Showdown in New York: Das Duell, das keines war

Bush vs. Ahmadinedschad

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Das "Duell" fand nicht statt. Dass der "great clash of the titans" nicht passieren würde, war informierten Kreisen schon klar, bevor US-Präsident Bush und der iranische Präsident Ahmadinedschad - mit einigem zeitlichen Abstand – das Rednerpult betraten, um vor der UN-Vollversammlung zu sprechen.

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad vor der UN-Generalversammlung in New York. Foto: UN

Dass aber die Erwartungen etwas höher geschraubt waren und die Spannung größer war als bei anderen Un-Vollversammlungen, ist jedoch verständlich. Seit mehr als zwei Jahrzehnten gab es offziell keine direkten diplomatischen Gespräche mehr zwischen den USA und Iran. Der Streit um das Nuklearprogramm des Iran hat zu einer Art Kaltem Krieg zwischen den beiden Ländern geführt, von dem nicht wenige befürchten, dass er schließlich doch mit militärischen Mitteln weitergeführt wird. Von beiden Seiten wurden Drohungen geäußert, die eine Eskalation als Möglichkeit einschlossen.

Und nun kam Ahmadinedschad nach New York, um dort zu reden, an der selben Stelle wie Bush. Vielleicht eine Gelegenheit, um sich anzunähern, so die Hoffungen einerseits; vielleicht aber auch der Moment, an dem sich die Feindseligkeiten zuspitzen, so die Befürchtungen vor den beiden Ansprachen, die von manchen in der gespannten Erwartung zu einem "Duell" hochstilisiert wurden.

So ganz stimmte das Bild schon im Vorfeld nicht, da es ja eine gleichwertige politische Statur suggeriert, die nicht gegeben ist. Der amerikanische Präsident verfügt als Staatsoberhaupt über Machtkompetenzen, die er, wie man weiß, auch weidlich und bisweilen sogar über Verfassungsgrenzen hinaus ausschöpft. Ahmadinedschad hingegen ist nicht der oberste Führer seines Landes, seine politischen Kompetenzen sind gegenüber denen seines amerikanischen Pendants beschränkt. Chef der iranischen Außenpolitik ist Chamenei, was Ahmadinedschad andererseits einige Freiheiten der Rede einräumt, die er auch immer wieder in Anspruch nimmt.

Wie die Reaktion des iranischen Präsidenten auf die Äußerungen des Papstes wieder zeigte, ist Ahmadinedschad allemal für eine Überraschung gut. Schon bei seinem letzten New York-Besuch hat er die Gegenwart des "verborgenen Imams" gespürt, eine Art Erleuchtungs- oder Offenbarungsmoment, der von den Medien ausgiebig zitiert wurde. Freilich nicht immer in der gebotenen Ernsthaftigkeit, auch nicht in Iran.

Schachbrett mit Esel

Eine bekannte und beliebte Zeitung der Reformer wurde Anfang September geschlossen. Sie hatte kurz zuvor eine Karikatur veröffentlicht, die einen Eselskopf mit einer Aureole auf einem Schachbrett zeigte, eine Anspielung, die offensichtlich nicht nur von politischen Gegnern des Präsidenten verstanden wurde.

Auch diesmal sorgte er mit einigen Sätzen für Aufsehen, mit denen er schon bei seiner Ankunft am Flughafen die Erwartungen vor seiner Rede etwas anheizte. So soll er, wie die iranische Nachrichtenagentur IRNA gestern nachmittag meldete, iranischen Journalisten gegenüber geäußert haben, dass "Iran eine wirkungsvolle Strategie hat, um manche der gegenwärtigen Probleme der Welt zu lösen". Dabei erwähnte er Probleme in Afghanistan, Libanon, Irak und Afrika. Dieser Satz kursierte dann, wie bei Sätzen von Ahmadinedschad üblich, in verschiedenen Versionen in verschiedenen Medien.

Von manchen wurde das so wiedergegeben, dass Ahmadinedschad behauptet habe, dass "es ein System gebe, alle Probleme in den Griff zu kriegen" und die "Islamische Republik eine wirkungsvolle Methode hat, wie man mit der Welt umgeht". In der nüchternen Tagesschau hörte sich das Ganze schon viel weniger spektakulär an. Doch zog dieser Satz einige Aufmerksamkeit auf sich – zu Ungunsten anderer Sätze, die Kritik am UN-Sicherheitsrat übten, dessen Standpunkt zur Nuklearanreicherung des Iran Ahmadinedschad als Beispiel für eine "unlogische Annäherung zu wichtigen Weltproblemen ("world affairs"" bezeichnete.

