Erfolgsmeldungen über die militärischen Aktionen. Mittlerweile scheint schon "Feindkontakt" gut zu sein, einen Einsatz zu rechtfertigen, selbst wenn unklar bleibt, wer dieser Feind denn ist. Unbekannt ist auch, ob überhaupt noch eine größere Zahl an Taliban- oder al-Qaida-Kämpfern im Lande ist. Vermutungen gehen dahin, dass vielleicht noch 100 oder 200 Kämpfer da seien. Ob das die gewaltigen Ausgaben der Koalition für die Terrorismusbekämpfung wirklich rechtfertigt und man sich nicht stärker für friedenssichernde Maßnahmen und den Wiederaufbau einsetzen sollte, ist die Frage, auch wenn letztere weniger Bilder und Meldungen über vorzeigbare Erfolge bringen.

Die können zwar derzeit auch nicht wirklich geliefert werden. Dafür dünnt sich der Strom an wirklichen Informationen immer mehr aus. Philip Knightley, der Autor von "The Firt Casualty", einer Geschichte des Journalismus in Kriegszeiten (Das erste Opfer ist die Wahrheit: Kriegsberichterstattung unter Beschuss), bezeichnete gegenüber dem Observer den Einsatz in Afghanistan als den "geheimsten Krieg in der Geschichte": "Es werden Dinge in unserem Namen getan, und wir wissen nichts darüber. Wir haben keine wirkliche Vorstellung darüber, auch nicht ganz allgemein, was dort passiert. Das würde lustig sein, wen es nicht tragisch wäre." Knightley sagt, dass jetzt die Informationstechniken, die zur Zensur militärischer Aktionen und für Propagandakampagnen erfolgreich entwickelt und in Friedenszeiten perfektioniert wurden, im letzten halben Jahr zur Anwendung kamen: "Wir sehen jetzt, wie sie wieder sehr wirksam eingesetzt werden. Aber sie sind mit einer pluralistischen Demokratie auf keine Weise zu vereinbaren. Ich fürchte, vor uns liegen dunkle Zeiten."

Das deutsche Verteidigungsministerium, das besonders gut alle Informationen blockiert hat, präsentiert dafür stolz eine EMNID-Umfrage, nach der "72 % der Bürger stark an Sicherheits- und Verteidigungspolitik interessiert" seien. 81 % meinen gar, die Soldaten der Bundeswehr erfüllen in Afghanistan ihren Auftrag gut. Zumindest was die Kampfeinsätze angeht, können die Bürger dies aber gar nicht beurteilen.