Sichere Renten: so könnte es klappen
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Leistungslose Einkommen und unnötige Arbeit als neue Finanzierungsquellen erschließen
Fragestellung
Am 4. August titelte die Bild: "Experten warnen: Renten-Ausgaben werden explodieren!" Nicht nur das Springer-Blatt, sondern in sehr vielen Medien gab es seit Juni einige aufgeregte Artikel zur Entwicklung der Renten.
Auslöser für die Rentendiskussion war ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vom 4. Mai mit dem Titel "Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung".
In der Presseerklärung dazu vom 7. Juni hieß es:
Der Beirat prognostiziert schockartig steigende Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025.
Er empfahl daher unter anderem eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 68. Der Spiegel betitelte die vorgeschlagenen Maßnahmen als "asozialer Oberhammer"1 und Wirtschaftsminister Altmaier distanzierte sich umgehend von den Vorschlägen seiner Wissenschaftler.2
Ein Großteil unserer Altersrenten wird über die gesetzliche Rentenversicherung abgewickelt. Wegen der niedrigen Geburtenrate und steigender Lebenserwartung verschiebt sich in Deutschland seit Längerem das Verhältnis der Menschen im Alter von 65 und darüber zu denjenigen im arbeitsfähigen Alter (20 bis 64 Jahre). Dieser sogenannte Altersquotient lag 2018 noch bei gut 35 Prozent. Er soll bis 2036 auf gut 53 Prozent steigen.3 Ganz grob heißt das, dass 2018 noch beinahe drei Menschen im arbeitsfähigen Alter für einen Senior aufkommen konnten, in 15 Jahren wird man dafür voraussichtlich nur mehr weniger als zwei haben.
Die gängigen, konventionellen Vorschläge, um mit diesem Alterungsphänomen umzugehen sind:
- Renten senken oder unterproportional steigen lassen
- Beiträge oder Bundeszuschüsse erhöhen
- Länger arbeiten: Renteneintrittsalter auf 68 oder 69 erhöhen
- Zuzug von ausländischen Arbeitskräften
Ich halte alle diese vier Ansätze für falsch oder unnötig. Wir könnten das Rentenproblem auch ganz anders lösen. Dafür möchte ich im folgenden vier Vorschläge machen.4
1. Leistungslose Einkommen besteuern
Nach der Methodik und Nomenklatur des Sachverständigenrates der deutschen Wirtschaft (die "fünf Weisen"), gibt es derzeit schätzungsweise 550 Milliarden Euro Nicht-Arbeits-Einkommenszuflüsse oder Rentenzahlungen in Form von Mieten, Pachten, Dividenden, Gewinnentnahmen und Zinsen.5
Diese Zahlungen sind in jedem Produkt- und Dienstleistungspreis automatisch enthalten. Jede Konsumentin und jeder Konsument zahlt sie täglich. Diese Zahlungen fließen an die Eigentümer von Boden, Immobilien, Aktien, Unternehmensanteilen, Schuld- und Geldpapieren. Das obere ein Prozent besitzt etwa 35 Prozent dieser Vermögen in Deutschland, das wohlhabendste Zehntel etwa 67 Prozent.6
Bezogen auf die Konsumausgaben der privaten Haushalte 2019 in Höhe von 1,794 Billionen Euro entsprechen diese leistungslosen Einkommen einem Kostenanteil von etwa 30 Prozent.
Wir alle zahlen also in unserer Funktion als Konsumenten täglich knapp ein Drittel des Kaufpreises an die wohlhabenden Teile der Bevölkerung. Insofern existiert in Deutschland, ebenso wie in praktisch allen anderen Ländern, eine perfekt und still funktionierende Reichensteuer.
Alle zahlen ständig eine erhebliche Abgabe an die Wohlhabenden. Diese leistungslosen Transferzahlungen sind zum größten Teil nicht nur asozial, sondern auch gefährlich.7
Abgabe auf nicht selbst genutzten Boden und Immobilien
Mein erster Vorschlag lautet daher: Lasst uns diese leistungslosen oder Rentenzahlungen, die heute auf die Girokonten der Wohlhabenden fließen, zur Finanzierung unserer Altersrenten heranziehen.
Konkret könnte man eine Abgabe auf nicht selbst genutzten Boden und Immobilien von vielleicht drei Prozent des Marktwertes pro Jahr erheben, nach Berücksichtigung von Freibeträgen in Höhe von möglicherweise ein oder zwei Millionen Euro pro Familienmitglied.
Normale Häuslebauer und Landwirte würden von dieser Abgabe also nicht betroffen, sondern ausschließlich Großeigentümer von Boden oder Immobilien. Beispielsweise sind etwa 60 Prozent des landwirtschaftlich genutzten Bodens in Deutschland derzeit in Händen von Nicht-Landwirten.
Tagesschau.de erwähnte in diesem Zusammenhang im Juli 2021 die Aldi-Erben als Erwerber einer riesigen landwirtschaftlichen Nutzfläche und verwies auch auf die USA, wo mittlerweile Bill Gates der größte Eigentümer von Farmland sei.
Weit mehr als die Hälfte unserer Landwirte muss also ständig Pacht an Fremde zahlen, die das Land nicht bearbeiten, in der Regel an Multimillionäre. Das halte ich für schlecht und das sollten wir ändern. Darüber hinaus ist die Eigenheimquote bei uns im internationalen Vergleich extrem niedrig. So schrieb die Bundeszentrale für politische Bildung im Oktober 20208:
Der Anteil der Besitzer einer selbstgenutzten Immobilie lag im Jahr 2017 bei knapp 39 Prozent.
Das gesamte Immobilienvermögen in Deutschland betrug 2019 etwa 14,7 Billionen Euro, davon die reinen Bodenwerte 5,3 Billionen. Angesichts der niedrigen Eigenheimquote von deutlich unter 50 Prozent sowie der hohen Fremdeigentumsquote von Agrarland, dürften die Einnahmen aus einer solchen Abgabe auf nicht selbst genutzte bzw. bewohnte Immobilien oder Boden leicht 150 Milliarden Euro pro Jahr einbringen.9
Wenn man diese Abgabe zur Finanzierung unserer Renten verwenden würde, wären alle Rentenprobleme für die nächsten Generationen gelöst. Mit einer solchen Abgabe auf nicht selbstgenutzten Boden würden wir also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: eine Reduzierung der asozialen, leistungslosen Bodenrentenflüsse in die Taschen von Multimillionären und eine Sicherung unseres Rentensystems.
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