In seiner Rede vor der Vollversammlung war dann diese Kritik am Sicherheisrat ein zentraler Punkt. Von Lösungsvorschlägen für "Weltprobleme" war dagegen nicht mehr die Rede. Ahmadinedschad beherrscht das Spiel mit Journalisten augenscheinlich gut, seine Rhetorik verblüfft die, welche selbst gerne nach griffigen, überraschenden Formulierungen und signalträchtigen Begriffen suchen, um eine größere Leserschaft zu erreichen. Und Ahmadinedschad will die einfachen Leute erreichen.

Der Sicherheitsrat als Quelle größter Besorgnis

So war es wenig überraschend, dass er in seiner Rede Anklagepunkte herausstellte, die den sicheren Beifall auf der arabischen Straße finden: die aggressive Politik des Westens - "aggression, occupation and violation of international law" - in Afghanistan, Irak und im Libanon und der Mißbrauch des UN-Sicherheitsrates, der von den Gewinnern des II.Weltkriegs dominiert werde.

Den Sicherheitsrat, welcher als Instrument von Drohungen und Zwangsmaßnahmen mißbraucht werde, bezeichnete Ahmadinedschad als "Quelle größter Besorgnis". Er müsse reformiert werden. Dafür nun hat Ahmadinedschad einen Lösungsvorschlag in petto: Die Organisation der Blockfreien, die Organisation der Islamischen Konferenz und der afrikanische Kontinent sollten einen Vertreter als ständiges Mitglied mit Vetorecht im Sicherheitsrat haben. Man darf gespannt sein, ob ein solcher Vorschlag im Westen überhaupt diskutiert wird.

Natürlich betonte Ahmadinedschad einmal mehr, dass Iran sein Atomprogramm, in das man sich nicht hineinreden lasse, ausschließlich zu friedlichen Zwecken betreibe.

In diesem entscheidenden Punkt gab seine Rede also keinen Anhaltspunkt für eine Annäherung zwischen den Parteien - für die große Überraschung zu diesem Thema hatte zuvor der französische Staatspräsident Chirac gesorgt, der kurz ausscherte und betonte, dass er nichts von Zwangsmaßnahmen gegen eine "großartige Nation" halte. Die Aussetzung der Urananreicherung solle als Bedingung für die Aufnahme von Verhandlungen mit Teheran fallen gelassen werden. Die sechs Länder sollten darauf verzichten, den Sicherheitsrat anzurufen.

US-Präsident Bush setzt auf Diplomatie. Foto: Weißes Haus

Von der UN-Rede des amerikanischen Präsidenten wurde ohnehin nichts überraschend Neues erwartet. Die Kernpunkte konnte man vorher schon lesen. Da sie die letzte einer Reihe von Reden (vgl. "Der entscheidende ideologische Kampf des 21. Jahrhunderts") war, die im Umfeld des Gedenkens des 11.Septembers 2001 stattfanden, war klar, dass der Kampf gegen Extremismus und Terror noch einmal im Mittelpunkt stehen würde. Die Frage war nur, ob sich Bush in einem aggressiven Ton deutlich an Iran, den er ja zur Achse des Bösen und damit zu den Förderern des Extremismus zählt, wenden würde.

Doch Bush setzte diesmal auf Diplomatie und auf diplomatische Gesten. Einmal in der Vermeidung jedes Kontaktes zu Ahmadinedschad, zum anderen in der Bekundung seines Desinteresses an der Rede des iranischen Präsidenten, nur rangniedere US-Vertreter saßen auf den entsprechenden Plätzen. Und in seiner Rede, die Kritik an den Staatsführungen von Iran und Syrien nur indirekt über eine an das Volk dieser Länder gerichteten Zuspruch übte.

An die Menschen im Iran: Wir respektieren sie und ihr Land, wir bewundern ihre reiche Geschichte, ihre lebendige Kultur und ihre vielen Beiträge zur Zivilisation