"Sie sind aus Old Europe? Dann benutzen Sie gefälligst das Telefon!"

US-Provider Verizon schützt seine Kunden vor dem Rest der Welt

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Blacklists sind eigentlich nur dazu gedacht, Spamfilter zu unterstützen. Doch immer mehr werden sie entgegen des Rats ihrer Betreiber dazu verwendet, ganze Teilbereiche des Internets mailtechnisch auszusperren. Nun hat es Frankreich, England, Deutschland und Russland erwischt – und zwar komplett.

Spamcop ist mir persönlich längst ein Greuel. Obwohl der Betreiber selbst ausdrücklich davon abrät, die Blacklist zu irgendetwas anderem zu verwenden als zum Taggen von Mails als möglichen Spam, sodass diese vorgefiltert werden können, missachten Admins diesen Hinweis regelmäßig. Wer von einem Server aus Mail verschickt, der auf Spamcop – oder einer anderen Blacklist – gelandet ist, dessen Mail wird stattdessen häufigkommentarlos gelöscht oder mit gefälschten Fehlermeldungen zurückgeschickt.

Grundgedanke der ignoranten Admins: Die "falschen Fehler" sollen den Spammer verwirren. Nur: Der liest keine Fehlermeldungen, der sendet seinen Müll ohnehin mit gefälschten Absenderadressen und lässt Bounces bei anderen, Unbeteiligten aufschlagen. Dafür wird der echte Mailversender, der Mensch am Computer kräftig verwirrt, wenn er erfährt "550 – amueller left the company". Ruft er dann an, um sich nach dem Grund für den plötzlichen Rauswurf des Herrn Müller zu erkundigen, so wird dieser das gar nicht komisch finden.

Auf Spamcop landet ein Mailserver schnell, wenn in großen Unternehmen irgendwo ein Leck vorliegt, sich also beispielsweise auch nur auf einem der 5000 PCs eines süddeutschen Unternehmens ein Spam-Trojaner eingenistet hat und nicht rechtzeitig entdeckt wird. Schon können die anderen 4999 Mitarbeiter an Blacklists benutzende Firmen auch keine Mails mehr verschicken. Da hilft dann auch kein privater Webmail-Account weiter – das blackgelistete Intranet bleibt abgeklemmt.

Mail als Einwegkommunikation

Die auf diese Weise zur Einwegstraße reduzierte Kommunikation ist ziemlich frustrierend: Man erhält eine Mail aus USA, antwortet, bekommt eine Meldung wie "554 – your mail is not wanted – you are on Spamcop.net" und einige Stunden eine weitere Mail aus USA, wo denn die Antwort bleibe, es sei eilig. Da hilft nur noch abends länger im Büro bleiben und telefonieren oder von zuhause auf eigene Kosten telefonieren. Nur der US-Spam trudelt weiter ungestört ein.

Als besonders spamintensiv bekannt sind Korea und China, weshalb diese IP-Bereiche von vielen Mailservern automatisch komplett aussortiert werden. Die meisten Mailbenutzer bemerken dies nicht – der Mailverkehr mit Korea und China ist rar. In Deutschland sortiert auch so mancher des Englischen Unkundige einfach alle englischsprachigen Mails aus – damit hat er 99 Prozent des Spams zur Strecke gebracht, denn aus irgendeinem Grund sind die US-Spammer davon überzeugt, dass Adressen mit ".de" am Ende ein besonders lohnendes Ziel für "US Tax Reduction" oder "lower US mortgage" sind. Ein Mailserver würde jedoch nicht so eingestellt.

Die Amis kennen dagegen hier keine Hemmungen. Besonders Verizon filtert für seine Kunden das Internet so massiv, dass die arabischen Länder oder China glatt neidisch werden könnten. So wurde schon vor Jahren Deutschland für den WWW-Zugriff gesperrt und eine New Yorkerin, die sich in Wartezeit in Kneipen gerne per Mini-Notebook mit Funk-PCMCIA-Karte und Funk-Flatrate in ein deutsches grafisches Chatsystem einloggte und dies von einem Tag auf den anderen nicht mehr konnte, bekam von Verizon barsch zu hören, sie habe mit der Funk-Flatrate auch gefälligst nicht auf einem deutschen Server zu chatten, das sei ja wohl nicht notwendig.

"Sie müssen mit unserem Zugang nicht im Internet chatten!"

Klar, dass die junge Dame dann der Ansicht war, damit sei auch ihr Vertrag mit Verizon nicht mehr notwendig und zu AT & T ging, denn von ihrem Provider wollte sie sich nicht erklären lassen, wozu sie ihren Mini-Notebook und die Funkkarte gekauft und zu benutzen habe. In New York kein Problem. Doch in vielen ländlichen Gebieten, in denen Verizon beispielsweise Internet über Kabelanschluss anbietet, gibt es keine Alternative.

Seit dem 22. Dezember letzten Jahres zeigt Verizon seinen Kunden erneut, was eine Harke ist: Nun wird Mail aus England, Deutschland, Frankreich und Russland abgewiesen – angeblich, weil die Franzosen und Deutschen soviele deutsche und französische Werbemails an Verizon-Kunden verschickten. Und damit die so unterbrochenen transkontinentalen Kontakte auch zuverlässig unterbrochen bleiben, wurde diese Filterei gegenüber nachfragenden zahlenden Kunden zunächst bestritten.

Inzwischen gibt Verizon Pressesprecher Ells Edwards die Mailblockade zu. Wie lange sie noch anhalten soll, wird aber nicht verraten. Und wer wirklich auf wichtige Nachrichten aus Europa warte, der solle halt ein paar Stunden früher aufstehen und anrufen. Das ist immerhin nicht abgeschaltet. Noch nicht.