Sechs mutmaßliche IS-Terroristen festgenommen
Den Asylbewerbern wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen
Insgesamt etwa 500 Beamte des Hessischen Landeskriminalamts und anderer Polizeidienststellen der deutschen Bundesländer durchsuchten gestern acht Wohnungen in Kassel, Hannover, Leipzig und Essen. Bei diesen Durchsuchungen wurden Mobiltelefone und Laptops sichergestellt und sechs Asylbewerber aus Syrien festgenommen, denen die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main die Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) und die "noch nicht abgeschlossene" arbeitsteilige Vorbereitung eines Anschlags "auf ein öffentliches Ziel in Deutschland" vorwirft.
Verbindung zu "Abu Walaa"?
Den Informationen der Bild-Zeitung und des Hessischen Rundfunks nach sollen die Verdächtigen einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in der Ruhrgebietsstadt Essen geplant haben, den sie in einem Stadtplan markierten. Andere Medien sprechen von einem Essener Einkaufszentrum, das auf sichergestellten Fotos zu sehen sein soll, als möglichem Ziel. Dieses Einkaufszentrum am Limbecker Platz blieb im März wegen einer Terrorwarnung drei Tage lang geschlossen. Die Verdächtigen sollen es getarnt ausgespäht haben, indem sie sich als Architekturstudenten ausgaben.
Der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) nach wurden die nun Festgenommenen, die mit falschen Identitäten eingereist sein und bereits in Syrien dem IS angehört haben sollen, von Landsleuten angezeigt.
Diese aus Ermittlerkreisen stammenden Informationen wurden von den Behörden aber bislang nicht offiziell bestätigt. Auch dazu, ob die sechs Asylbewerber als unabhängige Zelle agierten (wie der Tagesspiegel wegen der Nichtübernahme des Falls durch die die Bundesanwaltschaft mutmaßt) oder durch den mutmaßlichen deutschen IS-Repräsentanten Ahmad Abdulaziz Abdullah A. alias "Abu Walaa" gesteuert wurden (zu dessen Netzwerk auch der Berliner Weihnachtsmarktmörder Anis Amri gehört haben soll), gibt die Generalstaatsanwaltschaft wegen der laufenden Ermittlungen keine Auskunft. Gegen diesen bereits vor einem Jahr festgenommenen irakischstämmigen Salafistenprediger und vier seiner Helfer läuft derzeit ein Strafprozess im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Celle.
Dem Kronzeugen Anil O. nach legten diese Angeklagten ihren Anhängern "zwei Optionen dar": Entweder, in das IS-Kalifat auszureisen und dort zu kämpfen, oder in Deutschland Anschläge zu verüben. O. entschloss sich für den Gang nach Syrien, wofür er nach seiner Festnahme bei der Wiedereinreise nach Deutschland zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Weil er sich gegen seinen ehemaligen Mentor gewendet hat, droht dem verkleidet aussagenden 23-Jährigen, der in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde, nach eigenen Angaben der Tod durch andere IS-Anhänger.
Bundesverfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen meinte zu A., "eine vergleichbar starke charismatische Figur, die den IS unterstützte", habe seine Behörde "so bislang nicht wahrgenommen", weshalb er die Terrorgruppe in Deutschland durch den Prozess geschwächt sieht: "Wie stark", so Maaßen, "das können wir derzeit noch nicht einschätzen - Abu Walaa wird jedenfalls nicht so ohne Weiteres zu ersetzen sein."
Reul prüft angeblich Verbot von 19 salafistischen Moscheevereinen
In Nordrhein-Westfalen hat der örtliche Verfassungsschutz dem aktuellen Spiegel nach eine Liste mit 19 salafistischen Moscheevereinen zusammengestellt, deren Verbot Innenminister Herbert Reul nun prüft. Offiziell heißt es aus dem Ministerium dazu lediglich, über Verbote spreche man nicht, sondern führe sie durch. Insgesamt werden von den etwa 850 Moscheevereinen an Rhein und Ruhr 73 vom Verfassungsschutz beobachtet. Unter Reuls Vorgänger Ralf Jäger hatte sich das Bundesland durch mehrere Skandale mit Extremisten wie Anis Amri in Sachen innerer Sicherheit einen zweifelhaften Ruf erworben, der dazu beitrug, dass SPD und Grüne die Landtagswahl dort verloren.
Kalifat weitgehend verschwunden
In seinem ehemaligen Kalifat in Syrien und dem Irak beherrscht der IS nach der Einnahme von Abu Kamal durch die syrische Armee (vgl. Syrische Armee erobert Grenzort Abu Kamal) nur noch einen kurzen Euphratstreifen, etwas Wüste, und ein Stück Grenze zu Israel. Angesichts dieser Lage kündigte der russische Staatspräsident Wladimir Putin gestern einen baldigen Abzug der russischen Anti-Terror-Kräfte in Syrien an.
Für heute hat Putin den iranischen Präsidenten Hassan Rouhani und seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan zu Gesprächen in die Schwarzmeerstadt Sotschi eingeladen, wo er gestern den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad empfing. In Saudi-Arabien, der dritten Regionalmacht des Nahen Ostens, treffen sich währenddessen Vertreter von Gruppen, die Assad stürzen wollten. Sie sollen für die Friedensverhandlungen in Genf gemeinsame Positionen vereinbaren. Ihr dortiger Chefverhandler Rijad Farid Hidschab hatte seinen Posten am Montag zur Verfügung gestellt, weil der Westen seiner Ansicht nach keinen Regimewechsel in Damaskus mehr anstrebt und mit der faktischen Teilung des Landes in Einflusssphären zufrieden ist.