Sicherheitsreport 2023: Angst vor Krieg und Inflation
Fast die Hälfte der Bevölkerung fühlt sich durch Verwicklung Deutschlands in Kriege bedroht. Ein umtriebiger Reserveoffizier beklagt das Meinungsbild: Es fehle ein "klares Bekenntnis zu den Bündnisverpflichtungen der Nato".
Professor Klaus Schweinsberg ist Volkswirt, Oberstleutnant der Reserve und Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr sowie Gründer und Geschäftsführer des "Centrums für Strategie und Höhere Führung" – und er findet große Teile der deutschen Bevölkerung viel zu ängstlich und pflichtvergessen. Als Mitherausgeber der Studie "Sicherheitsreport 2023", die sein "Centrum" am Dienstag gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Allensbach in Berlin vorstellte, ist er mit den Umfrageergebnissen keineswegs zufrieden.
Die aktuell größten Sorgen der Deutschen sind demnach die Inflation und der Krieg in der Ukraine – wobei die Geldentwertung zurzeit noch um einen Prozentpunkt vorne liegt: 86 Prozent der Befragten machen die Preissteigerungen große Sorgen, 85 Prozent sind über den Krieg in der Ukraine sehr besorgt.
"Nur" knapp die Hälfte der Bevölkerung fühlt sich aber durch die Verwicklung Deutschlands in Krieg und militärische Auseinandersetzungen persönlich bedroht – dieser Anteil ist seit 2021 von zehn Prozent auf 47 Prozent gestiegen. Bei der Veröffentlichung des letzten Reports dieser Art Anfang 2022 – wenige Wochen vor der russischen Invasion in die Ukraine – waren es 21 Prozent.
Kein "klares Bekenntnis"
Die hält zwar laut Umfrage eine große Mehrheit der Bevölkerung grundsätzlich für wichtig und unterstützt die Mitgliedschaft Deutschlands in dem Militärpakt. Nur 45 Prozent der Deutschen befürworten aber demnach die Beteiligung Deutschlands an einem Militäreinsatz zur Verteidigung eines anderen Nato-Staates. 35 Prozent der Bevölkerung sprechen sich klar dagegen aus, weitere 20 Prozent sind unentschieden.
Professor Schweinsberg gefällt das nicht. Anlässlich der Vorstellung des Reports nannte er dieses Stimmungsbild sogar "erschreckend":
Dass es unter den Deutschen kein klares Bekenntnis zu den Bündnisverpflichtungen in der Nato gibt, ist erschreckend. Die Nato-Partner, vor allem im Osten, werden mit Sorge und Unverständnis auf diese unsolidarische Haltung in der deutschen Bevölkerung blicken und von der deutschen Politik hier ein klares Bekenntnis einfordern.
Prof. Klaus Schweinsberg, Oberstleutnant der Reserve und Mitherausgeber des Sicherheitsreports
Widersprüche und handfeste Konflikte innerhalb des Militärpakts lässt Schweinsberg bei dieser Bewertung außen vor – zum Beispiel, dass auch die Türkei ein Nato-Staat ist, der unlängst dem Nato-Partner Griechenland mit einem Angriff drohte und Selbstverteidigung völlig anders definiert als etwa die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags im Fall der türkischen "Operation Olivenzweig" in Nordsyrien.
Deutliche Unterschiede gibt es in den Umfrageergebnissen zwischen West- und Ostdeutschland: Während die Hälfte der westdeutschen Bevölkerung eine Beteiligung des eigenen Landes an der Verteidigung eines anderen Nato-Staates befürwortet, gilt dies in Ostdeutschland nur für 30 Prozent. Dort Ostdeutschland überwiegt mit Abstand das Votum, sich auch aus den kriegerischen Auseinandersetzungen, in die andere Nato-Länder verwickelt sind, herauszuhalten.
In der Fragestellung wurde allerdings nur von Angriffen auf Nato-Staaten ausgegangen – nicht gefragt wurde nach Invasionen von Nato-Staaten in andere Länder, wie sie real in den letzten Jahrzehnten durchaus stattfanden, etwa im Irak und in Libyen.
Vor dem Hintergrund der Gefahr, dass der Ukraine-Krieg ausgeweitet wird und die Lebenshaltungskosten für viele nicht mehr zu stemmen sind, hat laut der Studie die Angst vor dem Fortschreiten der Klimakatastrophe an Bedeutung verloren, ist aber noch bei der Hälfte der Befragten präsent. Gleiches gilt für die Frage der Energiesicherheit. Nur noch 16 Prozent machen sich Sorgen, dass die Corona-Pandemie wieder außer Kontrolle geraten könnte.
Weniger Angst für russischem Atomwaffeneinsatz
Die Angst davor, dass Russland im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg Atomwaffen einsetzen könnten, ist in den letzten Monaten zurückgegangen. Noch im Oktober 2022 hielten 45 Prozent dieses Risiko für eher hoch oder sehr hoch, aktuell tun dies noch 34 Prozent.
Gleichwohl geht laut der im "Sicherheitsreport 2023" erfassten Mehrheitsmeinung die größte Gefahr für den Weltfrieden von Russland aus. Mit 82 Prozent führt Russland die Liste der hier genannten Friedensgefährder an, hier waren allerdings Mehrfachnennungen möglich. 60 Prozent beurteilten auch China als große Gefahr. Nur 23 Prozent nannten hier auch die USA. Nordkorea kam auf 52 Prozent, der Iran auf 41 Prozent und Belarus auf 29 Prozent.
Befragt wurden hierfür nach Angaben der Herausgeber insgesamt 1.023 Personen ab 16 Jahren im Zeitraum vom 5. bis 18. Januar 2023.
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