Shell und BP erleiden Rückschläge bei Biokraftstoffen und setzen nun auf LNG
Ölgiganten erleiden herbe Rückschläge bei Biokraftstoffen. Als neue Lösung setzen sie nun voll auf Flüssigerdgas. Doch ist LNG wirklich der Weg in eine grüne Zukunft?
Investitionen in grüne Energie haben den europäischen Öl- und Gasriesen Shell und BP bisher wenig Freude bereitet. Insbesondere Biokraftstoffe wie erneuerbarer Diesel und nachhaltiger Flugtreibstoff, in die beide Unternehmen Milliarden von Dollar investiert haben, entwickeln sich zu einer herben Enttäuschung.
Grüne Investitionen: Ernüchterung bei Shell und BP
Shell musste vergangene Woche eine Wertminderung von 780 Millionen US-Dollar hinnehmen, nachdem der Bau der potenziell größten Biokraftstoffanlage Europas in den Niederlanden gestoppt wurde. BP gab Pläne für zwei von fünf geplanten Biokraftstoffraffinerien auf, kaufte aber immerhin seinen Joint-Venture-Partner BP Bunge Bioenergia in Brasilien.
Der Markt leidet unter einem Überangebot an Biokraftstoffen, vorwiegend durch Billigimporte aus China. Zudem haben Finnland und Schweden die Beimischungsquoten für erneuerbare Kraftstoffe reduziert, um die Energiekosten zu senken – ein Schlag für die Hersteller, die auf staatliche Vorgaben angewiesen sind.
Experten sehen Überangebot bis 2027
Die Energieanalystin Irene Himona von Bernstein erklärte gegenüber dem Wall Street Journal (WSJ), dass der Biokraftstoffmarkt bis etwa 2027 von einem Überangebot geprägt sein wird. Es wird schwierig werden, damit Geld zu verdienen.
An der Bedeutung der Biokraftstoffe dürfte diese Entwicklung langfristig wenig ändern, so eine verbreitete Annahme. Die Internationale Energieagentur (IEA) sieht für sie weiterhin ein enormes Potenzial, um den Kohlendioxidausstoß im Verkehrssektor zu reduzieren. Ihr Anteil am weltweiten Energiemix könnte laut IEA sogar einmal größer sein als der der Windenergie.
Doch die Zukunft ist ungewiss, und für Shell und BP bedeutet die aktuelle Entwicklung einen weiteren Rückschlag bei den grünen Energiequellen. Bei Offshore-Windparks, Wasserstoff und Solarenergie mussten sie zuvor bereits Rückschläge hinnehmen.
LNG als neue Hoffnung: Shell und BP setzen auf Flüssigerdgas
Die neue Trumpfkarte, auf die sie setzen, ist Flüssigerdgas (LNG). Shell-Chef Wael Sawan sieht darin laut WSJ "die einzig glaubwürdige Lösung" für Energiesicherheit und Dekarbonisierung. Er will das LNG-Volumen bis 2030 um bis zu 30 Prozent steigern. Auch BP baut ein großes LNG-Portfolio auf.
Die Unternehmen hoffen, dass vor allem asiatische Länder von Kohle auf LNG umsteigen, das nur etwa halb so viel CO2-Emissionen verursachen soll. Die Hoffnung ist, den CO2-Ausstoß zu senken und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Klimafreundlichkeit von LNG: Methan-Leckagen oft unberücksichtigt
Dass LNG bei der Stromerzeugung um die Hälfte sauberer sein soll als Kohle, ist ein beliebtes Argument der Energiekonzerne. Dabei wird jedoch oft übersehen, dass auf dem Weg von der Förderung bis zur Verbrennung erhebliche Mengen Methan entweichen können.
Die Auswertung von Satellitendaten in den USA hat ergeben, dass beispielsweise beim Fracking rund 4,6 Prozent des Erdgases in die Atmosphäre entweichen. Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, ist 80-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Damit ist Fracking-Gas schmutziger als Kohle.
Zukunftsaussichten: Wachstum und Preisdruck im LNG-Markt
Dennoch geht Goldman Sachs davon aus, dass das LNG-Angebot in den nächsten Jahren wachsen wird. Es wird mit einer jährlichen Wachstumsrate von zehn Prozent gerechnet. Das steigende Angebot dürfte die Preise drücken und LNG auch für Schwellenländer attraktiver machen.
Doch ein Überangebot wäre schlecht für die Renditen der großen Produzenten. Und das könnte zur Achillesferse der aktuellen Strategie der Energiekonzerne werden, zumal Erdgas nur als Brücke in eine grüne Zukunft gesehen wird und seine Nutzung eines Tages enden muss.